SPOX: Sie sind als Co-Trainer ein Mitglied des US-Teams auf dem Weg zu den Olympischen Spielen. Genießen Sie das harmonische Arbeiten umso mehr, seit Sie in New York nach Wochen des Trubels im März gegangen wurden?
Mike D'Antoni: New York ist, wie es ist. (lacht) Aber ich möchte nicht, dass das zu negativ klingt. Es war insgesamt eine schöne Zeit und ich sammelte sehr wichtige Erfahrungen, die mich weiterbringen werden. Es war eine Ehre, die besten Athleten auf dem Planeten zu trainieren und einen Neuanfang bei einer Traditions-Franchise einzuleiten. Es war inspirierend - obwohl die Zeit nicht das Ende fand, das wir uns gewünscht haben.
SPOX: Der Eindruck ist dennoch richtig, dass Sie sich sehr wohlfühlen beim US-Team?
Dream-Team auf Gold-Mission: Alle Olympia-Testspiele live bei NBA.TV!D'Antoni: Meine Wurzeln liegen im FIBA-Basketball und in Europa. Ehrlich gesagt fühle ich mich nach 21 Jahren in Italien als Spieler und Coach sogar mehr europäisch und international als amerikanisch, was den Basketball anbelangt. Von daher liebe ich die Tage mit dem US-Team.
SPOX: Warum gefällt Ihnen der europäische Basketball so sehr?
D'Antoni: Weil in Europa die Spieler exzellent ausgebildet sind. Sie wissen genau, wie Basketball funktioniert. In Europa kann man sogar als Trainer von den Spielern lernen, weil sie sich so intensiv mit den Grundlagen beschäftigen. Es kommt nicht von ungefähr, dass hier das Teamwork und die Taktik so wertgeschätzt wird. Und in der Präsentation eines Spiels steht mehr der Basketball und weniger die Show im Vordergrund. Das ist fantastisch!
SPOX: Können Sie sich vorstellen, das Hamsterrad NBA zu verlassen und zu einem Euroleague-Klub zu wechseln? Russische, spanische oder türkische Mannschaften sollen sehr gut zahlen...
D'Antoni: Nein, eine Rückkehr nach Europa kommt nicht in Frage - zumindest vorläufig. Mein Sohn macht gerade seinen Abschluss und ich will deswegen unbedingt in den Staaten bleiben. Kategorisch ausschließen will ich Europa nicht. Es bleibt eine Option - allerdings erst in ein paar Jahren.
SPOX: Sie sind der Europa-Experte im Staff von Headcoach Krzyzewski. Geben Sie Ihrem Chef Nachhilfe?
D'Antoni: Das braucht er doch gar nicht. Wir sind schon das sechste Jahr zusammen beim US-Team und er kennt sich in der internationalen Basketball-Szene und bei den Regeln exzellent aus. Von daher gehe ich ihm nur zur Hand und bin froh, wenn er mal um meine Hilfe bittet. (lacht)
SPOX: Viele frühere Topteams stecken im Umbruch oder qualifizierten sich nicht einmal für die Olympischen Spiele wie Griechenland und Serbien. Wird es leichter als 2008, Gold zu gewinnen?
D'Antoni: Man sollte nicht den Fehler begehen und zu viel hineininterpretieren. Zum Beispiel finde ich die Russen richtig, richtig stark. Sie werden Eins-zu-eins die Favoritenrolle einnehmen, die früher den Griechen gehört hat. Außerdem haben wir Frankreich ganz dick auf der Rechnung. Argentinien bleibt sicher ganz oben dabei. Und Spanien ist Spanien.
SPOX: Das heißt?
D'Antoni: Die Spanier sind extrem groß und sehr talentiert, alleine schon mit den beiden Gasols und Serge Ibaka inside. Sie werden die vielleicht größte Herausforderung für uns. Das Vorbereitungsspiel ist ein guter Test - auch wenn das Ergebnis nicht zu hoch bewertet werden sollte.
SPOX: Deutschland zählte bei Großturnieren bis 2008 zum erweiterten Favoritenkreis. Was wissen Sie über den deutschen Basketball von heute? Bekamen Sie mit, dass die BBL in zehn Jahren zur europäischen Spitze gehören will?
D'Antoni: Ach, wirklich? Davon höre ich zum ersten Mal. Es macht auf jeden Fall Sinn. Der ohnehin exzellente europäische Basketball könnte noch besser werden, wenn das größte Land wettbewerbsfähiger wird. Davon würde der Basketball insgesamt profitieren.
SPOX: Es gibt Sorgen in Deutschland, was nach Dirk Nowitzki passiert. Er ist 33 Jahre alt.
D'Antoni: Keine Sorge: Dirk Nowitzki ist einer der besten Basketballer der Welt - und er wird es erstmal bleiben. Ich sehe nicht, dass er in den nächsten Jahren stark abbaut.
SPOX: Was ist für Nowitzki und Dallas in der kommenden Saison möglich?
D'Antoni: Man darf nicht vergessen, dass die Mavericks vor einem Jahr noch das beste Team der Welt waren und mit Rick Carlisle von einem der besten Coaches überhaupt angeführt werden. Sie haben einige Schlüsselspieler verloren, sich in der Offseason jedoch sinnvoll verstärkt. Die Idee gefällt mir gut, dass Dirk und Chris Kaman, die beiden Deutschen, den neuen Frontcourt bilden. Dallas wird ganz sicher in die Playoffs einziehen, da kann ich alle Nowitzki-Fans in Deutschland beruhigen.
SPOX: Viele Fans hätten sich eine Wiedervereinigung mit Steve Nash gewünscht. Andererseits: Wäre es nicht riskant gewesen, einem 38-Jährigen für mehrere Jahre unter Vertrag zu nehmen und diesem auch noch fast zehn Millionen Dollar pro Saison zu zahlen?
D'Antoni: Nein. Ich durfte Steve in Phoenix fünf Jahre lang trainieren und ich weiß immer noch nicht genau, was es genau ist. Aber er besitzt etwas Besonderes, etwas ganz Außergewöhnliches. Seine Leistungen sprechen für ihn. Ich freue mich, dass er von den Lakers trotz des Alters einen so tollen Vertrag angeboten bekam.