Die Problemzonen:
Die Chancenverwertung
Ein Latten- und ein Pfostenschuss von Daniel Didavi und Christian Gentner leiteten den munteren Sturmlauf des VfB ein. Insgesamt gab man satte 28 Torschüsse ab, nur einer fand sein Ziel - durch einen Elfmeter. Vor allem Martin Harnik ging extrem fahrlässig mit seinen Chancen um.
Während die Verteidigung der Kölner damit beschäftigt war, Daniel Ginczek kalt zu stellen, eröffnete dies viele Räume für den aus Hamburg stammenden Österreicher. Einmal wurde ein freier Kopfball Harniks noch von der Linie gekratzt, das andere Mal konnte er einen haarsträubenden Fehler vom Kölner Schlussmann Horn nicht nutzen und auch eine weitere freie Einschussmöglichkeit ließ er ungenutzt.
Dem VfB fehlte die Kaltschnäuzigkeit, die man im Testspiel gegen Manchester City noch eindrucksvoll zeigte. Bessert sich das nicht, wird es schwierig, souveräne und sichere Siege einzufahren.
Der Torwart
Mit zwei neuen Torhütern ist man in die neue Saison gegangen. Jedoch verletzte sich Mitch Langerak im Trainingslager in Österreich, weshalb Przemyslaw Tyton vorerst gesetzt ist. Bisher konnte er sich jedoch kaum auszeichnen. Stattdessen machte er in der ersten Pokalrunde das kurze Torwarteck auf, was dem Gegner aus Kiel die Führung brachte.
Und zum Bundesligaauftakt leitete er nun den Kölner Sieg ein. Anstatt auf Linie stehen zu bleiben, sprintete er bei einem Konter des FC zu spät heraus und riss Anthony Modeste völlig unnötig von den Beinen. Elfmeter für Köln war die Folge - und der VfB wurde um seinen Lohn gebracht.
Nach einem Spieltag ist es zwar zu früh, um über einen Torwart zu urteilen. Dennoch sollte man darauf hoffen, dass sich die Leistungen von Tyton stabilisieren, oder eben Langerak eine Chance geben.
Wenn auch dieser keine Souveränität auf den Platz bringen kann, wird das leidige Torwartproblem ein ungemütliches Dauerthema bleiben - und Robin Dutt wird sich fragen müssen, warum er nicht nur eine und dafür verlässliche Nummer Eins verpflichtet hat.
Die Defensive
Ganz unabhängig vom Spiel gegen Köln braucht man beim VfB im Abwehrzentrum noch dringend Verstärkung. Antonio Rüdiger verlässt die Schwaben in Richtung Rom, weshalb hier eine Lücke entsteht. Damit war schon länger zu rechnen. Dennoch konnte man auf dieser Position bisher keinen Neuzugang präsentieren.
Die Umschulung von Adam Hlousek zum Innenverteidiger hat Robin Dutt dabei etwas Zeitraum bei einer Neuverpflichtung gegeben. Dennoch kriecht man hier auf dem Zahnfleisch. Und spätestens jetzt mit dem Abgang von Rüdiger ist Dutt gefordert einen Nachfolger zu finden - mit der entsprechenden Qualität.
Die Kondition und fehlende Erfahrung
Das neue System und die neue Spielweise unter Trainer Alexander Zorniger ist energieraubend. Gegen Köln konnte man sehen, mit welch hohem Tempo und welch einer Aggressivität die Mannschaft ins Spiel ging. Je länger jedoch kein Führungstreffer fiel, desto müder und ungeduldiger wurde man. Das war gegen Köln sehr schön zu sehen. Bereits einige Minuten vor dem ersten Gegentor öffneten sich mehr und mehr Räume für Köln. Mehrfach kam der flinke Bittencourt zu mehr Freiheiten auf der linken Außenbahn.
Der VfB muss also vor allem lernen zu welchem Zeitpunkt man ins Pressing geht und wann man sich eher mal zurückziehen kann, um sich die Kräfte richtig einzuteilen. Das Team muss merken, wann der Gegner angreifbar ist, wann man ihn zu Fehlern zwingen kann. Genau dann muss man draufgehen. Denn ein 90-minütiges Dauerpressing ist nicht umsetzbar.
Das macht Hoffnung:
Das neue System
Am zweiten Spieltag der vorigen Saison war ebenfalls Köln zu Gast in Stuttgart. Damaliger Trainer des VfB war Armin Veh. Jedoch konnte man sich kaum bemerkenswerte Chancen heraus spielen. Köln machte aus zwei Chancen zwei Tore und heimste einen souveränen Sieg ein. Ein wirkliches Konzept war beim Team von Veh damals nicht zu erkennen. Viele Querpässe, kaum Ideen im Spiel nach vorne.
Das ist nun anders. Auch wenn das System gegen Köln auch seine Schwächen offenbarte, überwogen doch eindeutig die positiven Eindrücke. Man hätte den Gegner aus dem Stadion schießen müssen. Ein Blick auf die Statistik bringt interessante Erkenntnisse: Hier ist der VfB nämlich Tabellenführer. Noch vor dem FC Bayern München und Bayer Leverkusen.
Denn kein anderes Team gab so viele Schüsse ab, wie der VfB. Selten hat man in den letzten Jahren solch ein Offensivfeuerwerk in Stuttgart erleben dürfen. Kommt hier also die nötige Kaltschnäuzigkeit hinzu, sowie die Erfahrung, wann man das Pressing am sinnvollsten gegen den Gegner einsetzt, kann man wirklich guter Dinge sein.
Die Offensive
Es war ein atemberaubender Schuss. Der linke Fuß von Daniel Didavi ist eine wahre Waffe. Einen Zentimeter tiefer und das wäre die frühe Führung für den VfB gewesen.
Seine Dribblings ließen Pawel Olkowski oft sehr alt aussehen. Das Tempo und die Wucht von Filip Kostic waren kaum in den Griff zu kriegen. Lediglich bei seinen zahlreichen Hereingaben gibt es noch Verbesserungsbedarf.
Zwei Verteidiger waren häufig auf ihn angesetzt. Dennoch war er immer anspielbereit, hatte auch zwei gute Chancen, schaffte Platz für Martin Harnik, der zu einer Vielzahl von Chanchen kam. Daniel Ginczek ist der Typ von Stürmer, der dem VfB schon eine längere Zeit gefehlt hat. Das bewies er unter anderem schon zum Ende der Saison durch seine sieben Treffer.
Die Vielzahl an Chancen war nicht nur eine Frage des Systems, sondern auch eine Frage der Qualität. Und die ist in der Offensive definitiv vorhanden. Was sich schon im Saisonfinale der letzten Spielzeit andeutete, wurde gegen Köln noch einmal unterstrichen. Mit Didavi, Kostic und Ginczek hat man drei wirkliche Waffen in der Mannschaft.
Serey Die
Es war eine der negativen Nachrichten der Vorbereitung. Durch eine Muskelverletzung verpasste der Stuttgarter Abräumer Serey Die den Saisonauftakt. Ersetzt wurde er von Lukas Rupp. Der konnte durch eine gute Spielübersicht und einige übersichtliche Pässe im Spielaufbau überzeugen.
Jedoch konnte er Die nicht Eins zu Eins ersetzen. Wer kann das schon? Die Zweikampfstärke, die Aggressivität und die Kriegermentaltität Diés fehlte dem VfB auf dem Platz.
Mit ihm wird sich Zornigers System noch besser umsetzen lassen, man wird zu schnelleren Balleroberungen kommen. Dass Die bereits nach einem halben Jahr in den Mannschaftsrat der Schwaben gewählt wurde, ist ein eindeutiges Zeichen für sein Standing im Team.
Seine Rückkehr in die Startelf gegen Hamburg am kommenden Samstag wird der Mannschaft also in jedem Fall noch einmal einen Schub geben.
Alexander Zorniger und die mannschaftliche Geschlossenheit
Zwei Jahre befand sich der VfB im Abstiegskampf. Häufig fragte man sich nach dem Warum. Immer wieder war von der fehlenden Einstellung im Team zu hören. Mehr Egoismen waren vorhanden, als der Mannschaftsgedanke. Auch Huub Stevens, zweifacher VfB-Retter, prangerte das an. Mit Alexander Zorniger ist nun ein Trainer da, der den Teamgedanken lebt, der sich auch frühzeitig bei Stevens über die Probleme innerhalb der Mannschaft informierte.
Kopfhörer sind bei ihm verboten, der Mannschaftskreis ein fester Bestandteil im Training. Mit Moritz Leitner, Konstantin Rausch und Sercan Sararer haben zudem einige charakterlich nicht ganz einwandfreie Spieler den Verein verlassen. Zudem ist auch die neue Spielweise von mannschaftlicher Geschlossenheit geprägt. Zieht einer nicht mit, bricht alles zusammen. Alexander Zorniger und der Teamgedanke sind also ein in sich geschlossener Kreis, der dem Team um Kapitän Christian Gentner gut tut.
Wie geht es jetzt weiter?
Am kommenden Wochenende heißt es jetzt erst einmal, einen Fehlstart zu verhindern. Schaut man sich die letzten Jahre an, ist der kommende Gegner mit dem HSV so etwas wie ein Lieblingsgegner. Seit 2011 hat man in Hamburg nicht mehr verloren.
Mit der neuen Spielweise ist die Hoffnung auf einen Sieg jedenfalls groß. Und auch mit Blick auf die kommenden Wochen sollte der VfB schnell in die Spur finden. Denn im Vergleich zu den vorigen Jahren hat man einen verhältnismäßig einfachen Saisonstart. Es ist also wichtig, frühzeitig Punkte zu holen.
Mit einer verbesserten Chancenverwertung, Serey Die auf dem Platz und der vorhandenen Qualität in der Offensive kann man guter Dinge sein. Denn die Niederlage gegen Köln war mehr als unglücklich und nicht in jedem Spiel kratzt ein gegnerischer Spieler den Ball noch von der Linie, fliegt das Spielgerät mehrfach gegen das Aluminium oder kommt ein Torwart derart unglücklich aus dem Tor. Und wann gab es das zum letzten Mal, dass der VfB mit so viel Konzept und Spielidee eine Partie bestritten hat?
Der VfB Stuttgart im Steckbrief