Laura Dahlmeier wurde auf Schultern durch das Stadion getragen, am Ziel ihrer Träume schloss sie die Augen, die Welt stand still.
"Ich wollte den Moment und dieses unbeschreibliche Gefühl einfach nur genießen", sagte die frisch gebackene Biathlon-Olympiasiegerin nach der Realisierung ihres Kindheitswunsches und ergänzte voller Sehnsucht: "Ich habe so sehr von diesem Tag geträumt und lange darauf hingefiebert. Ich kann es noch gar nicht richtig glauben."
Die Glückgefühle durchfluteten die ansonsten so kontrollierte Bayerin auch lange Zeit nach dem phänomenalen Goldlauf, Dahlmeier scherzte und wirkte gelöst wie noch nie. Und wenn es trotzdem noch eines Beweises für den Druck bedurfte, der an diesem historischen Abend von den schmalen Schultern der 24-Jährigen abfiel - ein Blick in ihr Gesicht hätte genügt.
Der Bundespräsident trotzt den Minusgraden
"Der Druck war der härteste Part, jeder erwartete eine Medaille", sagte Dahlmeier. Nicht grundlos hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf der Tribüne den Minusgraden getrotzt, nicht grundlos richteten sich die Augen einer ganzen Nation auf das kleine Kraftpaket. Und Dahlmeier? Sie lieferte. So, wie man es mittlerweile eben gewohnt ist von ihr.
Der umjubelte Sprintsieg bei den Winterspielen von Pyeongchang war dann auch sogar für die ehrgeizige Dahlmeier selbst "das perfekte Rennen." Diese gut 20 Minuten, in denen sie ihre Vormachtstellung unter den Skijägerinnen eindrucksvoll unter Beweis stellte und ganz nebenbei mit der ersten Chance den Gold-Bann des "Team D" brach.
Für Dahlmeier selbst spielte letzteres freilich nur eine untergeordnete Rolle, das sei schließlich "eher für die Leute drumherum spannend" gewesen. Für eine siebenmalige Weltmeisterin, die seit jeher ihren eigenen Weg geht und zuvor alles gewonnen hatte, was es zu gewinnen gibt, zählte einzig und allein die Vollendung des sportlichen Lebenswerks. Ganz egal, wann. Ganz egal, wo.
"Olympiasiegerin. Das ist ein Traum, den ich seit meiner Kindheit verfolgte", sagte Dahlmeier. Damals hatte sie schon auf ihrem Stockbett die richtigen Jubelposen geübt, sie wollte schließlich vorbereitet sein für den großen Tag. Als der dann gekommen war, sprang sie mit einem mächtigen Satz auf das Siegerpodest und brüllte die Freude in den bitterkalten Nachthimmel.
Dahlmeier am Schießstand großartig
"Ich habe schon im Ziel gedacht, dass es ein gutes Rennen war und mit etwas Glück vielleicht zu einer Medaille reicht", sagte Dahlmeier. Sie habe "läuferisch alles gegeben und bis zum Schluss gefightet" - was an diesem Tag bei kniffligen Verhältnissen aber nicht den Ausschlag gab.
Viel mehr waren es die Abgeklärtheit und ihre Geduld am Schießstand, die sich letztlich als Schlüssel zu Gold entpuppten. Im Stile einer Weltklasse-Athletin justierte Dahlmeier nach dem ersten der zehn Schüsse aufgrund des heftigen Windes ihren Diopter neu.
Als dann etwas später beim Stehendschießen die Böen sie ins Wanken brachten, behielt die Bayerin die Ruhe, verharrte einen Augenblick lang - und räumte wieder alle Scheiben ab.
Kati Wilhelm: "Können richtig große Spiele werden"
Bundestrainer Gerald Hönig sprach von einer "fokussierten und konzentrierten Vorstellung. Laura drückt eben nur ab, wenn sie das perfekte Trefferbild sieht."
Und Kati Wilhelm, die 2002 als zuvor einzige Deutsche einen olympischen Sprint gewonnen hatte, meinte anerkennend: "Das war souverän. Ich glaube, wenn es mit einer Medaille losgeht, können das richtig große Spiele für Laura werden."
So weit wollte Dahlmeier aber nicht gehen. Noch nicht. "Ich mache mir keine Gedanken, was morgen oder in einer Woche ist", sagte sie. Denn erst einmal zählte nur der Moment. Völlig zurecht.