Baseball stirbt aus, sagt man. Baseball verliert die Gunst vor allem der jungen Zuschauer, sagt man. Baseball ist auf dem absteigenden Ast, so zumindest die vorherrschende Meinung der breiten Öffentlichkeit.
Die aktuelle Entwicklung der Major League Baseball lässt hingegen andere Schlüsse zu. Das Homerun Derby allein hat gezeigt, wie aufregend der Sport und die beste Liga der Welt immer noch sein können. Und das spiegelt sich auch in den TV-Quoten wieder, die gerade in den USA eine entscheidende Rolle spielen.
Das Homerun Derby kam auf fast neun Millionen Zuschauer auf dem amerikanischen Pay-TV-Sender ESPN. Konkret waren es 8,689 Millionen, was eine Steigerung von 55 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutete: Damals hatten gerade mal 5,524 Millionen Zuschauer eingeschaltet.
Doch das Derby erlebte nicht nur eine exorbitante Steigerung im Vergleich zum Vorjahr, es toppte auch namhafte Konkurrenz! Weder der Pro Bowl der NFL noch das NBA All-Star Game kamen 2017 an diese Zuschauerzahlen heran. Und das Homerun Derby ist nicht einmal das Hauptevent der MLB-All-Star-Festivitäten!
MLB All-Star Game übertrumpft NBA und NFL
Das All-Star Game kam einen Tag später auf 9,442 Millionen Zuschauer insgesamt, wenn man die TV-Sender FOX, FOX Deportes (der spanischsprachige Sportableger der Sendergruppe) sowie die Nutzer der FOX Sports Go App zusammenzählt. Damit toppte man an beiden Abenden die All-Star-Events der Konkurrenz.
TV-Quoten sind aber wahrlich nicht der einzige Indikator dafür, dass sich die MLB in einer hervorragenden Position für die Zukunft befindet. Allein schon die aufstrebenden neuen Gesichter, die teilweise schon sportlich die Liga dominieren, helfen dabei, den Sport wieder für die breite Masse interessanter zu machen.
Hilfreich dabei ist natürlich, dass die schillerndsten Figuren fast schon strategisch klug auf die großen TV-Märkte verteilt sind. Aaron Judge ist in Amerikas wichtigstem Markt New York ansässig, Baseballs bester Spieler, Mike Trout, residiert in Los Angeles, was der zweitgrößte TV-Markt ist. Und an Position drei folgt auch schon Giancarlo Stanton in Miami. Bei den Marlins, die in Kürze an neue, motivierte Eigner verkauft werden, was dem Produkt auch nicht abträglich sein dürfte.
Hinzu kommt, dass die Los Angeles Dodgers, das eigentliche Nummer-eins-Team der Stadt Los Angeles in Sachen Baseball, auch wieder etwas richtig Großes aufbauen (30 Siege aus den letzten 34 Spielen!) und mit Cody Bellinger ebenfalls einen aufstrebenden Star in ihrem Team haben. Und in der Hauptstadt ist Bryce Harper mindestens noch bis Ende 2018 unterwegs - danach könnte es dann je nach Angebot nach New York oder vielleicht sogar Chicago gehen, wo dank der Cubs ohnehin enormes Medieninteresse besteht.
World Series Spiel 7 als Quotentriumph
Überhaupt löste die sportliche Wiederauferstehung der Cubs und deren Titel 2016 einen enormen Boom aus. Spiel 7 der World Series sahen knapp 40 Millionen Zuschauer und damit mehr als jedes andere Sportevent in den USA im Jahr 2016 (mit Ausnahme von Super Bowl 50, aber ein solcher läuft grundsätzlich außer Konkurrenz) - inklusive Spiel 7 der NBA-Finals!
Zudem muss darauf hingewiesen werden, dass die MLB erst vor kurzem neue, massive nationale TV-Deals ausgehandelt hat. Für acht Jahre zahlen die drei beteiligten Medienkonzerne FOX, Turner und ESPN 12,4 Milliarden Dollar. Und diese Deals wurden vor dem großen Aufschwung auf dem Platz geschlossen. Wer weiß, wie viel die Sender zum jetzigen Zeitpunkt gezahlt hätten.
Zusätzlich zu den nationalen Deals ist es derzeit ohnehin im Trend, auch lokal Monster-Deals mit den diversen regionalen Sport-Networks abzuschließen. Die Dodgers etwa einigten sich mit dem Mediengroßkonzern Time Warner TV im Jahr 2013 auf eine Kooperation zur Gründung eines eigenen Sport-Kanals, der dem Team über 20 bis 25 Jahre Medienberichten zufolge zwischen sieben und acht Milliarden Dollar einbringen wird. Andere Teams schlossen ähnliche Deals ab, wenn auch nicht ganz in dieser Größenordnung.
Vom Boom profitieren freilich auch die Teams selbst, die über die letzten knapp 25 Jahre nahezu alle neue Stadien errichteten oder ihre bestehenden Spielstätten zumindest teuer renovierten. Einzig die Tampa Bay Rays und Oakland A's sind derzeit noch händeringend auf der Suche nach einer neuen Spielstätte.
Forbes: New York Yankees zweitwertvollstes Sportteam
Das schlägt sich auch im Wert der Franchises im globalen Vergleich nieder. Die New York Yankees sind gemäß der aktuellen Forbes-Liste das zweitwertvollste Sportteam der Welt mit einem Wert von 3,7 Milliarden Dollar. Nur der Preis der Dallas Cowboys aus der NFL wird nochmal 500 Millionen teurer geschätzt.
Zudem finden sich unter den Top 20 vier weitere MLB-Klubs, darunter die Dodgers auf Platz 13 mit 2,75 Milliarden. Selbige gingen erst 2012 für einen Rekordpreis von zwei Milliarden Dollar über die Ladentheke - der neue Besitzer ist das Guggenheim Baseball Management, zu der auch NBA-Legende Magic Johnson gehört.
Die MLB darf also mit Recht auf eine rosige Zukunft, eine neue goldene Ära des Baseballs, hoffen. Befeuert wird dieser Optimismus durch die jungen Stars, die den Sport noch attraktiver machen und damit auch auf dem Feld für Furore sorgen.
MLB: Homerun-Zahlen auf Rekordhoch
Hinzu kommt, dass auch das höchste Gut eines jeden Baseballspiels - zumindest aus Mainstream-Sicht - der Homerun, wieder deutlich häufiger zu bestaunen ist. Die Bälle fliegen wieder, was nicht zum ersten Mal für große Begeisterung unter den Fans sorgt. Das fast tägliche Homerun Derby Ende der 90er zwischen Power-Hittern wie Mark McGwire, Sammy Sosa und später auch Barry Bonds, ließ den schmerzhaften Streik 1994 schnell vergessen.
Im Juni wurde die Rekordzahl von 1101 Homeruns geschlagen und die Quoten des Derbys unterstreichen, dass das Publikum weiterhin den "Long Ball" liebt. Das On-Field Product stimmt also auch.
Doch beim Status Quo will es Commissioner Rob Manfred auch nicht belassen: Weitere Veränderungen sollen kommen, um das Spiel noch attraktiver zu gestalten. Besonders die Zeitspanne zwischen den einzelnen Pitches sollen verringert werden, sodass eine Art "Shot Clock" für Pitches ziemlich sicher kommen wird. Zudem wurde schon in diesem Jahr der Intentional Walk zu einem simplen Handzeichen reduziert. Alles, um das Tempo des Spiels zu erhöhen.
Ein Ansatz, den Billy Beane, der Vice President of Baseball Operations der Oakland A's, im exklusiven SPOX-Interview ausdrücklich begrüßte: "Ein Teil unseres Jobs ist es, zu unterhalten und ein Teil der Unterhaltung ist es, Dinge am Laufen zu halten und sicherzustellen, dass die Zuschauer sich nicht langweilen." In diese Richtung gehen auch Überlegungen, die Saison von bisher 162 Spielen zumindest geringfügig zu reduzieren und damit kompakter zu gestalten.
All das sind deutliche Zeichen dafür, dass Baseball keineswegs vor dem Abgrund steht. Im Gegenteil, der Sport blüht wieder auf. Die Zukunft sieht rosig aus, doch auch die Gegenwart erstrahlt in lange nicht mehr gesehenem Glanz. Dank junger Topspieler, immer weiter fliegender Homeruns und in die hHöhe schießender TV-Geldern. Die Zeit ist reif für Baseballs nächste goldene Ära.