Nach 2:18 Stunden verwandelte Kerber vor 5000 Zuschauern im Sports Hub ihren ersten Matchball und zeigte die Siegerfaust. Die Australian-Open- und US-Open-Siegerin legte damit den Grundstein für ihren ersten Halbfinal-Einzug beim mit sieben Millionen Dollar dotierten Saison-Abschlussturnier der besten acht Spielerinnen.
Sie könnte mit einem Triumph im Stadtstaat erneut in die Fußstapfen von Steffi Graf treten, die die inoffizielle WM als einzige Deutsche neben Sylvia Hanika gewann. Bei ihren bisherigen drei Teilnahmen war Kerber allerdings bereits nach der Vorrunde ausgeschieden.
In ihrer Gruppe trifft die 28-Jährige noch auf Simona Halep (Rumänien) und Madison Keys (USA). Halep bezwang am Sonntag Keys klar mit 6:2, 6:4. Kerber gelang es in ihrem 77. Spiel der Saison, den Stress der vergangenen Tage mit unzähligen Interviews und Fotoshootings abzuschütteln.
Cibulkova ergriff die Initiative
"Es waren insgesamt wohl doppelt so viele Termine wie noch vor einem Jahr. Ich mache das gerne, das Anstrengendste ist aber der Zeitaufwand", hatte "Angie" über ihre neuen Pflichten als Branchenführerin gesagt.
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Gegen Cibulkova begann die in Singapur als Spielerin des Jahres gekürte Kerber stark und führte nach einem Break mit 4:2. Doch die Slowakin übernahm danach immer mehr die Initiative.
Zwar gewann die Deutsche den ersten Satz im Tiebreak, aber Cibulkova drängte sie immer weiter in die Defensive und führte im zweiten Durchgang schnell mit 4:0. Im entscheidenden Satz nahm Kerber ihrer Gegnerin das Service zur eigenen 4:2-Führung ab und brachte den ersten Sieg routiniert unter Dach und Fach.
Schulterprobleme sind Geschichte
In den zurückliegenden Tagen hatte Kerber den malerischen Pool auf dem luxuriösen Marina Bay Sands Hotel gar nicht so richtig nutzen können. Stattdessen plauderte sie in diversen Fragerunden über ihr "Traumjahr".
Kerber verriet, dass es ihr physisch nach einer Schwächephase wieder besser geht. "Ich würde sagen", meinte die Linkshänderin, "der Tank ist zu drei Viertel voll. Nach New York war ich schon müde, aber ich fühle mich körperlich wieder fit."
Die Schulter- und Oberschenkelprobleme sind Geschichte. Seit vergangenen Montag ist Kerber bereits in Singapur, Mutter Beata ist auch mit dabei.
"Ich weiß jetzt, wie ich spielen muss"
Ein gutes Omen: Auch beim US-Open-Triumph saß die Mama in der Box. Selbst die Tatsache, dass sich Kerber beim Gala-Dinner in ihren High Heels eine klitzekleine Blase holte, konnte sie nicht stoppen.
Dabei hatte die Kielerin exakt vor zwölf Monaten in Singapur eine ihrer bittersten Stunde erlebt. Lediglich einen Satz hätte Kerber im abschließenden Gruppenmatch gegen die bereits ausgeschiedene Lucie Safarova (Tschechien) holen müssen, um in die Vorschlussrunde einzuziehen. Doch sie verlor völlig verkrampft in zwei Durchängen.
Ein Jahr später sieht die Tennis-Welt von Angelique K. komplett anders aus. "Ich weiß jetzt, wie ich die großen Matches spielen muss. Und ich habe auch das 'Nein sagen' gelernt", betonte Kerber und fügte an: "Als Person bin ich aber die gleiche geblieben."
Die Stuttgart-Siegerin weiß allerdings um die gestiegenen Ansprüche der Fans. "Der Druck ist schon höher, denn jeder erwartet, dass ich jetzt alles gewinne." Bei den bisherigen Turnieren als Nummer eins war sie in Hongkong (Viertelfinale), Peking und Wuhan (jeweils Achtelfinale) vorzeitig ausgeschieden.
Zuvor konnte sich Simona Halep gegen Madison Keys durchsetzen. Die Rumänin gab sich beim 6:2 (6:4)-Sieg in 69 Minuten keine Blöße.
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