Viel Zeit zum Feiern blieb ihm nicht. Nur wenige Stunden nach dem "Coup von Wisla" verließ Andreas Wellinger schon wieder den Ort seines bislang größten Erfolges und machte sich mit den anderen deutschen Skispringern auf nach Zakopane.
Mit dem ersten Weltcup-Sieg und einer gehörigen Portion Selbstvertrauen im Gepäck muss der 18-Jährige sein Meisterstück bereits am Wochenende bestätigen.
"Ich kann auch in Zakopane ein gutes Ergebnis erzielen, wenn ich perfekte Sprünge zeige. Aber auch die anderen Athleten wollen gewinnen und wir werden am Ende sehen, wer der Beste ist", sagte Wellinger, der mit 18 Jahren und 140 Tagen bei seinem ersten Erfolg nur älter als der deutsche "Rekordsieger" Stephan Hocke (18 Jahre und 56 Tage) war.
Klasse Leistung in Wisla
Der Beste war Wellinger zweifelsohne in Wisla. Bei kniffligen Windverhältnissen hatte er Sprünge auf 127,0 und 128,5 Meter gezeigt, die namhafte Konkurrenz so in Schach gehalten und sich den Respekt des Bundestrainers redlich verdient.
"Er ist jung und hungrig, und will weiterkommen. Wir haben im Hotel kurz innegehalten, denn ein erster Weltcup-Sieg ist immer ein sehr bewegender Moment", sagte Werner Schuster dem SID am Freitag, als er im Auto die etwa zweistündige Reise nach Zakopane absolvierte.
Zusammen mit Wellingers Teamkollegen hatte sich der Bundestrainer noch am Abend ein Gläschen gegönnt - mehr aber auch nicht. "Wir sind in einer dichten Wettkampfperiode. In den kommenden Wochen wartet noch viel Arbeit auf uns, das Springen in Wisla war bekanntlich nicht der Höhepunkt", sagte Schuster.
Knoten endlich geplatzt?
Exakt 23 Tage sind es noch bis zur ersten Medaillenentscheidung bei den Olympischen Spielen in Sotschi. Bis dahin will Wellinger, der in der laufenden Saison von den Ergebnissen her bislang eine Achterbahnfahrt vollzogen hat, endlich die auch vom Bundestrainer geforderte Konstanz in seine Sprünge bringen.
"Meine Form ist im Moment ziemlich gut, aber bis Sotschi dauert es noch. Ich hoffe, dass ich auch dort meine bestmögliche Leistung abrufen kann", sagte der junge Mann aus Ruhpolding.
Dass bei Wellinger nach dem "fantastischen und unbeschreiblichen" Abend mit dem "besten Gefühl, das man als Skispringer haben kann", endlich der Knoten geplatzt ist, kann sich Schuster sehr gut vorstellen.
Freund mit Medaillenchancen
"Skispringen ist eine komplexe Sportart, die vom Selbstvertrauen lebt. Jedes Erfolgserlebnis hilft, um die ganze Sache selbstverständlicher anzugehen", erklärte der Österreicher. "Es ist zwar keine Garantie, aber ein wichtiger Baustein."
Abgesehen von Wellinger dürfte in Sotschi nach jetzigem Stand in den Einzelspringen höchstens Severin Freund eine realistische Medaillenchance besitzen. Der 25-Jährige aus Rastbüchl landete in Wisla zwar nur auf dem 13. Platz, verdeutlichte mit einem Satz auf 133,0 Meter im zweiten Durchgang aber sein Leistungsvermögen.
"Er hat definitiv eine vordere Platzierung in sich, mit ihm und seiner Entwicklung bin ich sehr zufrieden", sagte Schuster. Freund habe ein "deutlich lebhafteres Flugsystem" als beispielsweise bei der enttäuschenden Vierschanzentournee und laut Schuster "definitiv mehr drauf, als es die Ergebnisse zeigen."