Auf den Hund gekommen!

Von Matti Peters
"AG11" von den Arizona Wildcats weiß, wie man sich gut in Szene setzt
© getty

Aaron Gordon wird bei der anstehenden March Madness zwangsläufig in den Fokus der Zuschauer treten. Auf dem College gehört das Ausnahmetalent bereits zu einem elitären Kreis. Experten sehen in "AG11" die bessere Version von Blake Griffin - sein Trainer vergleicht ihn dagegen mit einem Hund. SPOX klärt auf.

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Wenn man einen Flur entlang läuft und aus der Ferne schon ein leichter Geruch von Popcorn wahrnehmbar ist, dann könnte man sich im Kino befinden. Wenn man dazu noch Vibrationen stampfender Zuschauer spürt, handelt es sich vermutlich doch eher um ein Sport-Event. Und wenn dann auch noch eine ohrenbetäubende Kapelle im Dialog mit euphorischem Beifall in den Ohren klingt, dann steht wohl ein Basketballspiel in einer amerikanischen High School auf dem Abendprogramm.

Im sonnigen Kalifornien gab es Anfang 2012 so einen Abend. Die Varsity Boys der Archbishop Mitty HS hatten vor heimischem Publikum große Mühe mit dem Gegner. Mit noch 4:37 im dritten Viertel auf der Uhr kam für die Monarchs der Matchwinner auf das Parkett: Mit 18 Punkten führt der 16-jährige Aaron Gordon seine Mannschaft zu einem 52:45-Sieg in Overtime.

Eigentlich nichts Besonderes. Doch seine Leistung ist wesentlich höher einzuordnen, wenn man bedenkt, dass der Ausnahmespieler aus San Jose eigentlich im Bett liegen und vor Schmerzen halluzinieren könnte. Gordon war jüngst mitgeteilt worden, dass bei ihm Mononukleose, das sogenannte Pfeiffersche Drüsenfieber, diagnostiziert wurde. Eine schwere Viruserkrankung mit zahlreichen Nebenwirkungen.

Der Willis Reed der Neuzeit

Das haut normalerweise den stärksten Athleten um und fesselt ihn unter Umständen mehrere Monate ans Bett. Selbst nachdem man die schlimmste Phase überstanden hat, schränken die Nachwirkungen manchen Normalsterblichen auch im Alltag noch eine Weile ein. Nicht jedoch Gordon. Er trotzt dem sogenannten "Pfeiffer" und bringt sein Team im Stil von New-York-Knicks-Legende Willis Reed zurück auf die Siegerstraße.

Zur Erinnerung: Reed inspirierte seine Knickerbockers im entscheidenden Game 7 der NBA Finals 1970, als er trotz einer schweren Oberschenkelverletzung das Parkett betrat und zwei wichtige Freiwürfe verwandelte - wenig später stemmten die Knicks die Trophäe.

Gordon legt zwei Monate später beim Sieg im State Final 33 Punkte, 20 Rebounds und fünf Blocks auf und wird anschließend zum High School Player of the Year gewählt. "Ich hasse es, nicht in der Halle zu sein. Ich würde dort sogar schlafen, wenn ich könnte", begründet der Forward später seinen Übereifer.

Ein Jahr und eine MVP-Performance beim McDonalds All-American Game später holte sich Gordon mit der U-19-Nationalmannschaft der USA die WM-Krone und wird als wertvollster Spieler des Turniers ausgezeichnet. Wenige Wochen darauf beginnt für den 18-Jährigen das College-Abenteuer. Er entscheidet sich für die University von Arizona. Eine Entscheidung, von der Coach Sean Miller und die Wildcats profitieren sollten.

Explosiver Absprung, herausragende Defense

Denn Gordon ist nicht irgendein College-Spieler, sondern ein potenzieller Superstar. Besonders herausragend sind seine Athletik, seine Defense und seine Vielseitigkeit. "AG11" braucht nicht viel Raum und Zeit, um mit seinem explosiven Absprung zum Dunk hochzusteigen. Gordons Fähigkeiten oberhalb des Rings suchen im College-Basketball ihresgleichen.

Dabei kommen ihm speziell seine großen Hände zugute. Durch seine Explosivität eignet sich der Swingman, der sowohl auf der Drei als auch auf der Vier einsetzbar ist, perfekt für das Pick'n'Roll der Wildcats. Sein größtes Talent besitzt er jedoch nicht in der Offense, sondern in der Defense. Er kann durch seine exzellente Fußarbeit jede Position verteidigen.

Mit Gordon als Verteidiger liegt die Wurfquote seiner Gegenspieler bei miserablen 34 Prozent. Dies musste auch Dukes hochgehandelter Lottery Pick Jabari Parker feststellen, der im direkten Duell mit ihm nur sieben seiner 21 Versuche traf und jeden seiner fünf Dreier vergab. In der Zone lässt Gordon nur 40 Prozent zu - da gilt definitiv das Motto: "hard in the paint".

Seine Quote von nur 2,3 Fouls pro Spiel im ersten halben Jahr am College unterstreichen ebenfalls sein enormes Talent: "Lassen Sie es mich so formulieren. Der Typ, der einen Perimeter-Shooter verteidigt und der Typ, der 20 Rebounds pro Spiel holt, ist normalerweise nicht derselbe", zeigte sich Miller begeistert.

"Immer nur Ball, Ball, Ball"

Der Kalifornier beweist zudem ein gutes Auge, hat einen hohen Basketball-IQ und verfügt für einen Mann von über zwei Metern Körpergröße über ein exzellentes Ballhandling, wodurch ein "Coast-to-Coast" keine Seltenheit ist: "Ich wollte immer ein Point Guard sein. Das will ich immer noch von ganzem Herzen", sagte er einst.

Dass er nicht der nächste Magic Johnson wird, hat Gordon mittlerweile aber realisiert. Dafür dient er als Energizer für die Mannschaft und ist ein starker Offensiv-Rebounder (3,7 pro Spiel). Auch für Hustle Plays jeder Art ist er sich nicht zu schade und hat somit unschätzbaren Wert für Arizona. Miller zieht einen bemerkenswerten Vergleich: "Kennen Sie diese Hunde, die Wasser und Futter vergessen? Und es heißt immer nur Ball, Ball, Ball? Das ist Aaron."

Bei all dem Positiven gibt es allerdings auch Bereiche, in denen sich der Youngstar deutlich steigern muss. Besonders im Scoring ist noch Luft nach oben. Mit 12,1 Punkten bei durchschnittlichen 30,9 Minuten pro Spiel liegt er im letzten Drittel der besten 100 Prospects für den kommenden NBA-Draft. Die Trefferqupte ist mit 48,1 Prozent ebenfalls ausbaufähig, gerade von der Linie (43,5 Prozent). Auch sein Re­per­toire an Post-Moves besitzt noch Steigerungspotenzial.

Trotzdem war Arizona Ende Januar nach 21 Spielen immer noch ungeschlagen. Große Mannschaften wie UCLA und Duke bissen sich die Zähne an ihnen aus. Und einen großen Anteil daran hatte natürlich auch der Freshman Aaron Gordon. Kein Wunder, dass er nach dem Junioren-WM-Titel vom Verband zum Basketballer des Jahres 2013 gewählt wurde - und damit in elitäre Kreise aufstieg.

Blake Griffin 2.0

Gemeinsam mit Michael Jordan, Tim Duncan, LeBron James oder Kevin Durant wird nun auch sein Name genannt werden: "Es gibt einige Typen auf dieser Liste, zu denen ich aufblicke. Mit ihnen in Verbindung gebracht zu werden, ist eine große Ehre. LeBron James, mit ihm in einer Kategorie zu sein, das ist fast surreal", sagte Gordon stolz nach der Ehrung.

In seiner Art und Spielweise erinnert er allerdings an einen weiteren NBA-Star. Einen ebenfalls noch jungen und herausragenden Athleten, der sich als wandelnde Highlight-Maschine mittlerweile einen Namen gemacht hat: Blake Griffin.

Besonders seine athletischen Fähigkeiten kommen dem Number-One-Pick von 2009 nahe. Experten bezeichnen "AG11" bereits als "The next Blake Griffin". Mit seinen Möglichkeiten in der Defense traut man Gordon sogar eine Form der Erweiterung zu. Blake Griffin 2.0 sozusagen.

Der Youtube-Hype

Auch auf "YouTube" macht Gordon dem Forward der Los Angeles Clippers gehörige Konkurrenz: Unzählige Videos mit spektakulären Dunks brechen dort diverse Klick-Rekorde. Ein entsprechender Werdegang wie bei Griffin ist also durchaus möglich.

Den ersten Schritt in diese Richtung kann der Urenkel eines 2,15 Meter großen Osage-Indianers bereits in dieser Woche machen. Wenn Millionen von Zuschauern ihre Blicke auf das jährliche Highlight im College-Basketball richten: Die March Madness steht an.

Denn dann steht die Nation erst einmal still. Selbst US-Präsident Barack Obama füllt jedes Jahr sein Bracket aus. Er nimmt damit Teil an etwas, was man in College-Kreisen schon fast als Religion ansieht.

Im Kreis der Favoriten

Bereits vor der Saison stand der Name "Wildcats" ganz oben auf den Zetteln der Experten. Allerdings trugen diese Wildcats blaue Jerseys und nicht rote wie Arizona: Julius Randle und Co. aus Kentucky galten als legitime Erben der "Fab Five" und waren heiße Favoriten auf die Krone.

Waren, wohlgemerkt. Die "Associated Press" hat kürzlich die Top 25 der potenziellen Sieger der "Verrückten im März" veröffentlicht. Dort sind nun aber neben Florida, Wichita State und Villanova die Wildcats aus Arizona ganz vorne mit dabei. Mit einer Bilanz von 30-4 hat das Team aus der Wüste seine Außenseiterrolle abgelegt und das Hemd eines Titelanwärters fest zugeknöpft.

Dass Gordon sich bereits nach der Saison für den Sprung in die NBA zutraut, ist allgemein bekannt. Er ist, glaubt man diversen Mock Drafts, auch definitiv ein Kandidat für die Top Ten, zumindest für einen Lottery Pick. Daran wird er während der Madness aber wohl kaum einen Gedanken verschwenden.

Welches Team am Ende im AT&T Center in Texas auf der Leiter stehen und traditionell das letzte Netz vom Korb trennen wird, ist schwer vorauszusagen. Es könnte eine der größten Herausforderungen im jungen Leben von Aaron Gordon werden. Wer allerdings dem "Pfeiffer" so die Stirn bietet, dem ist alles zuzutrauen.

Alle Statistik-Leader der NBA Saison 2013/2014

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