Nach seinem 28. Platz beim Tagessieg von Alex Howes (USA) auf der 125,5 km langen Schlussetappe und dem 34. Rang im Endklassement mit 23:20 Minuten Rückstand auf Gesamtsieger Tejay Van Garderen (USA) standen die Kollegen zur Verabschiedung des Veterans geradezu Schlange.
Am Ende flogen Jens Voigt noch einmal alle Herzen zu. Nach 18 Jahren Profiradsport, 17 Teilnahmen an der Tour de France, unzähligen Kilometern als nimmermüder Ausreißer und als Zeitzeuge der düsteren Doping-Ära hat sich der Altmeister verabschiedet - ein letztes Mal durfte er sich vom Publikum feiern lassen.
Bei der USA Pro Challenge in Colorado setzte der fast 43-Jährige den Schlusspunkt hinter eine Laufbahn, die ihn auch in den Vereinigten Staaten zu einem der populärsten Fahrer im Peloton gemacht hat.
Die Leiden überstanden
Keine Qualen mehr, keine halsbrecherischen Abfahrten. Voigt hat es überstanden und empfindet keine Wehmut.
"Ich sehe nur die positiven Aspekte", sagte er lächelnd und bekräftigte seinen Entschluss: "Mein Körper hätte vielleicht noch ein Jahr durchgehalten, aber ich hätte nicht mehr auf diesem Niveau fahren können."
Die Anzeichen waren bereits vor und während seiner abschließenden Frankreich-Rundfahrt überdeutlich, bei der er zu den Rekordteilnehmern Stuart O'Grady (Australien) und George Hincapie (USA) aufschloss, die im Gegensatz zu ihm als Dopingsünder entlarvt wurden.
"Kopf und Körper sagen: wir halten dieses Jahr noch zusammen. Ich merke, dass ich ans Limit komme. Irgendwann bemitleiden dich die Zuschauer, das möchte ich nicht erleben", hatte Voigt erklärt. Beim Sechstagerennen in Berlin (22. bis 27. Januar) will er sich dann auch von den deutschen Fans verabschieden.
"Ein langer, großartiger Urlaub"
Sein Rad, das wird erst einmal im Keller verschwinden, "bis Spinnweben dran sind", wie Voigt scherzte.
Allein seine Renntage bei der Tour de France summieren sich auf fast ein ganzes Jahr, insgesamt kam er auf über 20 Erdumrundungen in Training und Wettkampf.Verzichtet hat der gebürtige Mecklenburger dabei auf vieles, auch damit ist es vorbei. "Jetzt werde ich erst einmal einen langen, großartigen Urlaub machen", sagte Voigt, der als sechsfacher Familienvater nun auch endlich Zeit für die Familie hat.
Letzer Ausreißer-Versuch
In seinem letzten Wettkampf schlüpfte der Wahl-Berliner noch einmal in seine Paraderolle und war Teil einer größeren Fluchtgruppe.
Der Etappensieg war ihm dann in Denver zwar nicht vergönnt, der Abschied dennoch ganz nach Wunsch. "Ich wollte noch ein letztes Mal gehen und bis zum letzten Augenblick Profi sein", sagte Voigt.
Früher hätte die Konkurrenz wohl das Nachsehen gehabt, so wie bei seinen zwei Tour-Etappenerfolgen (2001 und 2006) oder dem Tagessieg beim Giro d'Italia (2008).
Voigts Triumphe waren immer spektakulär, gekennzeichnet von Aufopferung und Risikofreude - auch das brachte dem zweimaligen Träger des Gelben Trikots bei der Tour seine enorme Popularität.
Buch, Sportlicher Leiter, TV-Experte
Nicht nur die Fans, auch die Kollegen werden ihn vermissen. "Er war ein toller Lehrmeister. Ohne ihn wird es ruhiger im Feld, er hat den Mund nie still gehalten", sagte etwa Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin.
Im neuen Lebensabschnitt will der Radsport-Rentner sich nun erstmal ein wenig ausprobieren. "Ich habe mit neun Jahren angefangen", sagte Voigt, dessen ersten Verein die BSG Traktor Dassow gewesen war: "Ich war ein Drittel eines Jahrhunderts Radfahrer. Das ist schon ein großer Schnitt in meinem Leben."
Er arbeitet an einem Buchprojekt, wird seinem Team Trek in neuer Funktion treu bleiben, möchte die Lizenz zum Sportlichen Leiter erwerben und könnte bei der Großen Schleife als TV-Experte vor Ort sein.
Seine größte Sorge ist aber eine andere: "Ab sofort werde ich nur noch älter und dicker."