Die deutschen Läufer, Springer und Werfer sind heiß auf die EM in Zürich (12. bis 17. August). Obwohl einige Stars wie Stabhochsprung-Weltmeister Raphael Holzdeppe, Speerwurf-Königin Christina Obergföll oder Prothesen-Springer Markus Rehm im legendären Letzigrund fehlen werden, sind die Aussichten für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) bestens.
"Wir sind in der Breite so gut aufgestellt wie seit Jahren nicht mehr, der Trend der Vorwärtsbewegung hat sich in dieser Saison fortgesetzt. Auch im Laufbereich haben wir aufstrebende Talente, die ins Rampenlicht drängen", sagte DLV-Präsident Clemens Prokop dem "SID" und hofft für Zürich auf ordentlich Edelmetall.
"Wir wollen unter den Top Drei des Medaillenspiegels landen, und ich denke, wir können guter Dinge sein." Vor zwei Jahren in Helsinki holten die DLV-Athleten sechsmal Gold und insgesamt 16 Medaillen. Bei einer optimistischen Schätzung sind in Zürich sogar bis zu 20 Medaillen drin.
Harting und Storl gehen voran
Für die Highlights sollen wieder einmal die starken Männer Harting und Storl sorgen. "Ich halte international alle drei Titel, und ich habe sicher nicht vor, einen davon abzugeben", sagte ein nimmersatter Olympiasieger, Welt- und Europameister Harting. In Zürich kann der King im Ring aus Berlin die fünfte große Meisterschaft in Serie gewinnen - zumindest im Diskuswurf eine einzigartige Leistung. Doch sein Dauerrivale Piotr Malachowski aus Polen, mit 69,28 m vor Harting (68,47) Jahresweltbester, will ihm einen Strich durch die Rechnung machen.
Wie Harting hat auch Storl zuletzt in Kienbaum an der Form gefeilt. Der Weltmeister und Titelverteidiger aus Chemnitz kann sich eigentlich nur selbst schlagen, führt mit über einem halben Meter Vorsprung die europäische Bestenliste an. Doch Storl hat neben Gold noch ein weiteres Ziel ausgegeben: Den ersten 22-Meter-Stoß seiner Karriere - auch wenn zuletzt etwas der Rücken zwickte. "Wenn ich in Zürich 22 Meter stoße, ist mir der Platz fast egal", sagte der Sachse mit einem Augenzwinkern. Auch für seine Disziplinkollegin und Vize-Weltmeisterin Christina Schwanitz (LV Erzgebirge) zählt nur Gold.
Newcomer wollen sich zeigen
Im Schatten der Etablierten wollen sich zahlreiche Newcomer auf der ganz großen Bühne profilieren - allen voran Reus. Der schnelle Mann aus Wattenscheid knackte zuletzt mit 10,05 Sekunden über 100 m den deutschen Uraltrekord von Frank Emmelmann (10,06/1985). "9,99 sind machbar. Meine Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen", kündigte Reus im Spiegel an.
Auch die Auftritte der erst 20 Jahre alte Weitspringerin Malaika Mihambo, die zuletzt mit 6,90 m für Aufsehen sorgte, Diskuswerferin Shanice Craft (Mannheim), 1500-m-Läufer Homiyu Tesfaye (beide 21, Frankfurt) und Zehnkämpfer Kai Kazmirek (23, LG Rhein Wied) werden mit Spannung erwartet.
Der Altersdurchschnitt der "DLV-Rasselbande" beträgt nur 25,2 Jahre. "Dies ist das jüngste DLV-Team seit 1990 bei einer EM", sagte Sportdirektor Thomas Kurschilgen: "Eine Medaillen-Vorgabe gibt es nicht." Stattdessen soll die Mannschaft mit Mut, Leidenschaft und Entschlossenheit in die Wettbewerbe gehen". In Abwesenheit der starken US-Amerikaner und Afrikaner sollen die Talente vor allem Erfahrungen sammeln.
Insgesamt werden bei der EM rund 1400 Athleten in 47 Entscheidungen um Gold, Silber und Bronze kämpfen. Der DLV stellt mit 92 Athleten die größte deutsche Mannschaft seit 1998 - trotz der Ausfälle von so prominenten Athleten wie Holzdeppe (verletzt), Obergföll (Baby-Pause) oder Rehm. Der unterschenkelamputierte Weitspringer wurde wegen möglicher Vorteile durch seine Prothese nicht nominiert.