Andreas Sander blickte auf die Anzeigetafel - und applaudierte spontan, als er plötzlich die schwarze Eins aufleuchten sah. Der Applaus des derzeit besten deutschen Abfahrtsläufers galt einem jungen Mann aus Norwegen. Eine Woche, nachdem sich Aksel Lund Svindal auf der Streif in Kitzbühel einen Kreuzbandriss zugezogen hatte, mischte dessen 23 Jahre alter Landsmann Aleksander Aamodt Kilde auf der sehr tückischen Kandahar in Garmisch-Partenkirchen die Weltelite auf und fuhr zu seinem ersten Saisonsieg.
"Der Kilde ist ein Übertalent", sagte Sander, der durch die Siegesfahrt des Norwegers und das famose Rennen des erst mit Nummer 52 gestarteten Matteo Marsaglia (Italien/Rang 6) auf einen immer noch glänzenden achten Rang zurückrutschte (+0,69 Sekunden). Und er betonte: "Das ist keine Eintagsfliege, das hat sich abgezeichnet." Und dennoch war es sehr überraschend, dass Kilde gerade an diesem Tag die Welt der Abfahrer auf den Kopf stellte: Das Klassement schien bereits festgefahren, ehe der Norweger mit Startnummer 30 über die Ziellinie schoss.
Kilde, der bereits mit einem dritten Rang beim Super-G in Gröden Mitte Dezember hatte aufhorchen lassen, verdrängte mit seiner bemerkenswerten Fahrt Sensations-Spitzenreiter Bostjan Kline aus Slowenien (+0,22) noch auf Rang zwei, der Schweizer Beat Feuz, Zweiter vor einer Woche in Kitzbühel, fiel auf den dritten Rang zurück (+0,24). Der favorisierte Hannes Reichelt (Österreich), eine Woche zuvor in Kitzbühel schwer gestürzt, schied im "Eishang" aus. Wie alle anderen Topfahrer litt er auch er unter der teilweise schlechten Bodensicht.
Jansrud völlig aus dem Häuschen
Gleiches galt für Kjetil Jansrud - der aber trotzdem völlig aus dem Häuschen war, als sein norwegischer Landsmann Kilde im Ziel anschwang. "Er hat sich gefreut für mich", sagte Kilde - und ohnehin sei es ein "guter Tag" für ihn gewesen. "Ich habe auf ein Top-Ten-Ergebnis gehofft", bekannt er, als er dann im Ziel realisierte, dass er auf Platz eins lag, sei das einfach nur "unglaublich" gewesen. Kilde gilt als künftiger Gewinner des Gesamtweltcups, das verletzte Vorbild Svindal twitterte schon mal: "Aleksander the Great".
Auch Andreas Sander hätte zufrieden sein können - war er allerdings nur bedingt, obwohl er nie besser war im Weltcup. "Es wäre mehr drin gewesen", betonte er. Tatsächlich waren am Samstag auf der ziemlich düsteren Kandahar frühe Startnummern begünstigt - Kilde und Marsaglia ausgenommen. Sander ärgerte sich, in einem Flachstück Zeit verloren zu haben, "der Piste ist es zu verdanken", versicherte er, "dass ich so weit vorne gelandet bin." Allerdings sah er dann doch noch ein: "Das ist Jammern auf hohem Niveau."
In der Tat fährt Sander die beste Saison seiner Karriere, er hat es bei seinen nun 14 Starts zwölf Mal in die Punkteränge geschafft - und nun in "Gap" zum dritten Mal in die Top Ten. "Es wird jetzt nicht so weitergehen, das weiß ich", sagte er, es werde Tage geben, an denen "ich auch mit einem 20. Platz auch zufrieden sein soll", aber das reicht ihm nicht mehr: "Ich will jedes Mal in die Top Ten." Saisonziel bleibt die Teilnahme am Weltcup-Finale Mitte März. Das Potenzial dazu hat er.