Die Boston Red Sox haben nach anfänglichen Problemen und trotz ein paar Unwägbarkeiten mittlerweile ihre Topform erreicht und ihren Spitzenplatz in der American League East gefestigt. In zwei Serien und sechs Spielen gegen die New York Yankees an den vergangenen zwei Wochenenden wurden insgesamt vier Spiele gewonnen, der Vorsprung damit auf beachtliche 4 ½ Spiele (Stand Montag) ausgeweitet.
Die Red Sox steuern damit erneut auf einen Divisionstitel zu und werden damit aller Voraussicht nach ihrer Favoritenrolle gerecht. Und das, obwohl sich im Vergleich zum Vorjahr der sportliche Fokus der Mannschaft merklich verschoben hat.
Die treibende Kraft im Vorjahr war nachweislich die Offense, was auch Fangraphs unterstreicht. In der allumfassenden Statistik WAR - Wins above Replacement - lagen die Sox 2016 mit einem Wert von 33,9 auf Rang zwei der MLB - dieses Jahr sind es 14,5 und Platz 16.
Dafür aber steigerte sich das Pitching merklich. 2016 hatte man am Saisonende als Team einen Wert von 18,7, was Platz acht der MLB bedeutete - 2017 sind es Ende August bereits 20,1 und Platz drei in den Big Leagues. Pitching gewinnt bekanntlich Championships und an diesem Prinzip orientiert sich auch Boston.
Boston Red Sox: Notgedrungene Kurskorrektur
Ganz intentional war dieser Shift aber nicht. Sicher, die Verpflichtung von Über-Pitcher Chris Sale, der die American League in allen relevanten Zahlen anführt und sehr sicher den Cy Young und die Triple Crown gewinnen wird, steigerte die Qualität im Pitching. Aber quasi als Ausgleich dämpft der lange Ausfall von David Price dort ein noch besseres Ergebnis.
Gravierend hingegen ist der Leistungsabfall der Offensive, der sich aber auch leicht erklären lässt: David Ortiz ist zurückgetreten. "Big Papi" lieferte in seiner finalen Saison 38 Homeruns, 127 RBI, 79 Runs und eine OPS von 1.021 - gut genug für 4.44 WAR. Sein Abgang löste eine Kettenreaktion aus, der die Red Sox erst Herr werden mussten.
In diesem Jahr sieht die Offense anders aus und konzentriert sich eher auf Speed und legt Wert darauf, den Ball ins Spiel zu bringen. Dabei ist man allerdings sehr selektiv! Kein Team schwingt weniger auf Pitches als die Red Sox - sie schwingen nur auf 43,9 Prozent der Pitches, die sie sehen, was der niedrigste Wert der AL ist. Selbst auf Pitches, die durch die Strikezone gehen - also Strikes sind - liegt die Quote bei ligaweit niedrigsten 62,3 Prozent.
Fast schon folgerichtig treffen sie dann aber auch die Bälle, wenn sie schwingen! Sie stellen Kontakt zu 80,1 Prozent der Pitches her, auf die sie schwingen - Platz vier in der MLB. Mehr noch: Sowohl bei Schwüngen auf Pitches außerhalb als auch innerhalb der Strikezone belegen sie jeweils Platz zwei der Liga, wenn es darum geht, Kontakt herzustellen. Zudem schwingen sie nur in 8,7 Prozent der Fälle an Pitches vorbei - nur die Houston Astros sind hier noch besser mit 8,5 Prozent.
Boston Red Sox erzielen viertmeiste Runs der American League
Das tatsächliche Ergebnis dieser Herangehensweise sind die aktuell viertmeisten Runs sowie die drittmeisten Hits der American League. Die Team-OPS belegt nur den achten Rang, ist jedoch damit zu erklären, dass die Sox in der Post-Papi-Ära nicht mehr mit sonderlich viel Power gesegnet sind und auch nur 130 Homeruns auf dem Konto haben - der mit Abstand schlechteste Wert der AL!
Unterm Strich mag die Offense damit nur mittelprächtig daherkommen, was die Zahlen betrifft. Laut Fangraphs belegt man in Sachen wRC+ - eine Statistik, um das Kreieren von Runs auf allen Ebenen und ohne Beschränkung auf einen bestimmten Ballpark zu bemessen - nur den elften Rang der AL. Doch das starke Pitching reist es eben heraus, auch ohne Price, dessen Unterarm weiter Probleme bereitet.
Stand jetzt käme es im Oktober zu einem erneuten Aufeinandertreffen mit den Cleveland Indians in der American League Division Series. Aktuell sähe es aber nach veränderten Vorzeichen aus, denn im Gegensatz zum letzten Jahr hätte Boston Heimvorteil.
Ein weiterer Unterschied ist, dass das eigene Pitching nun besser scheint als das der Indians, die womöglich auf ihren Super-Reliever Andrew Miller verzichten müssen. Dafür hätten die Indians dieses Mal aber wohl eine bessere Offense auf dem Papier als die Red Sox - im Pitching liegen sie statistisch weiterhin knapp vor Boston.
Boston Red Sox könnten in den Playoffs mehrfach auf Chris Sale setzen
Boston jedoch könnte in einer Fünf-Spiele-Serie womöglich zweimal Sale ins Rennen schicken, was in jedem Fall kein Nachteil wäre, auch wenn es am Ende doch nicht zum Heimvorteil kommen sollte. Zudem scheint sich im Bullpen eine Hierarchie hinter Kimbrel, der nach eigener Auskunft nicht mehr als ein Inning pitchen will, herauszukristalliesieren.
Der von den New York Mets geholte Rechtshänder Addison Reed dürfte fürs achte Inning - vielleicht sogar früher vorgesehen sein. Der Mann bringt Closer-Erfahrung mit und kommt mit kritischen Situationen klar. Die große ist nur, wer denn vor ihm ran dürfte, sollte der Starter keine sieben Innings hinbekommen. Bis zum Start der Postseason hat Manager John Farrell aber noch Zeit, um eine Antwort darauf zu finden.
Abgesehen von Sale setzen die Sox nun voll und ganz auf die jungen Wilden. Mookie Betts, Xander Bogaerts und - mit Abstrichen - Jackie Bradley Jr. sorgten bereits im Vorjahr für Furore, in dieser Spielzeit stießen noch Outfielder Andrew Benintendi sowie Third-Base-Sensation Rafael Devers dazu. Letzterer hat als erster 20-Jähriger seit Babe Ruth 1916 in drei Spielen in Serie gegen die Yankees Homeruns geschlagen. Viel heißer kann man eine Karriere in den Big Leagues nicht starten.
Bemerkenswert ist ebenso die Unberechenbarkeit dieses Lineups. Haben andere Teams klare Topspieler, auf die sich der Fokus richtet, kann bei den Sox eigentlich kein einzelner Spieler - außer Sale - wirklich hervorgehoben werden. Offensiv hebt sich einzig Betts etwas ab. Er hat 4,4 WAR aufzuweisen, der nächstbeste, Benintendi, gerade mal 2,2.
Boston Red Sox: Lineup ohne Stars muss kein Nachteil sein
Negativ ausgelegt könnte man argumentieren, dass die Sox nicht eben von Konstanz gesegnet sind, wenn es darum geht, den Schläger zu schwingen. Da aber so viele brauchbare Akteure mitmischen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass immer jemand anders zum Mann des Tages avanciert und dies durchaus als "Slump-Buster" herhalten kann.
Unter dem Strich sieht die Herangehensweise anders aus als im Vorjahr, doch Erfolg scheint auch in dieser Saison vorprogrammiert für die Red Sox.
Die Playoffs sind für die Sox also nur der Anfang. Und selbst dafür sollten sie mit ihrem Pitching gerüstet sein. Was darüber hinaus möglich ist, entscheidet wie so oft im Baseball die Tagesform, doch da sie anders als andere Teams nicht auf einzelne Big-Hitter angewiesen sind, scheint auch ein schlechterer Tag nicht den Untergang bedeuten zu müssen.
Und so kommen dann auch erinnern an vergangene Tage auf - nicht nur an 2016, sondern auch an 2013, als Boston unter Farrell und mit einigen No-Names die World Series gewann. Wiederholt sich Geschichte vier Jahre später?
Dieser Artikel wurde ohne vorherige Ansicht durch die Major League Baseball veröffentlicht.