Emma Raducanu war völlig "geschockt", für Leylah Fernandez fühlte sich der Moment einfach nur "magisch" an: Die beiden Teenager, die sich seit frühester Jugend kennen, konnten selbst gar nicht begreifen, was sie da gerade im Tollhaus Arthur-Ashe-Stadium vollbracht hatten. Erstmals seit 1999 duellieren sich zwei Spielerinnen unter 20 Jahren um den schmucken Silberpokal der US Open. Und sie haben verblüffende Parallelen.
"Ich kann es ehrlich gesagt nicht glauben. Es ist verrückt", sagte die 18 Jahre alte Britin Raducanu, nachdem sie ohne Satzverlust im Turnierverlauf mit einem 6:1, 6:4-Halbfinalerfolg gegen die Griechin Maria Sakkari ins Endspiel am Samstag (22 Uhr/Eurosport) eingezogen war: "Mir fehlen die Worte dafür, dass ich so früh in meiner Karriere schon in einem Grand-Slam-Finale stehe."
Es ist ein besonderes Finale zweier Shootingstars, die kaum jemand auf der Rechnung hatte, schon gar nicht in der Art und Weise. Auch Fernandez, gerade 19 geworden, hatte beim 7:6 (7:3), 4:6, 6:4 gegen die Weltranglistenzweite Aryna Sabalenka mit erstaunlicher Widerstandskraft und Technik begeistert - wie auch schon bei ihren Siegen über Titelverteidigerin Naomi Osaka oder Angelique Kerber.
"All das Blut, all die Tränen, die Opfer und die harte Arbeit haben sich gelohnt", sagte Fernandez, die zuvor überwältigt auf die Knie gesackt war und die Hände vors Gesicht schlug.
Raducanu und Fernandez kennen sich von klein auf
Sabalenka, die auch erst 23 Jahre alte Belarussin, hatte nach dem frühen Ausscheiden der Topfavoritinnen Ashleigh Barty und Osaka mehr denn je auf den großen Titelgewinn geschielt. Gleiches galt für Sakkari. Aber nix da. Zuletzt hatte sich vor 22 Jahren Serena Williams in einem Teenager-Finale in Flushing Meadows gegen Martina Hingis durchgesetzt.
Die neue Siegerin des Turniers in New York ist 2002 in Kanada zur Welt gekommen und hat eine asiatische Mutter - so viel ist schon klar. Denn das trifft auf Fernandez und Raducanu gleichermaßen zu. Aber nur Fernandez spielt noch für das nordamerikanische Land, obwohl auch sie mittlerweile der guten Trainingsbedingungen wegen nach Florida rübergemacht hat.
Beide kennen sich von klein auf. "Wir waren jünger als zwölf, als wir das erste Mal in Kontakt gekommen sind", berichtete Raducanu, die es als erste Qualifikantin überhaupt ins Finale eines Majors geschafft hat. Die ähnlichen Wurzeln als Töchter von Einwanderern in Kanada machten sie neugierig aufeinander, doch eine echte Freundschaft wurde nicht daraus. 2018 kam es dann in Wimbledon zum Juniorinnenduell, das Fernandez in zwei Sätzen verlor. Doch die Partie ist überhaupt nicht damit zu vergleichen, was den Jungstars nun vor den Augen der Weltöffentlichkeit bevorsteht.
Im Endspiel geht um einen der größten Titel im Tennis, mit einem Sieg hätten sich für Raducanu und auch Fernandez die Träume schlagartig erfüllt. All die Entbehrungen ihrer auf die Karriere ausgelegten Kindheit würde sich mit einem Schlag rentieren - zumindest finanziell. 2,5 Millionen US-Dollar (ca. 2,1 Mio Euro) streicht die Siegerin ein, die Verliererin kriegt die Hälfte. Kein schlechtes Taschengeld für die beiden Teenies.