Das war ein Ding! Marcel Nguyen, vor Olympia nur die Nummer drei im deutschen Turn-Team hinter Fabian Hambüchen und Philipp Boy, hat im Mehrkampf für einen Paukenschlag gesorgt und die Silbermedaille gewonnen.
Plötzlich ist er in aller Munde und die gesammelte deutsche Journaille fragt sich, wie man diesen Nachnamen eigentlich ausspricht. Nguyens Antwort: "Nuyen, einfach das 'g' weglassen, dann passt es."
Beeindruckendes Comeback bis fast an die Spitze
Nguyen, dessen Vater aus Vietnam stammt, lag nach dem ersten Gerät noch auf dem letzten Platz und kämpfte sich von da aus beeindruckend zurück bis fast an die Spitze. "Ich wusste, dass ich theoretisch um eine Medaille kämpfen kann, wenn alles perfekt läuft. Dass es dann wirklich geklappt hat, ist natürlich Wahnsinn", sagte Nguyen.
Mitverantwortlich für sein Comeback waren auch die guten Leistungen am Boden und am Barren, seinem Spezialgerät. In beiden Disziplinen tritt er nun im Einzel an und kämpft vielleicht sogar um eine weitere Medaille.
SPOX stellt ihn vorher im Interview vor und kann von Hambüchens Schatten, Mut, Schmerzen, einer kuriosen Fußball-Kombo und einem eintätowierten Lebensmotto berichten.
SPOX: Sie sind als Nummer drei im Team nach London gekommen, haben aber bisher die einzige Medaille gewonnen. Wird sich nun in der Hackordnung im Team etwas ändern?
Marcel Nguyen: Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Wir waren schon immer ein gleichberechtigtes Team und haben alle für das gleiche Ziel gekämpft, nämlich im Teamwettbewerb etwas zu erreichen. Fabian hatte damals noch seine Einzelziele nebenbei. Die haben wir jetzt eben alle.
SPOX: Wenn man Ihnen bei Ihrer Flugshow zusieht, fragt man sich: Wie viel Mut gehört zum Turnen dazu?
Nguyen: Mut gehört anfangs auch dazu, aber jetzt nicht mehr. Man merkt beim Turnen schon sehr früh in den ersten Grundlagen-Trainings, ob das etwas für einen ist oder nicht. Wenn man zu viel Angst hat, hört man ganz schnell wieder auf. Für mich ist es keine Überwindung mehr, zum Beispiel ans Reck zu gehen.
SPOX: Was ist, wenn Sie neue Elemente einstudieren?
Nguyen: Da vielleicht schon. Aber eigentlich geht es ja bei so etwas meistens nur darum, noch eine Drehung mehr zu machen oder so. Das kennt man ja schon von anderen Geräten. Von daher kenne ich auch da im Prinzip keine Angst mehr.
SPOX: Eine weitere Frage, die uns beim Beobachten Ihrer Übungen einfällt: Kann man lernen, Schmerzen zu ertragen?
Nguyen: Muss man. Schauen Sie meine Hände an. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis die so aussahen (zeigt die dicke Hornhaut auf den Handinnenflächen). Davor waren sie häufig offen und haben geblutet. Mein Körper hat sich aber dran gewöhnt. Wenn etwas wehtut, muss man eben so turnen, dass es nicht mehr wehtut.
SPOX: Was ist mit den Oberarmen? Schließlich landen Sie an Ihrem Spezialgerät Barren sehr oft darauf.
Nguyen: Wenn man es richtig macht, tut es eigentlich nicht weh. Da habe ich keine Probleme. Es sei denn, man landet auf der falschen Stelle, dann schmerzt es schon.
SPOX: Schmerz ist auch das Thema Ihres Tattoos auf der Brust. Dort steht: "Pain is Temporary - Pride is Forever".
Nguyen: Ich wollte mir schon lange ein Tattoo stechen lassen, habe aber jetzt nicht geplant, genau diesen Spruch zu nehmen. Der stammt von dem Triathleten Dave Scott, der mehrere Male den Ironman gewonnen hat und den ich sehr cool finde. Ich habe den Spruch gesehen, kannte ihn schon und er hat mir gefallen.
SPOX: Im Wettkampf verdecken Sie das Tattoo aber trotzdem mit Make-Up.
Nguyen: Ja, das mache ich freiwillig zur Sicherheit. Denn ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, ob es dafür nicht Abzüge bei den Wertungen der Übungen geben kann. Wegen Ästhetik. Bei Olympia will ich da kein Risiko eingehen.
SPOX: Auf Ihrer Homepage heißt es: Marcel zeigt, dass Turnen auch cool sein kann. Ist es denn normalerweise uncool?
Nguyen: Das Bild der meisten Leute, die sich mit dem Sport nicht auskennen, ist doch so: 'Turner? Das sind doch die mit den engen Hosen!' (lacht) Ich und meine Kumpels fanden dagegen Turnen schon immer cool.
SPOX: Cooler als Fußball spielen zum Beispiel? Das machen Jungs doch viel eher als in die Turnhalle zu gehen.
Nguyen: Fußball spiele ich zum Spaß und auch gerne zum Aufwärmen vor dem Training.
SPOX: Das Gerücht, dass Turner nicht mit einem Ball umgehen können, stimmt also gar nicht?
Nguyen: Nee! (lacht) Ich glaube, ich wäre gar kein so schlechter Fußballer geworden. Ich habe im Moment leider kaum Zeit für andere Sportarten als Turnen, aber ich könnte mir schon vorstellen, irgendwann mal ein bisschen häufiger zu kicken.
SPOX: Sie stammen aus dem Münchener Vorort Unterhaching und leben in Stuttgart. Da ist die Frage nach den liebsten Fußballklubs sehr interessant.
Nguyen: FC Bayern und Stuttgarter Kickers. Der VfB nimmt uns immer die Parkplätze weg. Wenn die Heimspiel haben, dürfen wir nicht bei uns an der Trainingshalle parken. Allein aus dem Grund mag ich die schon nicht. (lacht)
SPOX: Wir haben Turnen und Fußball damit abgehakt. Was gibt es in Ihrem Leben noch an Interessen?
Nguyen: Ich gehe gerne shoppen, Mode interessiert mich sehr. Dazu bin ich iPhone-Freak. Ich warte schon sehnsüchtig darauf, dass das Neue endlich herauskommt. Ansonsten mache ich auch gerne mal mit Freunden Party. Da steht nach meiner Rückkehr natürlich eine an.