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Wie alter Wein

Von Sebastian Dumitru
Scheint den Gesetzen der Zeit zu trotzen: Kobe Bryant, der Fels in der Lakers-Brandung
© getty

In seiner 17. NBA-Saison lässt man es normalerweise etwas ruhiger angehen. Es sei denn, man heißt Kobe Bryant. Der zeigt mit 34 Jahren die effizienteste Leistung seiner Hall of Fame Karriere und hievt seine Los Angeles Lakers nach verkorkstem Saisonstart eigenhändig in die Playoffs.

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Der Ellbogen schmerzte wie verrückt. Zumindest jene Region, die der ikonische Guard mit der Nummer 24 noch spüren konnte. Ein Großteil des Gelenks, ja des gesamten rechten Wurfarmes, war nach einem Schlag vollkommen taub. Kobe Bryant musste sich in der Kabine behandeln lassen, während Oklahoma City davon zog. Die Betreuer zweifelten an seiner Rückkehr, die offizielle Diagnose war "Weiterspielen fraglich."

Nur wenige Minuten später stand der 34-Jährige wieder auf dem Parkett und befeuerte fast im Alleingang das Lakers-Comeback. 30 Punkte reichten am Ende zwar nicht zum Sieg (Oklahoma City gewann, 122:105), aber alleine die Tatsache, dass Bryant trotz neuer Blessuren und in fortgeschrittenem Alter darauf beharrte, weiter zu machen, spricht Bände über die mentale Komposition des 15-fachen NBA All-Stars. Seine Schmerztoleranz ist unerreicht.

Als Journalisten nur einen Abend später - Los Angeles musste im back-to-back bei den Hornets ran - von Bryant wissen wollten, wie es seinem lädierten Arm gehe und ob er auflaufen würde, kam seine Antwort gewohnt salopp: "Natürlich spiele ich. Das ist ein entscheidender Abschnitt im Spielplan. Wir brauchen dringend Siege." Sprach er und machte sich auf, eines der denkwürdigsten Matches der Saison zu fabrizieren. Los Angeles machte einen 25-Punkte Rückstand gegen die Hornets wett und gewann am Ende, 108:102. Bryants Stat-Line: 42 Punkte, 7 Rebounds, 12 Assists, davon 25 Punkte (9/11 FG) und 11 Assists nach der Pause.

Bryant weigert sich schlicht und ergreifend, ein enttäuschendes Lakers-Jahr vollends durch die Finger gleiten zu lassen. Ein Verpassen der Playoffs kommt für ihn nicht in Frage, auch wenn er dafür über sprichwörtliche Leichen gehen muss. "Inakzeptabel", dieses Wort fällt am häufigsten im Zusammenhang mit einem möglichen Saisonende am 17. April, dem letzten Tag der regulären Saison.

Eine Playoff-Garantie und ihre Folgen

"Es steht außer Frage, dass wir die Playoffs noch erreichen. Das werden wir. Und wenn wir einmal dort sind, habe ich keine Angst vor niemandem. Oklahoma City, San Antonio, Denver... wer auch immer. Wir werden kämpfen." Es waren diese Worte von Bryant, die Mitte Februar für Gewieher, Kopfschütteln und Achselzucken sorgten. Die Lakers dümpelten nach wie vor mit einer negativen Bilanz irgendwo im unteren Tabellendrittel der Western Conference herum. Von den großen Meisterschaftsambitionen hatte man sich nach dem tumultartigen Start längst verabschiedet. Drama, Chaos und Anarchie bestimmten die Saison in Tinseltown. Die 50-Prozent Marke hatte man seit Dezember nicht mehr erreicht - die längste Dürre des Klubs seit mehr als zehn Jahren.

Seit Bryants zunächst belächelter Garantie vor knapp drei Wochen hat Lila-Gold aber 8 von 10 Partien gewonnen, sich über die .500er Marke gekämpft und zwischenzeitlich sogar einen Playoff-Platz erobert. Die "Black Mamba" kommt in besagtem Zeitraum auf 32,2 Punkte, 6,3 Rebounds und 7,1 Assists im Schnitt - bei unglaublichen Quoten (53,1 FG%, 42,6 Prozent Dreier, 81% Freiwürfe). Sieben Mal erzielte der Franchise-Spieler mindestens 30 Punkte, sieben Mal verteilte er mindestens 5 Assists.

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Die Siege gegen Dallas, Atlanta, New Orleans und Toronto brachte Bryant fast im Alleingang unter Dach und Fach. Mehrere unmögliche Crunchtime-Treffer gegen die Raptors und ein krachender Dunk gegen die Hawks hielten die Positivserie am Leben und verdeutlichten einmal mehr, dass sein Name fallen muss, wenn man von den wertvollsten Akteuren der Liga spricht. "Das ist schon ziemlich unglaublich alles. Keine Ahnung, woher er seine jungen Beine nimmt, aber die entscheidenden drei, vier Ballbesitze ist er einfach bis zum Ring vor und hat dort unfassbare Würfe getroffen. Der Sieg geht auf seine Kappe", sagte sein Coach Mike D'Antoni anerkennend.

#Vino

Eigentlich würde D'Antoni seinen Hauptakteur liebend gerne anders einsetzen - mehr als Vollstrecker abseits des Balls, und vor allem kürzer. Die prekäre Situation des Klubs in diesem Jahr und Bryants Weigerung, kürzer zu treten, machten dem Coach einen Strich durch die Rechnung. Nur sieben Spieler stehen in dieser Spielzeit länger auf dem Parkett als Bryant, der es auf absurde 38,3 Minuten pro Partie bringt. Die anderen sind im Schnitt gut zehn Jahre jünger als "Bean", der Gevatter Zeit aber nach wie vor die gleichen Schnippchen schlägt wie seinen Gegenspielern auf dem Hartholz.

Pump-Fake, Pass-Fake, Turnaround, Fadeaway... dass Bryant auch nach 17 NBA-Saisons und 53.471 absolvierten Minuten derart effektiv geblieben ist, liegt an seiner besessenen Hingabe zum Spiel. Niemand verbringt mehr Zeit mit der Konservierung seines Körpers, minutiösester Vor- und Nachbereitung und dem Studium aller Details, die Basketball so einfach und komplex zugleich machen. Während die meisten Spieler mit 34 Lenzen langsam ans Aufhören denken, zeigt die Mamba die effizienteste Saison ihrer Karriere (Höchstwerte bei den Trefferquoten und durch die Bank weg Statistiken oberhalb seines Karriereschnitts). Und das, "obwohl der Zahn der Zeit nagt", wie der Guard immer wieder betont. "Der Körper will nicht mehr so wie früher. Aber euch werde ich natürlich nicht stecken, dass ich langsamer geworden bin."

Langsamer? Mit 27,7 Punkten pro Spiel rangiert Bryant derzeit auf Platz 3, was die besten Scorer der Liga anbelangt. Das Rennen mit Kevin Durant (28,4 PPG) und Carmelo Anthony (27,9 PPG) ist in vollem Gange. Sollte Bryant seine beiden Team-USA-Kollegen noch überholen und auf Platz eins landen - durchaus realistisch angesichts der Lakers-Situation in den letzten fünf Saisonwochen - wäre er der erste Spieler seit Jordan, dem diese hohe Ehre mit 34-plus zuteil würde. Jordan kam 1997-98 auf 28,7 Punkte im Schnitt, bevor er mit den Chicago Bulls seine insgesamt sechste Meisterschaft gewann und mit 35 ein zweites Mal in Rente ging.

Lakers-Turnaround

Von Meisterschaft wagt man in Los Angeles derzeit freilich nicht zu träumen - zumindest nicht öffentlich. Zu stark wirken die Enttäuschungen von November bis Februar nach, jene tosenden Wochen, in denen die Lakers eine peinliche Niederlage nach der anderen kassierten und mehr Drama fabrizierten als ein Hollywood-Streifen mit Jack Nicholson. Ende Januar sah es bereits so aus, als würden die Kalifornier (damals bei einer 17-25 Bilanz) vorzeitig für den Sommerurlaub planen können.

Dann passierte etwas Erstaunliches: das Team begann, sich zu finden. Angetrieben von einem vernarrten Kobe, der immer wieder Dringlichkeit mahnte und als Spielgestalter in den Vordergrund rückte (7,9 Assists seither), fingen einzelne Bausteine an, ineinander zu greifen. Los Angeles gewann 16 von 22 Partien. Die neue Kultur des Teilens, vorgelebt vom Megastar höchstpersönlich, trägt Früchte. Spieler haben ihre eigenen Agenden hinten an gestellt, zum Wohl des Teams. "Wir haben jetzt heraus gefunden, wie wir als Gruppe zusammen finden. Echte Teamchemie entsteht nur durch Widrigkeiten. Die Gefahr ist natürlich immer, dass es auch in die andere Richtung kippen kann, aber uns scheint das alles zusammen gebracht zu haben", sagt Bryant über die überstandenen Probleme seines Klubs.

Sogar Dwight Howard scheint aufgepasst zu haben. Der Center findet sich immer besser zurecht, die Chemie mit Bryant ist sichtlich besser geworden. Howards Einsatzbereitschaft und Produktivität ebenfalls - trotz verletzter Schulter: "Ich habe Kobe beim Arbeiten zugeschaut und ihn gefragt, was er gemacht hat, wenn er Probleme hatte. Ich habe beschlossen, alles dafür zu tun, um in der zweiten Saisonhälfte besser zu sein."

Ende gut, Alles gut?

Die Lakers sind heute mitnichten ein völlig anderes Team. Die Offensive ist nicht viel besser als im Dezember, die Verteidigung nach wie vor löchrig und im Fast-Break extrem anfällig. Auch fehlt es oft noch an einer klaren Identität - die Leistungsabweichungen von Spiel zu Spiel sind extrem. Was man aber sieht, ist ein neuer Zusammenhalt, eine Einsatzbereitschaft und ein Kampfgeist, der in den ersten Monaten fehlte. Teamchemie, Kontinuität und eine gewisse Dringlichkeit haben dazu geführt, dass die Lakers heute Spiele gewinnen, die sie vor Monatsfrist noch kläglich verloren. Womöglich waren sie damals nicht so schlecht, wie ihre Bilanz suggerierte. Womöglich sind sie heute nicht so gut, wie es sich darstellt. Aber sie gewinnen, und nur darauf kommt es an. Für Los Angeles. Und erst recht für Kobe Bryant.

Wird es letztendlich reichen, um eine frustrierende Saison erfolgreich zu beschließen? Die Lakers-Verbesserungen erfolgen in kleinen Schritten. Nash hat seine Rolle gefunden, die Ersatzspieler ebenfalls. Als Nächstes muss Pau Gasol reintegriert werden, wenn er in wenigen Wochen zurück kehrt. Das Verpassen der Playoffs ist ebenso möglich wie ein Emporschießen auf Platz sechs und harte Duelle gegen die San Antonios und Oklahoma Citys im Mai.

Egal aber, wie es endet für L.A.: Kobe Bean Bryant ist schon jetzt eines der Highlights dieser Saison. Man muss ihn nicht mögen, um zu respektieren, wie er sich mit 34 Jahren Tag für Tag schindet, sein Team Abend für Abend schultert und einen denkwürdigen Moment nach dem anderen fabriziert. Noch in diesem Monat wird der Inbegriff des Shooting Guards an Wilt Chamberlain vorbei ziehen und zum viertbesten Scorer der NBA-Geschichte avancieren. Ob Freund oder Feind: wir alle haben das Privileg, einen der besten Basketballspieler aller Zeiten Abend für Abend miterleben zu dürfen. Einen, der den Sport in all seinen Facetten gemeistert hat. Und der an die teuersten, weil edelsten Weine der Welt erinnert: je älter, desto besser...

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