Wechseln wir zu den Herren. Novak Djokovic hat die letzten drei Grand Slams gewonnen und ist absolut on fire.
Mouratoglou: Novak ist einfach wieder der Novak, den wir seit 2011 kennen. Für zwei Jahre hat er sich selbst ein wenig verloren. Aber seit dem Moment, als er sich entschied, sein altes Team um Coach Marian Vajda wieder zu installieren, hat es sich wieder gedreht. Nole ist wieder Nole. Ich war schon immer der Meinung, dass er in Bestform der dominanteste der Top 3 ist. Er hat seine Motivation wiedergefunden, seine Aura auf dem Platz ist wieder da und vor allem sein Spiel ist sofort wieder zurückgekommen. Er ist extrem schwer zu schlagen, weil er einfach keine Schwächen hat und für alle Probleme Lösungen findet. Dazu kommt, dass er ein unglaubliches Selbstbewusstsein besitzt und ja wirklich keinen Punkt verloren gibt.
Als Nächstes stehen die French Open an. Auch wenn Djokovic die letzten Slams alle gewonnen hat, ist es in Paris verboten, nicht auf Rafael Nadal zu setzen, oder?
Mouratoglu: Rafa war in Roland Garros immer der große Favorit, weil er der beste Sandplatzspieler aller Zeiten ist. Aber trotzdem glaube ich, dass Novak ihn in Paris schlagen kann. Er hat ihn schon mehrfach auf Sand geschlagen, in den Finals von Masters-Events und auch in Paris. Wenn Djokovic Nadal in den Turnieren vor Paris mal bezwingen kann, ist er für mich der Favorit für die French Open.
Mouratoglou über die Chancen von Roger Federer in Paris
Die Sandplatzsaison 2019 ist eine besondere, weil Roger Federer mal wieder auf Asche aufschlägt. Was trauen Sie ihm zu?
Mouratoglou: Erstmal waren das fantastischte Neuigkeiten für alle Fans, dass Roger sich entschieden hat, in diesem Jahr in Paris dabei zu sein. Kann er auch auf Sand weit kommen? Definitiv. Dennoch glaube ich, dass es extrem schwer für Roger sein wird, Rafa, Novak oder auch Stan Wawrinka oder Dominic Thiem über fünf Sätze zu bezwingen. Und um den Titel zu gewinnen, müsste er mehrere dieser Jungs ausschalten...
Sie sprechen Dominic Thiem an, der Nadal mehrfach auf Sand schon geschlagen hat und eigentlich irgendwann einmal Paris gewinnen sollte. Oder sehen Sie das anders?
Mouratoglou: Nein. So wie viele andere war auch ich immer schon immer der Überzeugung, dass Dominic in Paris seinen ersten Grand-Slam-Titel holen wird. 2018 stand er im Finale und hat gegen den Sandplatz-König verloren. Aber ich glaube nach wie vor, dass er eines Tages die French Open gewinnen wird.
Über wen wir jetzt noch nicht gesprochen haben, ist Alexander Zverev. Bei den Grand Slams hat er nach wie vor Probleme, was muss er aus Ihrer Sicht ändern?
Mouratoglou: Sascha ist ein großartiger Spieler, aber es gibt immer noch einige wichtige Dimensionen, die er nicht beherrscht. Er hat Masters-Events gewonnen und die besten Spieler der Welt geschlagen. Was dazu führte, dass jeder dachte, er sei bereit, um ein Grand Slam zu gewinnen. Das hat den Druck auf ihn erhöht. Ich bin mir sicher, dass Ivan Lendl an den Fehlern in seinem Spiel arbeitet, damit Sascha sein ganzes Potenzial ausschöpfen kann. Die Arbeit der nächsten drei Jahre wird darüber entscheiden, ob er das Zeug dazu hat, ein oder mehrere Grand Slams zu gewinnen.
Patrick Mouratoglou im Steckbrief
geboren | 8. Juni 1970 in Neuilly-sur-Seine (Frankreich) |
Coach von | Serena Williams (seit Juni 2012) |
Titel mit Serena Williams | 3x US Open, 3x Wimbledon, 2x Australian Open, 2x French Open, Olympia-Gold, 3x WTA Tour Championships |
Coaches Titel im Einzel | 31 |
ehemalige Spieler | Marcos Baghdatis, Anastasia Pavlyuchenkova, Aravane Rezai, Yanina Wickmayer, Laura Robson, Jeremy Chardy, Grigor Dimitrov |
Mouratoglou: "Die Spieler sollten mehr Freiheiten bekommen"
Sie betreuen in Ihrer Academy auch einen ganz jungen Deutschen: Rudi Molleker. Was können Sie über ihn erzählen?
Mouratoglou: Ich kenne Rudi nun schon seit einigen Jahren, seit er 14 Jahre alt ist. Er hat in der Vergangenheit schon immer wieder mal Zeit in der Academy verbracht und ich habe immer gedacht, dass er ein riesiges Potenzial besitzt. Letzten Winter hat er sich meinem Team angeschlossen, um die Saisonvorbereitung zu machen. Rudi ist ein toller Athlet. Er liebt das Spiel und er hat richtige Waffen. Er ist aber auch ein sehr guter Fighter. Er hat natürlich noch sehr viel Luft nach oben, klettert in der Rangliste aber schon schnell nach oben. Ich glaube an Rudi.
Stefanos Tsitsipas ist einer der absoluten Jungstars der Szene. Sie sind ein Mentor von ihm geworden. Was gefällt Ihnen so sehr an ihm?
Mouratoglou: Stef hat mich von der ersten Minute an, als ich ihn auf YouTube gesehen habe, fasziniert. Damals war er 16. Was mir gleich aufgefallen ist an diesem Tag war sein Ehrgeiz. Er wollte jeden einzelnen Punkt gewinnen und hat nicht einmal auf den Fehler des Gegners gewartet. Im Gegenteil. Er ist ans Netz gestürmt. Er zeigte Mut und Entschlossenheit. Er übernahm Verantwortung für sein Spiel. Seitdem hat er sich unglaublich schnell stark verbessert. Aber wenn man ihn jeden Tag sieht, ist das keine Überraschung. Ich habe hunderte Matches von ihm gesehen und es niemals erlebt, dass er sich hätte hängen lassen. Er ist in der Lage, Matches gegen Spieler zu gewinnen, die in der Theorie besser sind als er. Er weiß genau, was er will. Seit ich ihn kenne, hat er in jedem Jahr gigantische Fortschritte gemacht.
Letzte Frage: Sie gelten als jemand, der im Tennis gerne einige Dinge verändern würde und diese auch offen anspricht. Warum wäre Veränderung aus Ihrer Sicht denn wichtig?
Mouratoglou: Tennis ist ein wundervoller Sport, den ich liebe und dem ich mit großer Leidenschaft verbunden bin. Aber wir müssen alle auch erkennen, dass sich Sport generell in den letzten 20 Jahren stark verändert hat. Tennis muss sich anpassen, um moderner zu werden, um für mehr Leidenschaft bei den Fans zu sorgen und dadurch jüngere Generationen anzuziehen. Grundsätzlich glaube ich, dass alles hilft, was den Fan näher an den Spieler bringt. Wenn der Fan den Spieler besser kennenlernt, ist das gut. Generell On-Court-Coaching zu erlauben, wäre ein toller Schritt in diese Richtung, aber wir sollten auch darüber nachdenken, Verwarnungen abzuschaffen. Die Spieler sollten mehr Freiheiten bekommen, um auszudrücken und mit dem Publikum zu teilen, wie es gerade in ihrer Gefühlswelt auf dem Court aussieht.