Als Überraschungs-Sieger Meb Keflezighi im Ziel weinend den Boden küsste, wedelten die Zuschauer im leidgeprüften Boston begeistert mit ihren USA-Fähnchen. Mit dem ersten Sieg eines Amerikaners seit 31 Jahren sorgte der 38-Jährige am Ostermontag beim ältesten Stadtmarathon der Welt für den den Höhepunkt eines emotionalen Tages, der ganz im Zeichen der Bomben-Anschläge mit drei Toten vor einem Jahr stand.
"Wahnsinn, einfach nur Wahnsinn", stammelte Keflezighi und bekreuzigte sich immer wieder: "Es war immer mein Traum, hier ganz oben zu stehen und den Menschen eine Freude zu machen, so wie es die Red Sox getan haben." Das Baseball-Team aus Boston hatte im Oktober 2013 ebenfalls unerwartet die US-Meisterschaft gewonnen.
Der in Eritrea geborene Keflezighi hielt nach 42,195 Kilometern und 2:08:37 Stunden den Kenianer Wilson Chebet elf Sekunden auf Distanz und trat in die Fußstapfen von Greg Meyer, der 1983 als bislang letzter Amerikaner in Boston gewonnen hatte.
Im Ziel weinte Keflezighi Tränen der Freude in sein weißes Handtuch, seinen Namen hatte vor dem Start kaum jemand auf der Rechnung. Zwar hatte der Außenseiter 2009 beim New York Marathon triumphiert, doch einen Coup mit persönlicher Bestzeit hatte niemand erwartet.
Streckenrekord bei den Frauen
Bei den Frauen gewann Rita Jeptoo (Kenia) in der Streckenrekordzeit von 2:18:57 Stunden zum dritten Mal in Boston, wo die Präsenz unzähliger Sicherheitskräfte an die Vorfälle vor fast genau einem Jahr erinnerte.
Die Topfavoritin unterbot dabei die zwölf Jahre alte Bestmarke ihrer Landsfrau Margaret Okayo (2:20:43) deutlich. Zweite wurde Buzunesh Deba aus Äthiopien.
Schweigeminute für die Opfer
Schon vor dem Start hatten die fast 36.000 Teilnehmer aus der ganzen Welt den Opfern der Anschläge mit einer Schweigeminute gedacht.
"Wir wollen zeigen, dass unser Geist unerschütterlich und stark ist. Heute stehen doppelt so viele Zuschauer wie zuletzt an der Strecke - und sie werden doppelt so laut sein", sagte der 67 Jahre alte Amby Burfoot, der 1968 in Boston gewonnen hatte und sein Rennen vor einem Jahr wegen der Attacken nicht hatte beenden können.
Fast ein Rekord-Telnehmerfeld
Die Szenerie war perfekt: Blauer Himmel, Sonnenschein und kühle Temperaturen begrüßten die Läuferinnen und Läufer am Morgen beim Start in Hopkinton.
Die Zahl der Teilnehmer war im Vergleich zum Vorjahr noch einmal um 9000 gestiegen. Zum Rekord aus dem Jahr 1996, als zur 100-Jahr-Feier des Rennens sogar 38.708 Sportler an den Start gingen, reichte es jedoch nicht ganz.
Deutlich höher als gewohnt war auch die Zahl der Sicherheitsvorkehrungen. 3500 Polizisten waren rund um die Strecke im Einsatz, Rucksäcke waren für Zuschauer und Athleten verboten.
"Es war dennoch wichtig, dass wir eine Balance zwischen stärkeren Sicherheitsmaßnahmen und der Natur des Marathons als familienfreundliches Event finden", sagte Devon Patrick, Gouverneur des Bundestaats Massachusetts.
Attentäter wartet auf Prozess
Am 15. April 2013 waren im Zielbereich zwei Bomben explodiert - drei Menschen starben, 264 wurden zum Teil schwer verletzt.
Der einzige überlebende Attentäter der Anschläge wartet weiter in einem Bundesgefängnis in Massachusetts auf seinen Prozess, der am 3. November beginnen soll. Die Staatsanwaltschaft hat bereits angekündigt, die Todesstrafe fordern zu wollen.
Ob der Angeklagte tatsächlich zum Tode verurteilt wird, ist jedoch fraglich. Massachusetts liegt im eher liberalen Nordosten der USA. Umfragen zufolge hält eine Mehrheit in dem Bundesstaat eine lebenslange Haftstrafe für angemessen.