SPOX: Dirk Nowitzki feiert diese Saison zehnjähriges NBA-Jubiläum. Was schießt Ihnen durch den Kopf?
Silke Nowitzki: Dass es unglaublich ist, wie schnell die Zeit vergangen ist. Zehn Jahre - so lang kommt es einem nicht vor, dass er sich auf seine Reise begeben hat. Eine Reise, die perfekt wäre, wenn es 2006 mit der Meisterschaft geklappt hätte. Aber so fehlt noch das i-Tüpfelchen. Wir als Familie sind natürlich dennoch super stolz auf ihn - auch wenn wir es manchmal nicht richtig glauben können, wie sich das alles entwickelt hat.
SPOX: Zehn Jahre NBA bedeuten zehn Jahre Nowitzki-Frisuren.
Nowitzki: Oh ja! Es war immer wieder überraschend, wie er aufgelaufen ist. Da waren ja schon die abenteuerlichsten Haarschnitte dabei. In den letzten Jahren ist er aber Gott sei Dank konservativer geworden, von den einrasierten Olympia-Ringen mal abgesehen.
SPOX: Gab es No-gos?
Nowitzki: Auf jeden Fall. Da war mal dieses Hörnchen. Dirk hatte sich die Haare von einem Freund aus Würzburg kurz rasieren lassen, aber so ein Haar-Hörnchen über der Stirn blieb übrig. Das sah unglaublich mies aus.
SPOX: Mit seinem musikalischen Talent soll es auch nicht zum allerbesten stehen.
Nowitzki: Es ist auf jeden Fall ausbaufähig (lacht). Musik spielt bei ihm als Ausgleich vom Leistungssport eine sehr wichtige Rolle und nach der NBA-Karriere wird sie wohl einen großen Stellenwert in seinem Leben einnehmen. Aber als Basketball-Profi reicht die Freizeit nicht, um mit der Gitarre, dem Saxophon oder am Klavier zu üben.
SPOX: Haben Sie mit Ihrem Bruder darüber gesprochen, was er nach der Karriere sonst vorhat?
Nowitzki: Privat hat er das große Ziel, Kinder zu bekommen, zu heiraten, eine Familie zu gründen. Er kann sich das schon in naher Zukunft vorstellen. Gerade fehlt im aber ein bisschen die Zeit.
SPOX: Stimmt es, dass bei Ihnen der Beschützerinstinkt aktiviert wird, wenn es um Ihren Bruder geht?
Nowitzki: Ich habe auf jeden Fall das Große-Schwestern-Syndrom. Es ist schon von klein auf so gewesen. Ich habe mich um ihn gekümmert und daran wird sich wohl nie etwas ändern, egal wie oft er beim All-Star-Game war oder ob er Multimillionär ist. Man sorgt sich immer und ist vorsichtig.
SPOX: Sind Sie 2000 nach New York gezogen und haben bei der NBA gearbeitet, um besser auf Dirk aufpassen zu können?
Nowitzki: Indirekt. Früher oder später war es angedacht, dass ich Dirk auch organisatorisch helfen kann. Aber dass ich am Ende fünf Jahre in New York gelebt habe, war eher zufällig. Ich wollte nur ein dreimonatiges Praktikum bei der NBA absolvieren und wurde dann übernommen.
SPOX: Seit Ihrer Rückkehr teilen Sie sich mit Nowitzkis Mentor Holger Geschwindner das Management Ihres Bruders. Wie ist die Aufgabenteilung?
Nowitzki: Es hat sich so entwickelt, dass ich mich mehr um die Pressearbeit und die Stiftung kümmere, Holger eher um die Verträge und das Marketing. Wir sind aber so ein kleiner Kreis, da stecken wir unsere Bereiche nicht richtig ab.
SPOX: Mit 16 lernte Dirk Nowitzki Geschwindner kennen. War Geschwindner schon immer etwas eigenbrötlerisch?
Nowitzki: Holger ist ein absolutes Unikat. Er ist kein einfacher Typ, aber er hat immer nur das Beste für Dirk im Kopf.
SPOX: Es ist ungewöhnlich, dass ein NBA-Star keinen richtigen Spieleragenten hat. Warum?
Nowitzki: Holger kümmert sich seit fast 15 Jahren um Dirk, daher haben wir das auch so belassen. Dirk weiß bei uns, dass wir nur die richtigen Motive verfolgen und voll hinter ihm stehen. Zumal der Arbeitsaufwand überschaubar ist. Anders als einige NBA-Kollegen plant er ja keine Marke "Nowitzki". Er will einfach eine Meisterschaft gewinnen und privat sein Glück finden.
SPOX: Zu seinem privaten Glück gehörte als Jugendlicher definitiv nicht die Schule.
Nowitzki: Die Schule war nie seine große Liebe. Dirk hat sich mehr dem Sport gewidmet und unsere Eltern mussten schauen, dass die Hausaufgaben nicht zu kurz kommen. Anders als auf dem Sportplatz hat Dirk in der Schule immer nur das Nötigste gemacht. Aber am Ende hat er mit Hilfe von uns allen sein Abi geschafft. Ich weiß noch, wie einer seiner Jugendtrainer mit ihm auf dem Rückweg von einem Auswärtsspiel Chemie gebüffelt hat.
SPOX: Als Dirk Nowitzki 13 Jahre alt war, soll sein erster erster Basketball-Trainer Pit Stahl vorausgesagt haben: "Er wird besser als Toni Kukoc."
Nowitzki: Daran kann ich mich gut erinnern. Damals konnte das keiner glauben. Ich dachte nur: Ja ja, lass ihn mal reden. Dass Dirk ein Guter werden kann, war klar, aber dass er solche Dimensionen erreichen würde, hat keiner geahnt.
SPOX: 1998 wurde Dirk Nowitzki gedraftet. Um ihn vom Wechsel nach Dallas zu überzeugen, kamen eigens Trainer Don Nelson, sein Sohn und General Manager Donnie Nelson sowie Besitzer Ross Perot jr. nach Würzburg. War es so surreal, wie es klingt?
Nowitzki: Am besten erinnere ich mich an eine Autofahrt. Dirk sollte die beiden Nelsons nach Bamberg fahren. Sein damaliges Auto war aber ein ganz alter, kleiner, weißer Golf mit einem Kolbenfresser, der einen Riesenlärm verursacht hat. Auf jeden Fall pferchten sich die drei in den Golf und tuckerten nach Bamberg. Dirk hat lange darüber gesprochen, wie peinlich es ihm war.
SPOX: Einige Monate darauf zog Dirk Nowitzki nach Dallas und wurde NBA-Profi. Wie schwer fiel ihm die Entscheidung?
Nowitzki: Sehr. Vorher haben wir nur darüber gelacht. Es hatte alles so unrealistisch gewirkt, und dann kommt auf einmal der Tag, an dem Dirk die Koffer packt. Es war ein schwieriger Schritt für ihn. Der erste Auszug und das gleich in ein neues Land. Zu seinem Glück hat Don Nelson von Anfang an auf ihn gebaut. Weil Dallas damals keine gute Mannschaft war, konnte er sich langsam einfinden, ohne den ganz großen Druck zu spüren.
SPOX: Hilfreich war auch, dass die Mavs im gleichen Jahr Steve Nash verpflichtet haben.
Nowitzki: Das hat gleich perfekt gepasst und es hat sich eine tolle Freundschaft entwickelt. Für mich war es ein beruhigendes Gefühl zu wissen, dass Dirk jemanden hatte, mit dem er sich austauschen konnte. So ist er auch nicht an die falschen Freunde geraten.
SPOX: 2000 kaufte Mark Cuban die Mavericks auf. Dirk Nowitzki und er haben eine besondere Beziehung, obwohl sie optisch wie charakterlich so unterschiedlich sind.
Nowitzki: Das liegt daran, dass Mark ein Basketball-Fan ist und Dirk für sein Talent und seine Arbeitseinstellung bewundert. Andererseits weiß Dirk zu schätzen, wie sehr Mark der Klub am Herzen liegt und mit welchem Engagement Mark dabei ist.
SPOX: Eine Zäsur bedeutete das Jahr 2005. Holger Geschwindner kam wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung für fast fünf Wochen in U-Haft.
Nowitzki: Das war ein Schock aus heiterem Himmel. Die Beamten haben unter anderem bei mir, meinen Eltern und bei Holger zur gleichen Zeit die Wohnungen durchsucht. Ich werde es nie vergessen, wie die Beamten auf einmal dastanden. Dirk war damals bei mir und wir mussten machtlos miterleben, wie die Regale durchwühlt wurden und unsere Privatsphäre verletzt wurde. Es war ein sehr, sehr unangenehmes Gefühl.
SPOX: Wenige Wochen darauf stand die EM in Serbien an. Wahrscheinlich Dirk Nowitzkis bestes Turnier. Wie war er zu solch einer Leistung fähig?
Nowitzki: Ich kann mir das nur so erklären, dass Dirk es schon immer geschafft hat, sich auf den Punkt zu konzentrieren. Er hat die besondere Gabe, störende Elemente auszublenden und den Tunnelblick aufzusetzen.
SPOX: 2006 und 2007 wollte das mit dem Verdrängen aber lange nicht klappen. Die Final-Niederlage gegen Miami, das Erstrunden-Aus gegen Golden State...
Nowitzki: Ich finde aber dennoch, dass bei ihm die Highlights überwogen haben. Natürlich gab es die Dämpfer, dafür blieb er aber auch von schweren Verletzungen verschont und er hat etliche Auszeichnungen gesammelt. Dirk selbst sieht es aber etwas anders. Für ihn ist jedes Jahr ohne Titel eine Enttäuschung.
SPOX: Nach dem K.o. gegen Golden State reiste er nach Las Vegas, um als Trauzeuge bei Ihrer Hochzeit im Hofbräuhaus dabei zu sein. Seine Garderobe soll aus einem grauen Anzug und einem pinken Hemd bestanden haben.
Nowitzki: An das pinke Shirt erinnere ich mich noch. In dem Aufzug hat er sich zu vorgerückter Stunde mit Steve Nash die Gitarre gepackt und mit der Hofbräuhaus-Band ein Ständchen geschmettert. Aber das mit den pinken Shirts ist Geschichte. Mittlerweile gibt es ja einen NBA-Dresscode und Dirk hat die Garderobe umgestellt. Am Anfang dachten wir noch: Oh Gott, wie soll das gut gehen? Aber es ging ja gut. So wie vieles in seiner Karriere.