1. Novak Djokovic
Noles Vorbereitung auf Wimbledon? Kein Halle, kein Wimbledon, sondern Ibiza! Mit seinen besten Kumpels feierte der Weltranglistenzweite seinen Junggesellenabschied - Gummipuppe und eigener Bikini-Strip inklusive. Der Serbe kommt also gut gelaunt in den All England Lawn Tennis Club.
Djokovic' ungewöhnliche Vorbereitung hat einen entscheidenden Vorteil: Im Gegensatz zu den Kollegen Murray und Nadal, die in Queens beziehungsweise Halle unerwartete Niederlagen hinnehmen mussten, geht der Djoker selbstbewusst in sein zehntes Wimbledon-Turnier. Der Sieger von 2011 musste sich im letzten Jahr nur Andy Murray und den britischen Fans beugen, seit 2010 stand er immer mindestens im Halbfinale.
Bei den French Open hat Djokovic, der in London an eins gesetzt ist, zudem gezeigt, dass er mit Rafael Nadal auch auf seinem Lieblingsbelag zeitweise auf Augenhöhe spielen kann und absolut in Form ist. Ein Rasen-Experte wie Boris Becker als Coach ist sicherlich auch nicht verkehrt. Außerdem: Was wäre denn schöner, als als frischgebackener Wimbledon-Sieger zu heiraten.
2. Roger Federer
Als einziger der Top-Favoriten überzeugte Roger Federer in der Vorbereitung auf sein Lieblings-Grand-Slam. Nach dem überraschenden Achtelfinal-Aus von Roland Garros schnappte sich der Quadruple-Dad seinen siebten Titel bei den Gerry Weber Open. Immerhin vier seiner sieben Triumphe in London ging ein Sieg in Halle voraus.
Zwar waren seine Gegner abgesehen von Kei Nishikori nicht die großen Namen, dennoch scheint Federer rechtzeitig zum Höhepunkt der Rasen-Saison wieder in Form zu sein und peilt selbstbewusst Titel Nummer acht an. In einer ähnlichen Ausgangsposition war er aber bereits im vergangenen Jahr - und scheiterte dann in der zweiten Runde an Sergiy Stakhovsky.
Dennoch hat Federer nicht umsonst sieben Titel auf dem heiligen Rasen von Wimbledon geholt. An vier gesetzt, könnte im Halbfinale ein Duell mit Rafael Nadal warten. Der Weg dahin droht aber schwer zu werden, den Nimbus der Unbesiegbarkeit hat FedEx in Wimbledon schon lange verloren.
3. Rafael Nadal
In Paris demonstrierte der Sapnier erneut seine Macht, viel mehr Sorgen bereitet dem Nadal-Lager aber wohl die Entwicklung in Wimbledon in den letzten zwei Jahren. Wirkte der Weltranglistenerste nach seinen Siegen 2008 und 2010 auch auf dem grünen Belag angekommen, reichte es zuletzt nicht mal für die dritte Runde.
Beim glatten Dreisatz-Aus gegen Steve Darcis im vergangenen Jahr wurden schon Stimmen laut, dass das Knie des 28-Jährigen die Belastung von zwei Grand-Slam-Turnieren binnen weniger Wochen nicht mitmacht. Die schwache Performance in Halle gegen Dustin Brown nährt diese Vermutungen nur weiter.
Nadal allerdings bereits im Voraus abzuschreiben, wäre definitiv falsch. Selbst ein angeschlagener Rafa kann jedem der Top-Spieler nicht nur gefährlich werden, sondern diese auch schlagen. Möglich ist aber, dass das Turnier für ihn bereits vorbei ist, bevor überhaupt ein Duell mit den ganz großen Spielern ansteht.
4. Grigor Dimitrov
Ein Bulgare, der erst ein Rasenturnier gewann, vor Vorjahressieger Andy Murray? Ja - und dass vollkommen zurecht! Denn die Art und Weise, wie sicher und souverän sich Dimitrov durch das Feld von Queens zum Sieg spielte, war absolut beeindruckend. Stan Wawrinka wurde vom 23-Jährigen im Halbfinale vollkommen auseinander genommen, nicht wenige halten den Weltranglisten-13. für einen kommenden Superstar.
Mit seiner starken Rückhand-Longline und seinen kraftvollen Schlägen dominiert er bisher vor allem auf Rasen und Hartplatz, mit seinem Sieg in Bukarest überzeugte der Freund von Maria Sharapova in diesem Jahr aber erstmals auch auf Sand. Auch wenn in Roland Garros bereits in der ersten Runde Schluss war.
Dimitrov ist in Wimbledon nur an elf gesetzt, könnte also bereits schon früh zu einem Stolperstein für einen der großen Favoriten werden. Niemand sollte daher überrascht sein, wenn der Bulgare bis weit in die zweite Woche hinein in Wimbledon aufschlägt.
5. Andy Murray
Kein Spieler wird von der ersten Runde an so genau beobachtet wie Andy Murray, der Mount Murray vor dem Centre Court wird wie in den letzten Jahren wieder brechend voll sein.
Die überraschende Niederlage in Queens gegen Radek Stepanek, wo Murray vor seinem Triumph im vergangenen Jahr ebenfalls den Titel abräumte, wirft allerdings einige Fragen auf. Ist der Titelverteidiger vielleicht satt? Der Ehrgeiz scheint nach dem Erreichen des ganz großen Ziels etwas nachgelassen zu haben.
Zudem ist die im Herrentennis fast schon revolutionäre Zusammenarbeit mit Amelie Mauresmo sicherlich noch zu kurz, um schon erste Verbesserungen im Spiel des Schotten erkennen zu können. Genug Aufmerksamkeit dürfte dem Duo in London aber trotzdem zuteil werden.
Dark Horse: Kenny De Schepper
Der Franzose ist wohl der Rasen-Spezialist schlechthin! EIN einziges Match gewann de Schepper bei einem Grand-Slam-Turnier, dass nicht im All England Lawn Tennis Club stattfand - das war 2011 bei den French Open. Schlägt die ATP ihre Zelte in Wimbledon auf, schlägt die Stunde des Weltranglisten-67.
Im letzten Jahr spielte sich der Linkshänder bis ins Achtelfinale vor, schaltete auf dem Weg dahin Juan Monaco und Marcos Baghdatis aus. Das Spiel des Franzosen ist wie gemacht für den Rasen von Wimbledon: Ein Highspeed-Aufschlag und ein ordentliches Spiel am Netz machen ihn für jeden Gegner gefährlich. Zuletzt schaltete er in Queens French-Open-Halbfinalist Ernests Gulbis aus.
Ansonsten kommen in Wimbledon die Aufschlagsmonster wieder aus ihren Höhlen, am aussichtsreichsten sind noch die Chancen von Milos Raonic, John Isner und Jerzy Janowicz. Aber auch für Ivo Karlovic könnte in London wieder einiges drin sein, der Kroate stand immerhin schon mal im Viertelfinale.
Die Chancen der DTB-Herren
Für Tommy Haas deutete sich in Halle bereits an, was jetzt bittere Realität ist: Die Saison ist für den 36-Jährigen aufgrund einer Schulterverletzung vorzeitig beendet. Dafür spielten sich in Halle einige andere Deutsche in den Vordergrund.
Allen voran Dustin Brown, der mit seinem Sieg über Rafael Nadal für Furore sorgte und mit seinem spektakulären Serve-and-Volley-Spiel auch in Wimbledon die Fans auf seiner Seite haben dürfte. Mehr Risiko als der Deutsch-Jamaikaner geht kaum ein Spieler auf der Tour. Dementsprechend ist nach oben und nach unten einiges drin.
Auch Philipp Kohlschreiber dürfte sich nach dem Einzug ins Viertelfinale 2012 wieder eine Menge Hoffnung auf gute Auftritte machen, seine Niederlage gegen Alejandro Falla im Halbfinale in Halle dürfte die eigenen Erwartungen aber um einiges gedämpft haben.
Jan-Lennard Struff musste seine Erwartungen nach dem ernüchternden Erstrunden-Aus in Halle ebenfalls nach unten korrigieren, dennoch könnte er ähnlich wie in Paris ein oder zwei starke Partien abliefern. Auf Tobias Kamke und Benjamin Becker dürfte indes ein frühes Aus warten, trotz der starken Leistung Beckers in 's-Hertogenbosch.