Platz sieben in der Eastern Conference, die erste Playoff-Teilnahme der Franchise-Geschichte, und das auch noch mit einer positiven Bilanz (44-38). Was war das für eine starke Regular Season, die die Charlotte Bobcats 2009/10 unter Trainer-Legende Larry Brown spielten.
Das anschließende Erstrunden-Aus gegen Meisterschaftskandidat Orlando Magic war zu erwarten, der glatte 4-0-Sweep tat trotzdem weh. Unter Erfahrung abhaken, weitermachen - denkste.
Gerade mal neun Monate sind seitdem vergangen, aber es kommt einem deutlich länger vor. Die Truppe aus North Carolina verschlief den Saisonstart gehörig. Brown wurde am 22. Dezember entlassen, die Bilanz zu diesem Zeitpunkt lautete 9-19. Wie schlimm die Situation bei den Bobcats damals war, zeigte sich an Browns Kommentaren nach der 80:113-Niederlage bei den Memphis Grizzlies am 15. Dezember:
"Kein Kampfgeist, kein Teamwork. Die Spieler laufen nicht in die Defense zurück, sondern geben den Schiedsrichtern die Schuld", zeigte er sich gegenüber dem "Charlotte Observer" enttäuscht. "Ich musste meinen Spielern während der Halbzeit ins Gewissen reden, sie regelrecht anflehen, Leistung zu bringen. Das sollte eigentlich nicht meine Aufgabe sein."
Jackson: "Sind keine Roboter mehr"
In Folge dessen berichtete "ESPN" am 17. Dezember, die Bobcats wollten ihre beiden Top-Spieler Gerald Wallace und Stephen Jackson traden. Dies soll von Brown ausgegangen sein, der seinen Kader satt hatte. Stattdessen trennten sich die Bobcats keine Woche später von ihrem Coach.
Charlotte stellte die Trennung nach außen als eine in beiderseitigem Einvernehmen dar. Doch das scheint zumindest fragwürdig: "Larry hat kein Problem damit zuzugeben, dass es bergab ging. Aber er hat nicht hingeworfen, er wurde gefeuert. Die Spieler haben bereits angefangen nachzutreten", schrieb Bob Finnan vom "News-Herald".
Gemeint ist unter anderem Shooting Guard Stephen Jackson, der über Nachfolger Paul Silas sagt: "Er lässt uns unser Spiel aufziehen und unsere Gehirne einsetzen. Wir müssen uns nicht mehr wie Roboter verhalten."
Browns Erfolge sind unanfechtbar: NCAA-Champ 1988, NBA Coach of the Year 2001. Neben der NBA-Championship 2004 mit den Pistons holte er mit seinen Teams drei Conference- und sieben Division-Titel. Und nicht zu vergessen die Playoff-Teilnahme mit den Bobcats.
Playoffs 2011: Nur ein Etappenziel
Dies soll nicht darüber hinweg täuschen, dass Larry Brown kein einfacher Trainer ist. Der Defensiv-Fanatiker gilt als äußerst engstirnig und neigt außerdem dazu, junge Spieler auf der Bank versauern zu lassen. Tyrus Thomas etwa hatte unter ihm keinen leichten Stand.
Dass sich Charlotte seit Browns Entlassung gefangen hat und derzeit auf Platz neun im Osten steht, überrascht deshalb die wenigsten.
Das Team wirkt unter Silas wieder stabiler, ist auf der anderen Seite aber nur deshalb noch im Playoff-Rennen, weil im schwachen Osten die Konkurrenten aus Philadelphia, Milwaukee und Indiana ebenfalls inkonstant spielen. So inkonstant, dass sogar das am Boden liegende Detroit noch Chancen hat.
Für Charlotte spielen die Playoffs in diesem Jahr aber ohnehin keine große Rolle mehr, ob man sie nun erreicht oder nicht. Am Tag der Trading-Deadline verscherbelten die Bobcats Wallace doch noch für Joel Przybilla, Dante Cunningham, den unsterblichen Sean Marks, zwei Draft-Picks und Bares an die Portland Trail Blazers.
Wallace für Portlands Ramsch: Ein guter Deal!
Erste Reaktion fast aller Fans und Experten: Charlotte hat mal wieder alles falsch gemacht. Der Verlust von Wallace, der für harte Defense, Reboundarbeit, Shot-Blocking und all die kleinen Dinge steht, die ein Team auf das nächste Level heben können, wird durch die Neuen nicht annähernd kompensiert.
Przybilla ist ein ordentlicher Backup-Center und vor allem stark am Brett, Cunningham ein nicht untalentierter Forward, Marks nicht viel mehr als ein Torso. Selbst, wenn man die Stärken aller drei in einem Spieler zusammenfassen könnte, wäre Wallace noch klar besser.
Ein Superstar ist er aber nicht, und deshalb macht der Deal auf den zweiten Blick durchaus Sinn. Man neigt nur allzu schnell dazu, die Bobcats zu verdammen. Nicht zuletzt, seit Michael Jordan in North Carolina das Zepter schwingt.
Jordans fragwürdige Entscheidungen
Schon Anfang des Jahrtausends in Washington machte sich Jordan zur Lachnummer, als er mit Kwame Brown im Draft 2001 einen der schlechtesten Nummer-Eins-Picks aller Zeiten verbuchte. In Charlotte unterlief ihm ein ähnlicher Fauxpas, als er 2006 Adam Morrison mit dem dritten Pick verpflichtete.
Dieser Morrison konnte die Erwartungen an ihn nie auch nur ansatzweise erfüllen - und ist inzwischen gar nicht mehr in der NBA angestellt. Auch die Entscheidung, in diesem Sommer Tyson Chandler für Erick Dampier abgzugeben, wird Jordan nur negativ ausgelegt.
Zumal neben dem inzwischen entlassenen Dampier auch Eduardo Najera und Matt Carroll nach Charlotte kamen, zwei Spieler, die zwar kaum auf dem Parkett stehen, dafür aber zusammen satte 7,3 Millionen Dollar Gehalt fressen. Najeras Vertrag läuft noch ein weiteres Jahr, Carrolls sogar zwei. Chandlers Kontrakt hingegen endet nach dieser Spielzeit.
"Einer meiner besten Deals überhaupt"
Klar, dass vor diesem Hintergrund der Wallace-Trade wie eine Katastrophe aussieht. Aber Jordan erklärte umgehend: "Das ist einer meiner besten Deals überhaupt. Ich bin sehr zufrieden mit unserer Situation." Gemeint ist vor allem, dass die Bobcats jetzt, wo der unverhältnismäßig teure Wallace weg ist, wieder mehr Flexibilität bekommen.
Die aktuelle Payroll liegt zwar bei 65 Millionen Dollar und damit deutlich über dem Salary Cap (58 Mio.), aber in den kommenden zwei Jahren könnten die Gehälter um mehr als die Hälfte sinken.
Man hätte dann immer noch einen ordentlichen Spieler-Nukleus aus den Point Guards D.J. Augustin und Shaun Livingston, Routinier Stephen Jackson sowie den Rollenspielern Gerald Henderson, Tyrus Thomas und Neuzugang D.J. White als Grundlage und in der Zwischenzeit, bei optimalem Verlauf, erstklassige Youngster per Draft geholt. So sieht ein Rebuild aus.
Jordan: Platz acht ist nicht genug
"Mit dem letzten Playoff-Platz bin ich auf Dauer nicht zufrieden", stellte Jordan unmissverständlich klar. Ein Mann mit seinen Erfolgen als Spieler will natürlich auch jetzt um die Meisterschaft mitspielen. Mit der bisherigen Ausrichtung war das aber undenkbar.
Jordan scheint sich endlich, nach Jahren des Schlingerns zwischen Neuaufbau und Kampf um die Playoffs, auf einen Kurs festgelegt zu haben. Der Zeitpunkt, die Uhren auf Null zu stellen, ist gut gewählt: Derzeit weiß niemand, wie lange sich die Verhandlungen um einen neuen Tarifvertrag hinziehen werden und was am Ende dabei herauskommt.
Andere Teams könnten gezwungen sein, Spieler zu verkaufen. Die Bobcats hätten dann Chancen auf ein günstiges Geschäft. Für ein Team mit einem relativ kleinen Markt bleibt aber das Scouting und der Draft die mit Abstand beste Möglichkeit, gute Spieler zu bekommen.
Für Free Agents ist Charlotte nicht übermäßig interessant - trotz der Lichtgestalt Michael Jordan. Zumal ausgerechnet ihm als Geschäftsmann ein zweifelhafter Ruf vorauseilt. Sollten sich seine Bobcats aber erholen und aus den kommenden Jahren als Sieger hervorgehen, würde man konstatieren müssen, dass Jordan mit einiger Verzögerung doch noch seine Reifeprüfung abgelegt hat.