Sechs Tage sind an sich eine kurze Zeitspanne. Trotzdem kann man in diesem Zeitraum relativ viel bewerkstelligen, wie zum Beispiel eine Reise unternehmen oder eine komplette Hausarbeit schreiben. Oder eben eine Meinung ändern und damit seinen Ruf in Mitleidenschaft ziehen.
Der englische Nationalspieler Fabian Delph durchlief einen solchen Prozess und ist nun auf der Insel so beliebt wie DeAndre Jordan bei NBA-Fans außerhalb von Los Angeles. Doch was war passiert?
Das Treuebekenntnis
Der 25jährige defensive Mittelfeldspieler hatte sich in den letzten dreieinhalb Jahren bei Aston Villa zu einem absoluten Leistungsträger aufgeschwungen und in den Kader der Three Lions gespielt.
Seinen Vertrag hatte der zweite Kapitän des Klubs erst im Januar bis 2019 verlängert, allerdings mit einer Ausstiegsklausel in Höhe von 11,5 Millionen Euro. Nicht nur Manchester City begann nach Saisonende heftig um Delph zu werben.
Am 10. Juli kam dann die erwartete Meldung in den britischen Medien: Fabian Delph werde zum medizinischen Check bei den Citizens erwartet. Zu diesem Zeitpunkt überraschte diese Meldung nur wenig, man war in den letzten Wochen sowieso davon ausgegangen, dass Delph Aston Villa verlassen und eine neue Herausforderung annehmen würde.
Delph: "Ich bin eine loyale Person"
Am Abend veröffentliche Aston Villa dann ein Statement von dem Spieler, welches jedoch nicht irgendwelche schmalzigen Abschiedsworte enthielt: "Ich bin eine loyale Person. Ich bleibe bei Aston Villa. Das soll jedem Fan zeigen, was ich für ein Typ bin. Ich liebe den Klub und liebe es, hier Kapitän zu sein."
Delph hatte den Termin bei City schlichtweg abgesagt und sich scheinbar für einen Verbleib bei Villa entschieden. Was für eine Geste in den heutigen Zeiten, was ihm gerade in dem von Fußballromantikern überfüllten Mutterland des Fußballs kurzfristigen Kultstatus verlieh.
Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern
Kurzfristig hieß in diesem Fall genau sechs Tage. Dann war es an dem hellblauen Verein aus Manchester eine Presseerklärung zu veröffentlichen. Zur Überraschung der Allgemeinheit enthielt diese folgende Worte: "Manchester City ist glücklich mitteilen zu können, dass sich Fabian Delph dem Klub angeschlossen hat."
Ein unerwarteter U-Turn des Nationalspielers, der nicht nur die Villa-Fans aufschreien ließ. Hatte er sich nicht sechs Tage zuvor öffentlich zu seinem Klub bekannt? Einige Medien berichteten, dass der sich abzeichnende Abgang von Christian Benteke zum FC Liverpool der Hauptgrund für den Sinneswandel gewesen sei.
Delph selbst berichtete, dass er mit Villa-Neuzugang Micah Richards, der seine fußballerischer Ausbildung von klein auf bei ManCity erlernte, Gespräche geführt hat und ihm dieser dabei berichtet hätte, wie großartig es sei, dort zu spielen (weswegen die Villa-Fans ihrem Neuzugang sicher dankend auf die Schulter klopfen werden).
Ob ein loses Gespräch mit einem Teamkameraden diese Kehrtwende herbeigeführt hat, darf an dieser Stelle angezweifelt werden. Es ist kein Geheimnis, dass die Citizens aufgrund ihrer Finanzkraft auf dem wohl besten Trainingszentrum Englands trainieren und ihre Spieler dabei überdurchschnittlich entlohnt werden. Die zeitgleiche Ankunft von Raheem Sterling, der seinen Klub ebenfalls unter mehr als kontroversen Umständen für City verließ, rundete das entstandene negative Bild adäquat ab. Money talks.
"Home-Grown"
Darüber hinaus ist der Transfer von einem weiteren negativen Umstand begleitet. Viele Experten und Fans mutmaßen, dass City den 1,74m großen Engländer nur holte, um die Anzahl seiner "Home-Grown"-Spieler aufzustocken.
Laut den UEFA-Regularien müssen im 25-Mann-Kader für die Champions League mindestens vier Spieler im eigenen Klub und ebenso vier weitere innerhalb des Verbandes ausgebildet worden sein. In diesem Sommer verließen mit Frank Lampard (New York FC), James Milner (FC Liverpool) und Scott Sinclair (Aston Villa) drei solcher Spieler den Verein.
Es ist deswegen kein Zufall, dass die Citizens trotz günstigerer Alternativen die horrende Ablösesumme für die nationale Hoffnung Sterling zahlten; des weiteren wurde mit Juniorennationalspieler Patrick Roberts vom FC Fulham ein weiterer Spieler verpflichtet, der seine fußballerische Ausbildung innerhalb des Verbandes absolvierte.
Delph selbst durchlief die Jugendakademie von Leeds United. Unter diesen Gesichtspunkten wäre der Wechsel gerade für die Villa-Fans doppelt bitter: Während man ohne den Sechser in der kommenden Saison im Villa-Park nahezu sicher Zweitligafußball gesehen hätte, könnte ihr Ex-Kapitän im Etihad lediglich zu einem Quoten-Auffüller verkommen.
Aufräumer für Yaya
Trotz aller Kritik an den Umständen bringt Delph einige Qualitäten mit nach Manchester. Der Abräumer gewann in der Saison 2014/2015 starke 62 Prozent seiner Zweikämpfe. Er ist ebenfalls ein ausgezeichneter Passer, was seine Passquote von 86 Prozent unterstreicht. Diese Quote beeindruckt noch mehr, wenn man beachtet, dass mit Abstand die meisten Pässe des Mittelfeldspielers lange Bälle (länger als 40 Meter) sind.
Weiter besticht Delph durch seine große Laufbereitschaft und ein großes Kämpferherz, was für nahezu jedes Team unheimlich wichtig ist, jedoch nicht in Statistiken erfasst wird. Diese Leidenschaft ist allerdings zeitgleich eine Schwäche des Mannes aus Bradford.
In noch vielen Situationen entscheidet Delph zu überhastet oder verlässt seine Position, was sich vor allem bei seinen Auftritten für die Three Lions zeigte. In der Champions League ist ebenso wenig Raum für falschen Übereifer. Es besteht weiterhin ebenfalls Verbesserungsbedarf in Abschluss (2014/2015: 0 Tore), auch wenn dies im Mittelfeld der Citizens sowieso die Hauptaufgabe von Yaya Toure ist.
Kampf gegen die Empirie
Letztlich wird nur die Zeit zeigen, ob sich Fabian Delph mit dem Wechsel einen Gefallen getan hat. Auf seiner Position konkurriert er mit Yaya Toure, Fernando und Fernandinho. Unter dieser Konstellation bestehen für ihn durchaus Chancen auf Einsatzzeiten zu kommen.
Allerdings ist das Transferfenster noch über einen Monat geöffnet und City hat erst kürzlich eine Lockerung seiner Financial Fairplay Auflagen erhalten, weshalb es durchaus noch zu weiteren Verstärkungen kommen könnte. Der Name Paul Pogba schwirrt jedenfalls nicht erst seit gestern durch das Etihad und dies wird sich auch nicht vor dem 1. September ändern.
Darüber hinaus scheiterten viele junge englische Spieler bei den Hellblauen aus Manchester in jüngerer Vergangenheit. Jack Rodwell, Adam Johnson oder Scott Sinclair kamen damals mit teilweise noch größeren Vorschusslorbeeren und konnten nicht dauerhaft überzeugen. Für Delph besteht also tatsächlich die Gefahr einen ähnlichen Karriereknick zu erleiden.
Bei seinem Debüt im Testspiel gegen Real Madrid musste der englische Nationalspieler übrigens bereits nach 18 Minuten wegen einer Oberschenkelverletzung ausgewechselt werden. Eine genaue Diagnose gibt es noch nicht, bisher geht man aber davon aus, dass sechs Tage zur Heilung nicht ausreichen werden, auch wenn in diesem Zeitraum bekanntlich so einiges möglich ist.
Fabian Delph im Steckbrief