Der Schnörkellose

Von Manuel Behlert
Lucas Silva (r.) ist an Olympique Marseille ausgeliehen
© getty

Wie so vielen Leihgaben von großen Klubs wird auch Lucas Silva enormes Potenzial bescheinigt. In Marseille soll der Brasilianer den nächsten Schritt in seiner Karriere machen. Es gab einige Rückschläge - die Perspektive ist dennoch hervorragend.

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Am 18. Februar 2015 dürften viele deutsche Fußballfans das erste Mal von Lucas Silva gehört haben. Mit Real Madrid trat der Brasilianer auf Schalke an und spielte die gesamten 90 Minuten durch. Die Madrilenen gewannen mit 2:0 und Silva ließ sich bei seinem ersten Auftritt auf der internationalen Bühne keine Nervosität anmerken, im Gegenteil: Silva spulte sein Pensum in aller Ruhe ab, kam auf 73 Ballaktionen und eine absolut zufriedenstellende Passquote von 86 Prozent.

Silva zahlte das Vertrauen seines Trainers Carlo Ancelotti zurück und setzt genau das um, was Real von ihm erwartete: Ruhigen Spielaufbau und ermüdliche Arbeit im Spiel gegen den Ball. Er agierte zwar eher unauffällig, aber mehr als ordentlich.

Titelträger in Brasilien

Dieser 18. Februar stellte wohl den vorläufigen Höhepunkt in der steil nach oben verlaufenden Karriere des defensiven Mittelfeldspielers dar. Bereits mit 14 war Silva zu seinem ersten großen Verein gewechselt und durchlief bei Cruzeiro Belo Horizonte zahlreiche Jugendmannschaften. 2013 erspielte er sich erstmals eine elemantere Rolle in der Liga und wurde mit Cruzeiro gleich brasilianischer Meister. Als er diesen Titel im Jahr darauf als Stammspieler verteidigte, war das Interesse eurpäischer Topklubs natürlich allgegenwärtig.

Den Zuschlag bekam schließlich Ende Real Madrid, das sich die Dienste des Sechsers für 13 Millionen Euro sicherte und diesen bis 2020 an sich band. Nach seinem ersten Auftritt in der Liga gegen Deportivo La Coruna folgte auch gleich sein Einsatz gegen Schalke 04.

"Nicht auffällig, aber äußerst nützlich"

Jorge Valdano war nach diesem "mehr als überdurchschnittlichen" Auftritt bereits sehr angetan vom 22-Jährigen: "Es scheint, als habe Ancelotti ihm viele Anweisungen mit auf den Weg gegeben. Er sollte der Defensive Stabilität geben und keine Fehler machen. Das gelang ihm. Die Rolle, die er einnahm, war nicht auffällig, aber nützlich für die Mannschaft." Auch Silvas Landsmann Marcelo stimmte in die Lobeshymnen ein und sagte: "Lucas hat eine verheißungsvolle Zukunft vor sich. Heute bewies er, dass er in diesem Team spielen kann."

Insgesamt spielte der talentierte 22-Jährige neunmal für Real Madrid, zeigte immer wieder, dass man auf ihn bauen und er konstant solide Leistungen abrufen kann. Durch die Rückkehr des zuvor verletzten Luka Modric gingen die Spielanteile Silvas jedoch deutlich zurück, nur beim 2:0-Erfolg gegen Levante spielte er nochmal über die kompletten 90 Minuten - mal wieder sehr ordentlich.

Das halbe Jahr in Madrid tat dem Brasilianer dennoch merklich gut. Er konnte sich an Europa und den Spielstil in einer europäischen Topliga gewöhnen. Eine entscheidende Rolle im Team der Königlichen wurde ihm dennoch noch nicht zugetraut. Seine Leihe nach Marseille wurde im Sommer beschlossen, als der neue Trainer Benitez im Amt war.

Nächster Schritt in der Ligue 1

Der Start in der Ligue 1 verlief jedoch nicht optimal. Als Lucas Silva Ende August in Marseille ankam, wollte er mit Olympique um die internationalen Plätze mitspielen und in der Europa League weiterhin internationale Erfahrung sammeln, um sich für eine größere Rolle bei Madrid zu empfehlen. Bei seinem ersten Spiel nach seinem Wechsel musste er jedoch von der Tribüne zusehen, wie OM Guingamp mit 0:2 unterlag und sich in der unteren Tabellenhälfte wiederfand.

Am 5. Spieltag durfte Lucas Silva dann sein Debüt für Marseille feiern und sich dabei durchaus über ein Erfolgserlebnis freuen. Beim 4:1-Sieg war er immer anspielbar, lief Lücken zu und überzeugte durch einen sicheren Spielaufbau. Durch die Absicherung des erfahrenen Lassana Diarra konnte er sich sogar häufiger in die Offensive einschalten. Der couragierte Auftritt der Mannschaft sollte die Kehrtwende in der enttäuschenden Saison darstellen.

Kleine Rückschläge

Marseille konnte die gute Leistung aus dem Spiel gegen Bastia aber nicht bestätigen, gegen Lyon und Toulouse gab es jeweils ein 1:1-Unentschieden, Silva wurde dabei kurz vor dem Ende der Partie ausgewechselt. Man merkte zwar, dass er schon gut in der Mannschaft integriert ist, allerdings hatte er Probleme mit dem Setzen von Offensivakzenten. Defensiv spielte er weiterhin unauffällig, aber effektiv.

Anschließend landete Silva gegen Angers auf der Bank und wurde erst zur zweiten Halbzeit eingewechselt. Das Spiel ging, wie auch die nächste Partie in Paris, mit 1:2 verloren. Beim amtierenden frazösischen Meister hielt Marseille aber extrem gut mit und konnte sogar in Führung gehen. In der Europa League spielte Lucas Silva zweimal von Beginn an, beim 3:0-Erfolg gegen Groningen konnte er überzeugen, bei der 0:1-Niederlage gegen Slovan Liberec setzte er jedoch eher wenige Akzente.

Eine hervorragende Perspektive

Grundsätzlich kann man festhalten, dass sich Lucas Silva in seinen gut neun Monaten, die er in Europa ist, sehr gut eingelebt hat und die Akklimatisierung reibungslos verlief. Seine fußballerischen Qualitäten sind gut und bieten ihm eine gute Perspektive. Mittelfeldspieler seiner Art werden überall gebraucht und gerade im heutigen Zeitalter, in dem die Sechser-Position im Weltfußball als Königsposition zu betrachten ist, sind Spieler, die über umfassende Fähigkeiten verfügen gern gesehen.

Silva kann gegnerische Angriffe abfangen, ein Spiel aufbauen, sich in die Offensive einschalten, ist läuferisch stark und taktisch gut ausgebildet. Ein Rundumpaket voller nützlicher Fähigkeiten, deren Ende noch nicht erreicht ist. Für seine Entwicklung ist es wichtig Spielpraxis zu bekommen um die guten Leistungen auch konstant abrufen zu können.

Real Madrid kann sich nach dem Ende der Leihe, die durchaus auch noch einmal um ein Jahr verlängert werden könnte, auf einen soliden Spieler freuen, der taktische Vorgaben hervorragend umsetzen und sich vollkommen in den Dienst der Mannschaft stellen kann. Zusammen mit Casemiro wird er vermutlich um einen Platz bei den Königlichen kämpfen, wobei Silva den Vorteil hat, dass er regelmäßig über annähernd 90 Minuten eingesetzt wird und nicht nur im Falle der Rotation in die Mannschaft rutscht.

Eine Zukunft bei Real Madrid ist also durchaus im Bereich des Möglichen. Vielleicht kommt Silva also auch im nächsten Jahr in der Champions League zum Einsatz. Dann dürften den Sechser aber mehr als nur Experten kennen.

Lucas Silva im Steckbrief