Als Maria Höfl-Riesch die Ziellinie überquerte, leuchtete auf der Anzeigetafel die "2" auf - doch was bei jedem Ski-Rennläufer normalerweise für ein enttäuschtes Gesicht sorgt, löste bei der dreifachen Olympiasiegerin ungeahnte Glücksgefühle aus.
Höfl-Riesch riss die Arme in die Höhe, dreimal, viermal - sie geriet fast aus dem Häuschen. "Das ist unglaublich", sagte sie nur kurz darauf beinahe euphorisch, "nach so einem Schnitzer noch aufs Podium zu fahren, das hätte ich nicht gedacht." Dieses Silber hinter Anna Fenninger (Österreich) schimmerte irgendwie golden.
Höfl-Riesch war als letzte der Medaillenanwärterinnen auf die Strecke gegangen, ihre Zwischenzeit war besser als die von Fenninger, sie ignorierte auch einen Streckenposten, der mit einem Mal in ihrem Blickfeld auftauchte: Doch dann misslangen ihr zwei tückische Tore bei der Einfahrt in die Schlusspassage, das Tempo war dahin.
Fenninger gewinnt souverän
"Nach diesem Fehler im letzten Abschnitt ... ich konnte es kaum glauben, ich bin überglücklich", sagte Höfl-Riesch. Fünf Tage nach ihrem Olympiasieg in der Super-Kombination war es ihre vierte Olympia-Medaille, ihre zehnte bei Großereignissen.
An Anna Fenninger kam Höfl-Riesch nach ihrem Ausritt nicht mehr heran - mit 0,55 Sekunden Vorsprung holte die Österreicherin, 24 Jahre alt und 2011 in Garmisch-Partenkirchen Weltmeisterin in der Super-Kombination, das dritte Super-G-Gold nacheinander für die rot-weiß-roten Frauen: 2006 in Turin hatte Michaela Dorfmeister gewonnen, 2010 Andrea Fischbacher. Den gelungenen Tag für Austria rundete Nicole Hosp ab, die 0,11 Sekunden hinter Höfl-Riesch zum zweiten Mal nach 2006 (2. im Slalom) eine Olympiamedaille gewann. Starke Achte wurde Viktoria Rebensburg (Kreuth).
Im Gegensatz zur Abfahrt, als sie nach einer enttäuschenden Fahrt nur Rang 13 belegt hatte, war Maria Höfl-Riesch wie verwandelt in den Super-G gegangen. Von Beginn an war zu spüren: Sie wollte eine Medaille.
Erfolgreichste Alpine Deutschlands
"Ich hatte heute die nötige Lockerheit", berichtete sie - und sie ergänzte: "Ich bin wahnsinnig dankbar dafür, das alles hier noch einmal erleben zu dürfen." Höfl-Riesch hat nun drei goldene und eine silberne Medaille bei Olympischen Spielen, sie ist damit auch erfolgreichste deutsche Alpine, ein klein bisschen besser als Katja Seizinger (3-mal Gold, 2-mal Bronze).
Seizinger war es auch, die 1992 bei den Spielen von Albertville die einzige olympische Super-G-Medaille für den Deutschen Skiverband (DSV) gewonnen hatte. Der Super-G ist eine besondere Herausforderung, im Gegensatz zur Abfahrt gibt es keine Trainingsläufe, die Läuferinnen haben vor dem Start nur eine Stunde Zeit, Kurs und Schlüsselstellen zu besichtigen und zu erkennen.
Das führte zu Beginn des Rennens am "Rosa Peak" in Krasnaja Poljana zu kuriosen Szenen: Von den ersten acht Starterinnen schieden sieben aus, sie scheiterten gleich im Steilhang - oder in der tückischen Einfahrt in die Schlusspassage. Gesetzt hatte den Kurs der Coach der Österreicher, Florian Winkler, und weil Fenninger und Hosp auch sehr gute Riesenslalom-Fahrerinnen sind, war der Kurs in den schwierigen Passagen eher Riesenslalom-lastig. Von den ersten 30 gestarteten Läuferinnen kamen zwölf nicht ins Ziel.
Massen-Ausscheiden zum Auftakt
Höfl-Riesch gehörte zu denen, die sich das Scheitern der vielen Konkurrentinnen am Start auf einem Bildschirm angesehen hatte. "Es ist so leicht, wenn man das oben auf dem Fernseher sieht, aber wenn man dann selber dahin kommt, dann geht alles so schnell, und ich war ja schnell dran, dann stand ich so hoch in der Luft, ich konnte es kaum noch kontrollieren", sagte sie über die Situation, als sie Gold verlor.
Beinahe hätte sie auch noch Silber hergegeben. "Ich war kurz vor dem Abschwingen", berichtete sie, "Gott sei Dank habe ich das nicht gemacht. Ich bin froh, dass ich jetzt auch mal Silber habe."