Die Cleveland Cavaliers stolpern in den zweiten Teil der LeBron-Ära. Was ist los mit den Clippers? Wie macht sich Derrick Rose bei seinem Comeback in Chicago und warum ist er schon wieder verletzt? Die New-York-Teams starten schwach, aber Golden State ist richtig gut, mit den Splash Brothers Stephen Curry und Klay Thompson im Backcourt.
Das ist nur eine Auswahl der derzeit dominierenden Schlagzeilen in der NBA während der ersten Saison-Wochen. Wenn man das beste Team der Liga sucht, ist man im breiten Scheinwerferlicht allerdings an der falschen Adresse. Es sind die Memphis Grizzlies, die die beste Bilanz in der NBA (10-2) mitbringen. Und das mit einem eingespielten Frontcourt, aus dem ein Marc Gasol in Topform heraussticht, der seit Jahren patentierten Grit'n'Grind-Defense - und einer ganz besonderen Form der Splash Brothers im Backcourt.
Die Spielweise der Grizzlies sorgt nicht unbedingt für offene Münder und regelmäßige Auftritte in den Top 10 und natürlich ist der Backcourt nicht so "splashy" wie in Golden State. Dennoch ist Memphis erfolgreich und die Guards spielen dabei in diesem Jahr eine große Rolle.
Lee effektiv wie nie
Der starke Start beginnt bei einem unerwarteten Namen: Courtney Lee ist nach einer halben Saison des Warmwerdens endgültig in Memphis angekommen. Seine Defense wurde auch in seinen vier vorherigen Stationen in der NBA bemerkt und gewürdigt, als Scorer trat er hingegen selten in Erscheinung.
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In diesem Jahr allerdings ist Lee ein Hauptgrund für den Blitzstart der Grizzlies. Fast 15 Punkte im Schnitt erzielt er bislang, so viele wie nie zuvor. Dazu kommen sagenhafte 62 Prozent Trefferquote von der Dreierlinie bei mehr als drei Versuchen pro Spiel.
Diese oft vermissten Qualitäten als Scharfschützen machen ihn so wertvoll für Memphis. Der Distanzwurf ist bekanntlich nicht die Stärke des Teams. Insbesondere wenn Lee neben Tony Allen oder Tayshaun Prince spielt, ist der 29-Jährige unerlässlich, um Platz in der Zone für Gasol und Zach Randolph zu schaffen. Daher kommt er mit 33 Minuten im Schnitt auf die meiste Einsatzzeit seiner Karriere.
Mike Conley - Das Point-Guard-Schnäppchen
Lee profitiert dabei von seinem Partner im Backcourt, Mike Conley. Ähnlich wie die Grizzlies fliegt der Point Guard zumeist unter dem Radar. Geht es um die besten Spielmacher der Liga, fallen andere Namen. Ins System der Grizzlies passt er allerdings perfekt. Mittlerweile spielt er seine achte Profi-Saison in Memphis und hat folgerichtig das Wesen des Teams längst verinnerlicht.
Als physisch starker Guard lässt er sich in der Defensive von keinem Gegenspieler etwas vormachen. Gemeinsam mit Marc Gasol bildet er ein tödliches Pick-and-Roll-Duo.
Obwohl die Grizzlies grundsätzlich nicht sehr schnell spielen, kann Conley bei Ballgewinnen schnell umschalten und einfache Punkte im Fastbreak kreieren. Dieses Gesamtpaket eines Point Guards gibt es noch dazu für gerade einmal acht Millionen Dollar im Jahr. Nach Gasol ist er der zweitbeste Scorer mit 17 Punkten pro Spiel und er verteilt durchschnittlich sechs Assists bei nur zwei Ballverlusten. Wenn der 27-Jährige seine Dreierquote von knapp 45 Prozent einigermaßen halten kann, würde das einen persönlichen Bestwert bedeuten.
Dabei ist Downtown kein Bereich, in dem sich die Grizzlies wohlfühlen. Seit Jahren feuern sie ligaweit am seltensten jenseits von 7,25 Metern ab. In diesem Jahr allerdings sorgen Lee und Neuverpflichtung Vince Carter für Abhilfe. Der Wurf von Carter will in dieser Saison zwar noch nicht fallen (29 Prozent Dreierquote), doch immerhin liegen die Bären dank einer Quote von 37 Prozent bei den erzielten Dreiern auf Platz 27. Das klingt nicht berauschend, ist aber seit 2008 der mit Abstand beste Wert für die Franchise.
Der beste Flügelverteidiger der Liga?
Tony Allen ist weder beim Volumen noch bei der Trefferquote von Downtown eine Hilfe. Dennoch ist er einer der stilbildenden Bestandteile der Grizzlies. Er selbst definiert sich - wie sein Team - über seine Defense und ist dabei extrem selbstbewusst: "Ich verteidige immer gegen die Besten der Welt. Ich bin einer der besten Perimeter-Verteidiger der Liga, wenn nicht der Beste. Aber ich kann mich auch auf meine Teamkollegen verlassen."
Zu diesen Teamkollegen zählt eben auch Lee und dieser Lee ist der Grund, warum Allen in dieser Saison auf der Drei startet. Netter Nebeneffekt: Die Veteranen Tayshaun Prince und Vince Carter werden merklich entlastet.
Wenn Lee und Allen nebeneinander starten, kassierten die Grizzlies bislang erst eine Niederlage. Von den Defensivkünsten des Letztgenannten durften die Houston Rockets und insbesondere James Harden erfahren. Beim Aufeinandertreffen der stärksten Teams der Western Conference wurden die Texaner aus der Halle gefegt, Harden gelangen gerade einmal sechs Punkte.
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"Wir wollten ein Statement setzen. Sie sind ein Team das wir auf der Rechnung haben", erklärte Allen und auch für Conley war es ein Schlüsselspiel: "Dieses Team kann uns auch mal schnell mit 30 Punkten nach Hause schicken, aber wir waren sehr fokussiert. Ich denke, das war ein gutes Zeichen an den Rest der Liga, dass man uns auf dem Zettel haben sollte."
Grit and Grind
Die Grizzlies nehmen jedes Spiel ernst und jeden Angriff des Gegners erklären sie zu einer persönlichen Mission. Das macht es unheimlich schwer, zu punkten zu kommen, gerade weil im Backcourt drei Mann bereit stehen, deren Defense zur Spitzenklasse der Liga zählt. Die Zahlen belegen dies: Die drittmeisten Steals der Liga (8.9 pro Spiel), die wenigsten gegnerischen Punkte zugelassen (91.8), und auch in der defensiven Effizienz gehört Memphis mit 97.8 zu den Besten.
Bislang konnten die Grizzlies nur durch einen Magen-Darm-Virus gestoppt werden. Allen, Lee, Backup Point Guard Beno Udrih mussten im Spitzenspiel gegen die Raptors passen. Quincy Pondexter, Backup von Lee und Allen spielte trotz der Erkrankung 30 Minuten. Und trotz dieser Personalsorgen war in fremder Halle der Sieg möglich. Dennoch führt Memphis den Westen an - vor den viel beachteten Splash Brothers der Warriors. Es wird also Zeit, dass endlich auch über die Grizzlies geredet wird.