"Legenden-Doppel" gescheitert

SID
Timo Boll genießt in China größeren Bekanntheitswert als in Deutschland
© getty

Böses Erwachen für Timo Boll: Bereits in der zweiten Runde der Tischtennis-WM im chinesischen Suzhou platzte der Titeltraum des Düsseldorfer Ausnahmekönners. An der Seite des Weltranglistenersten Ma Long unterlag Boll in einem "vorweggenommenen Finale" Olympiasieger Zhang Jike und Xu Xin 2:4.

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Das als "Legenden-Doppel" bezeichnete deutsch-chinesische Duo vergab dabei eine 2:0-Satzführung. Bundestrainer Jörg Roßkopf, der vor 26 Jahren mit Steffen Fetzner das letzte WM-Gold für Deutschland gewonnen hatte, litt hinter der Bande mit seinem Schützling.

"Klar ist man direkt nach dem Spiel enttäuscht, aber wir können uns keinen großen Vorwurf machen", sagte Boll: "Ich bin mit meiner Leistung zufrieden. Man darf nicht vergessen, dass wir hier zwei Weltmeistern gegenübergestanden haben." Die Chance auf den Titel war allerdings dahin - viel zu früh, dank der ungünstigen Auslosung.

Dabei hatte die Tischtennis-Nation China im Vorfeld der WM alles dafür getan, Boll im Herbst seiner Karriere den ersten großen Titel zu bescheren. Dank einer Regeländerung des Weltverbandes ITTF stellte das Reich der Mitte Boll ihren derzeit besten Athleten an die Seite. Doch Boll, zu seiner Hochzeit Chinas "Staatsfeind Nummer 1", konnte das Tempo der drei Asiaten nicht mitgehen. Dem 34-Jährigen unterliefen in der Zweitrundenpartie zu viele Fehler.

Boll patzt im sechsten Satz

Millionen Chinesen an den Bildschirmen sahen zur besten Sendezeit, wie Enfant terrible Zhang und der Weltranglistenzweite Xu das Match nach schwachem Start an sich rissen. Boll produzierte zwei Vorhandfehler in der entscheidenden Phase des sechsten Satzes - schon war die verdiente Niederlage besiegelt.

Der Tag in der chinesischen Millionenmetropole Suzhou hatte für Boll verheißungsvoll begonnen. Die türkischen Qualifikanten Ibrahim Gunduz/Gencay Menge waren keine Herausforderung, auch im Einzel setzte sich der 34-Jährige ohne Satzverlust gegen den Spanier Carlos Machado durch. "Ganz in Ordnung", befand Boll, mehr nicht. Tischtennis-Welten trennen Spanier und Türken von den Top-Chinesen wie Zhang, Xu und Ma.

Boll weiß das, oft genug hat er in China gespielt, oft genug hat er gegen die Weltmacht verloren. Die wenigen Siege liegen schon lange zurück, und so ist auch die Hoffnung auf eine weitere Einzelmedaille, es wäre seine zweite nach Rotterdam 2011, verschwindend gering.

Ovtcharov bringt sich in Stellung

Gut, dass sich mittlerweile Dimitrij Ovtcharov als Bolls Thronfolger in Stellung gebracht hat. Olympia-Bronze in London 2012 folgten konstante Vorstellungen und markige Sprüche. "Ich sehe meine Lebensaufgabe nicht darin, immer gegen die Chinesen in der Runde der besten Acht auszuscheiden", sagte Ovtcharov. Bis zum Viertelfinale, in dem er aller Voraussicht nach auf Bolls Doppelpartner Ma trifft, ist sein Weg allerdings noch weit. Die erste Runde, das 4:1 gegen den Thailänder Padasak Tanviriyavechakul, war für ihn selbst "kein Maßstab".

Bis zu Bolls bitterem Doppel-Aus gab es einige gute Nachrichten für den Tross des Deutschen Tischtennis Bundes (DTB). Neun von zehn Einzelspielern erreichten die zweite Runde, Petrissa Solja (Berlin) und Steffen Mengel (Bergneustadt) stehen sogar schon im Mixed-Achtelfinale. Und: Die WM 2017 findet nach einem Beschluss des Weltverbandes in Düsseldorf statt. Bis dahin wird Boll sicherlich noch spielen und vielleicht die nächste Chance auf das langersehnte WM-Gold bekommen.

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