Die Saison ist kaum eine Woche alt, doch ein Blick auf die Tabellen bestätigt es. Mal wieder.
Die Western Conference ist ein Blutbad.
Gleich sieben Teams sind mit einer 3-1-Bilanz oder besser ins neue Jahr gestartet - und nicht mitgerechnet sind dabei die Portland Trail Blazers (2-2), der Champion aus San Antonio (1-1) und die von Verletzungen gebeutelten Oklahoma City Thunder (1-4). Macht zehn.
Und dann gibt es da noch die New Orleans Pelicans. Zwei Siege und zwei Niederlagen bisher - und ganz sicher mehr als zwei neidische Blicke gen Osten, wo derzeit nur fünf Teams eine positive Bilanz aufweisen. Während die eigenen vier Division-Gegner von 14 Spielen zwölf gewonnen haben.
Aber es hilft nichts: Wollen die Pelikane Playoff-Luft schnuppern, endlich einmal mehr einstreichen als ein aufmunterndes Schulterklopfen und ein "Kopf hoch, euch gehört die Zukunft", müssen sie den wilden Westen erobern.
Und Grund zur Hoffnung gibt es.
Schlechte Quote - gutes Zeichen?
Es scheint abwegig, ja fast schon wie ein übler Scherz. Doch wer angesichts der Playoff-Herkulesaufgabe positive Anhaltspunkte sucht, sollte sich die Trefferquote des Teams vor Augen halten. 40,9 Prozent. 25,6 Prozent von Downtown. Nicht einmal 70 Prozent von der Linie. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr lag man bei 45,9/37,3/76,9.
Nun ein Blick auf die Gegner: Mit Charlotte und Orlando wurde ein Lottery-Kandidat und ein wahrscheinliches Playoff-Team (im Osten) relativ problemlos besiegt. Gegen die Mavericks stand man kurz vor der Überraschung, lediglich auswärts bei den Grizzlies war nichts zu holen.
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Das gute Zeichen: Die Pflichtaufgaben wurden trotz fehlenden Zielwassers also erledigt. Und die schlechten Quoten lagen weniger an den Defensiv-Qualitäten des Gegners, sondern an... einer Pechsträhne? Einem kollektiven Kaltstart in die Saison? Wie dem auch sei: Sie werden wieder steigen. Dann sollte man auch um die Großen um Siege mitspielen.
Für wen das etwas zu weit hergeholt klingt: Natürlich, mit einer Sample Size von vier Spielen kann man fast alles begründen. Dennoch: Es gibt keinen Grund, weshalb das Team nicht wie im vergangenen Jahr an einer Top-10 Offensive Efficiency kratzen sollte. Schließlich sind langzeitverletzte Leistungsträger wie Ryan Anderson und Jrue Holiday wieder fit. Das wird einen Schub geben.
The Brow als MVP-Kandidat
Grund Nummer eins für mehr als verhaltenen Optimismus an der Küste Louisianas ist jedoch selbstverständlich ein anderer. Grund Nummer eins trägt das Jersey mit der Nummer 23, bietet eine einzigartige Kombination aus Größe und Athletik. Grund Nummer eins hat unglaubliche lange Arme, viel Gefühl in den Händen - und nur eine Braue.
Was Anthony Davis in den ersten vier Spielen dieser Saison gezeigt hat, klingt ohne Übertreibung nach einem MVP-Award in naher Zukunft. Fans wie Experten hatten sich von seiner WM-Teilnahme mit dem Team USA einen weiteren Schub erhofft, und sind bisher nicht enttäuscht worden. 23,8 Punkte, 13,3 Rebounds, 4 Blocks, 1,8 Steals pro 37 Minuten. Klingt nach Shaq oder Hakeem - und diese Namen klingen nach Titeln.
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Davon sind die Pellies selbstverständlich noch weit entfernt. Doch wo viele Teams händeringend nach einem Superstar suchen, hat die Franchise den jüngsten der Liga noch bis mindestens 2017 unter Vertrag. 26 Punkte, 17 Rebounds, 9 Blocks und 3 Steals gegen die Magic? Highlight-Dunks jeden Abend? "Ich lerne noch dazu, was das Spiel und was die Liga angeht", so Davis. Das klingt wie eine Drohung.
Asik als passendes Puzzleteil
Die Offense ist noch auf der Suche nach der Form des Vorjahres - doch wie sieht es auf der anderen Seite des Balles aus? Um Davis und die Guards defensiv zu entlasten, kam bekanntlich Center Omer Asik aus Houston. "Er sagte zu mir und dem Coach: 'Ich will den Ball nicht. Ich will einfach nur rebounden und verteidigen.' Ich schaute rüber zum Coach und sagte: 'Damit bin ich einverstanden'", erinnerte sich ein lachender Davis nach dem Auftaktspiel gegen die Magic, in dem Asik 14 Punkte, 17 Rebounds und 5 Blocks ansammelte und die Zone zur Sperrzone erklärte.
Drei Partien später kommt der 28-Jährige im Schnitt immer noch auf ein Double-Double mit knapp zwei Blocks. Nur fünf Teams lassen weniger Punkte zu, niemand greift sich so viele Rebounds pro Spiel wie die Pelikane (über 51). Vorsichtiges Fazit: Trade gelungen.
Mit Davis und Asik unter dem Korb, Ryan Anderson an der Dreierlinie und zwei gut aufgelegten Guards in Jrue Holiday (14 Punkte, 6 Assists) und Tyreke Evans (bislang 18, 9 und 6!) ist schon mehr als ein Grundstein gelegt. Klingt in dieser Form eigentlich nach Playoff-Team, sogar im Westen.
Schwache Bank, schwächerer Gordon
Dummerweise besteht nun aber kein Team, und schon gar kein Playoff-Team, nur aus fünf Mann. Bis auf Anderson ist die Bank von Coach Monty Williams fast schon durchscheinend dünn. Wo man auch hinschaut: schlechte Trefferquoten und negative Plus/Minus-Bilanzen. Lediglich Austin Rivers empfahl sich gegen Charlotte mit 12 Punkten für Spielzeit - und der könnte angesichts der Seuchensaison von Eric Gordon sogar in naher Zukunft in die Starting Five rücken.
Es scheint eine Ewigkeit her zu sein, dass Gordon den Suns 58 Millionen Dollar über vier Jahre wert war, in Wahrheit jedoch nur zwei Jahre. New Orleans zog damals mit dem Offersheet aus Phoenix gleich, und so verdient der Shooting Guard in dieser Saison fast 15 Millionen, bekommt aber neben Holiday und Evans kein Bein auf den Boden (7 PPG, 25 %FG). Und macht keinen Hehl daraus, unzufrieden zu sein. "Ich bekomme keine Gelegenheit dazu, meine Stärken auszuspielen, zum Beispiel Pick-and-Rolls, oder Catch-and-Shoot-Situationen", moserte er am Sonntag. "Das ist eine neue Rolle für mich, ich muss einen Weg finden, meine Würfe zu bekommen."
Führt dieser Weg auf die Bank? "Wir überlegen uns das alles ganz genau", gibt Williams zu. "Egal ob er in der ersten oder zweiten Garde spielt, er muss einfach auf einem hohen Level spielen." Womöglich ist die Scorer-Rolle von der Bank die richtige für Gordon. Vielleicht würde dieser Schachzug den zweiten Anzug des Teams aber auch weiter schwächen.
Williams sucht Antworten
Es ist eine der Fragen, die der 43-Jährige in seinem mittlerweile fünften Jahr am Ruder der Franchise beantworten muss - abgesehen von der miesen Trefferquote natürlich ("Wir arbeiten rund um die Uhr daran."). Zu den Hausmarken der NBA gehört Williams ganz sicher noch nicht, aber trotz drei Jahren ohne Postseason sitzt er fest auf seinem Stuhl - noch.
Neben Jim Boeheim und Bulls-Coach Tim Thibodeau war Williams Assistant Coach bei der WM in Spanien, seine Fachkompetenz ist unbestritten. Das zeigt sich auch darin, dass die Pelicans nach der Pause oft noch zulegen können - offenbar findet er die richtigen Worte in der Kabine. "Im dritten Viertel versuchen wir immer, noch einen Zahn zuzulegen", bestätigt Evans.
Positive Bilanz
Je nach Herangehensweise ist das Glas bei den Pelicans also halbleer oder halbvoll. Langfristig geht es sicherlich bergauf, fragt sich nur wie schnell. Um die Frage nach einer möglichen Playoff-Teilnahme also noch einmal aufzugreifen: Der Start in die Saison war trotz eiskalter Schützen solide. Wenn die Trefferquote wie erwartet ansteigt, die Leistungsträger gesund bleiben und man die Bank vielleicht durch einen Trade verstärkt, sollte man eine positive Bilanz erreichen können.
Wie nah oder fern das von einem Playoff-Spot sein wird, wird von der Konkurrenz abhängen. Wie schnell werden Russell Westbrook und Kevin Durant fit? Verletzt sich ein weiterer Superstar? Hält Sacramento (3-1) das Tempo durch? So oder so: Abschreiben sollte man diese Pelikane nicht, weiß Williams: "Unser Team liebt die Herausforderung."