Norwegens Langläufer ratlos

SID
Die norwegischen Langläufer um Eldar Roenning hatten bisher mit der Technik zu kämpfen
© getty

Norwegens Skilangläufer wollten in Sotschi dominieren, laufen nach starkem Auftakt aber hinterher. Der Streit ums falsche Wachs wird zur nationalen Affäre.

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Es war Melodramatik pur: Mit hängenden Schultern und gesenktem Haupt trat Trond Nystad vor die Presse, der Chefcoach der norwegischen Skilangläufer bat Volk und Vaterland demütig um Verzeihung.

"Wir müssen uns bei der Nation entschuldigen", sagte der Ehemann von Deutschlands Doppel-Olympiasiegerin Claudia Nystad: "Wir haben beschissene Ski und wissen nicht, was wir falsch machen. Wir können den Code einfach nicht knacken."

Ganz Norwegen wird von der "Smørekrise" erschüttert, der olympischen Wachskrise von Sotschi. Team Norge sollte im Kaukasus dominieren, tat dies mit dreimal Gold in den ersten vier Wettbewerben auch.

Technik-Abteilung ratlos

Dann aber stiegen die Temperaturen, seitdem rutschen Marit Bjørgen, Petter Northug und Co. mit untauglichem Material hilflos hinterher. Die fünften Plätze in den Staffeln markierten den Tiefpunkt.

Vor den Teamsprints am Mittwoch (ab 10 Uhr im LIVE-TICKER) ist Norwegens Technik-Abteilung ratlos - dabei verschlingt sie alleine den Jahresetat manch anderer Langlauf-Nation. "Ich habe mich gefühlt, als hätte ich Leim unter den Ski", sagte Staffel-Startläufer Eldar Rönning, Teamkollege Chris Jespersen konnte sich nicht erinnern, "wann ich jemals auf schlechteren Ski gelaufen bin".

Dass Erzrivale Schweden beide Mannschaftsrennen gewann, machte die Schmach noch schlimmer. "Mit diesen Skiern hätte ich aber sogar gegen Zlatan Ibrahimovic verloren", ätzte Northug in Richtung der eigenen Service-Leute.

Verschwörungstheorien um Ausrüster

In einem weiteren Akt des "Smørekrise"-Dramas trat deshalb Chefwachser Knut Nystad vor die Presse. "Im Moment scheint es, als seien wir komplett unfähig", sagte Nystad, Bruder von Trond und Schwager von Claudia, um dann die Krise zum Kriminalstück umzudichten, Verschwörungstheorie inklusive. Ein Ausrüster habe den Norwegern besseres Material vorenthalten.

"Wir haben die Bestätigung, dass andere Nationen Sachen besitzen, die wir nicht erhalten haben", sagte Nystad: "Manchen ist Norwegen zu dominant, jetzt hat man die Chance, andere zum Sieger zu machen. Für den Sport mag das gut sein, für uns ist das verdammt ärgerlich."

Ärgerlich für Nystad war zudem, dass sich sogleich Wachslieferant Swix - eine norwegischen Firma - zu einer öffentlichen Klarstellung genötigt fühlte und damit Knut Nystad die Eselskappe aufsetzte: "Er ist wohl sehr frustriert", sagte Swix-Direktor Ulf Berknes, "niemand hält hier etwas zurück - im Gegenteil: Wir haben ihm alles angeboten, manches wollte er schlichtweg nicht haben."

"Wir wissen, dass wir gut sind"

Smør (norwegisch auch: Butter) hin, Wachs her: Norwegens Schwäche nur auf das Material zu schieben, greift zu kurz. Vielmehr sind fast alle Stars der Langlaufnation Nummer eins in Sotschi nicht in Topform - und kriegen in den norwegischen Boulevard-Blättern gnadenlos ihr Fett weg.

Marit Bjørgen baute nach ihrem Skiathlon-Sieg stetig ab, der zweimalige Vancouver-Olympiasieger Petter Northug fällt seit Monaten nur noch mit markigen Sprüchen auf. Und sämtlichen Norwegern, die bei der kräftezehrenden Tour de Ski vorne mitliefen, fehlt die Frische: Therese Johaug, Martin Sundby, Chris Jespersen und Astrid Jacobsen enttäuschten.

"Die Medien-Hetze ist ungerecht", sagte Trond Nystad: "Wir wissen, dass wir gut sind. Keiner wird über Nacht schlecht." Vier Entscheidung bleiben Norge, um dies zu beweisen.

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