Herr Kurz, am Mittwochabend feiern Sie im Ally Pally Ihr WM-Debüt. Was macht es mit Ihnen, wenn Sie daran denken?
Nico Kurz: Noch macht es nicht so viel mit mir. (lacht) Noch ist alles relativ entspannt. Ich habe in den vergangenen Wochen auch noch ganz normal gearbeitet. Ich gehe davon aus, dass das Kribbeln erst so richtig kommen wird, wenn ich einen Tag vorher im Ally Pally bin und die Atmosphäre spüren werde. Dann wird die Gänsehaut kommen, da bin ich sicher. In erster Linie freue ich mich einfach tierisch darauf. Es wird eine große Darts-Party - und ich bin mittendrin. Was will ich mehr?
Sie bekommen es mit James Wilson zu tun. Was sagen Sie zu Ihrem Los?
Kurz: James Wilson ist ein extrem erfahrener Gegner, der seit über 20 Jahren auf der Tour dabei ist. Für mich ist es aber vor allem wichtig, auf mich zu schauen. Wenn ich einen guten Tag erwische und meine Leistung abrufen kann, ist bestimmt etwas drin.
Wenn wir uns Ihre persönliche Darts-Geschichte näher anschauen, müssen wir zuerst über Ihre Eltern sprechen. Ihnen wurde das Talent praktisch in die Wiege gelegt.
Kurz: Das stimmt. Meine Eltern waren und sind sehr gute E-Dartspieler, die im E-Dart auch vieles erreicht haben. Sie waren von Las Vegas bis Shanghai auch international auf vielen Turnieren unterwegs, Darts war eigentlich immer ein großes Thema in der Familie.
Nico Kurz: "Darts hat mich lange nicht wirklich interessiert, ich wollte immer nur raus und kicken"
Nur für Sie irgendwie nicht von Beginn an.
Kurz: Meine Leidenschaft war der Fußball. Darts hat mich lange nicht wirklich interessiert, ich wollte immer nur raus und kicken. Ich bin heute noch ein großer Eintracht-Fan und gehe so oft es geht zu den Heimspielen, Sebastian Rode ist mein Lieblingsspieler, mir gefällt seine Aggressivität. Ich bin sogar noch gemeldet beim FC Karben in der Kreisliga, ab und zu schaffe ich es noch, zum Training zu gehen. Fußball war immer mein Ding und meine Eltern haben mich auch machen lassen. Wir hatten in unserer Wohnung einen eigenen Darts-Raum, aber ich war da selten drin.
Wann hat sich das geändert?
Kurz: Vor fünf Jahren etwa habe ich mal mit meinen Eltern im Fernsehen ein Darts-Turnier angeschaut. Immer in den Pausen bin ich in den Darts-Raum gegangen und habe ein paar Pfeile geworfen. Ich weiß auch nicht, aber plötzlich hat sich alles geändert. Plötzlich habe ich gemerkt, dass Darts mir ja doch Spaß macht und es sogar ganz gut funktioniert. Es hat sich irgendwie gut angefühlt. Also bin ich drangeblieben und habe erstmal im Umkreis kleinere E-Dart-Turniere gespielt. Der Erfolg hat sich relativ früh eingestellt und ich bin ständig besser geworden. Vor allem konstanter.
Was würden Sie denn sagen, was für Sie heute die Faszination Darts ausmacht?
Kurz: Mich fasziniert es, wie du im Mentalsport Darts die Ruhe haben musst, um die wichtigen Doppel zu treffen, wenn gleichzeitig hinter dir die Fans komplett ausrasten. Aber das ist in dem Moment alles egal. Du hast drei Pfeile und die bestimmen alles - das hat einen großen Reiz.
Ihre ersten großen Auftritte auf großer Bühne hatten Sie bei den World-Series-Events auf Schalke und dann dieses Jahr in Köln, als Sie Gary Anderson schlugen und auch gegen Peter Wright ein famoses Match spielten.
Kurz: Das Match gegen Jamie Lewis auf Schalke, das ich knapp verlor, war schon der Wahnsinn. Ich war stolz darauf, wie gut ich mich verkaufen konnte. Aber dann gegen Gary Anderson zu gewinnen ... das war unbeschreiblich, der Hammer. Es hat mir auch einen riesigen Kick gegeben und mich noch mehr motiviert, weiter hart zu arbeiten, um solche Matches vielleicht eines Tages öfter spielen zu können. Aktuell arbeite ich noch ganz normal als Industriemechaniker bei den Stadtwerken Hanau und trainiere abends ein bis zwei Stunden.
Nico Kurz: "Meine größte Stärke ist meine Lockerheit"
Gabriel Clemens ist seit diesem Jahr Profi und rückt immer näher an die Weltspitze heran. Ist er ein Vorbild?
Kurz: Gaga ist auf jeden Fall ein sehr gutes Beispiel, wie es funktionieren kann. Natürlich mache ich mir auch meine Gedanken, irgendwann den Schritt zum Profi zu machen, aber so eine Entscheidung hat weitreichende Folgen und muss gut überlegt sein. Im Moment käme das bei mir noch einen Schritt zu früh. Ich will erst mal weiter Erfahrungen sammeln und mich weiterentwickeln.
Wo müssen Sie sich denn noch am meisten weiterentwickeln?
Kurz: Grundsätzlich in allen Belangen. Wenn ich mir mein Spiel anschaue, würde ich mich sicher als Scorer-Typ beschreiben. Meine Averages sind in den vergangenen Jahren immer nach oben gegangen, aber da ist sicherlich noch mehr drin. Und wie wichtig eine gute Doppel-Quote ist, weiß jeder. Daran muss ich sicher auch noch arbeiten.
Was würden Sie abgesehen vom Scoring als Ihre größte Stärke bezeichnen?
Kurz: Meine größte Stärke ist meine Lockerheit. Ich lasse eigentlich nicht so viel an mich herankommen, das hilft mir auf der Bühne. Ich weiß auch nicht genau, woher ich diese Lockerheit habe, aber ich will es auch gar nicht hinterfragen, sonst verliere ich sie am Ende noch. (lacht)
Bei der WM stehen freilich die großen Stars im Mittelpunkt. Raymond van Barneveld hat sein letztes Turnier gespielt und Michael van Gerwen ist natürlich der Topfavorit. Was sagen Sie zu den beiden?
Kurz: Barney ist mein Lieblingsspieler. Die Ruhe und Ausstrahlung, die er auf der Bühne verkörpert, haben mich immer beeindruckt. Ich habe immer besonders mit ihm mitgefiebert vor dem Fernseher. Einmal gegen Barney antreten zu dürfen, wäre ein Traum-Match für mich.
Nico Kurz über seinen Tick und den fehlenden Spitznamen
Und MvG?
Kurz: Was soll man zu van Gerwen noch groß sagen? Er ist einzigartig, niemand hat so eine Ausstrahlung wie er. Es gibt aktuell keinen Besseren. Was van Gerwen spielt, ist einfach nur krank.
Van Gerwen zieht sich auf der Bühne mal die Socken hoch, wenn es nötig ist. Was ist Ihr Tick?
Kurz: Ich muss eine Uhr am linken Handgelenk tragen, sonst kann ich nicht spielen. Irgendwann hatte ich bei einem Turnier mal meine Uhr vergessen und es fühlte sich ganz komisch an. Seitdem ist das ein kleiner Tick von mir.
Was Ihnen noch fehlt, ist ein Spitzname. Gab es noch keine gute Idee?
Kurz: Nein, irgendwie nicht. Darts lebt zwar auch von den besonderen Spitznamen, aber warum nicht mal anders sein als alle anderen? Bis jetzt hat es sich nicht ergeben und mir fehlt es persönlich auch nicht. Aber vielleicht fällt jemandem eines Tages ein guter Spitzname ein, ich bin offen für Vorschläge.
Max Hopp ist bei der WM gesetzt, Gabriel Clemens hat sich auch einen Namen gemacht, Sie rücken von unten nach. Wie bewerten Sie denn generell die Entwicklung von Darts in Deutschland?
Kurz: Das Niveau ist in den vergangenen Jahren unglaublich gestiegen. Es kommen extrem viele gute junge Spieler nach. Es kommt immer wieder vor, dass ich bei Turnieren Jungs sehe, die ich vorher noch nie gesehen habe, und dann spielen die Bomben-Darts. Da bin ich immer wieder geflasht. Das hätte es früher nicht in der Form gegeben, aber wir Jungen sehen natürlich, was Max oder Gaga machen. Es pusht uns, wir wollen auch dort oben angreifen. Wir erleben gerade einen kleinen Darts-Boom, das ist deutlich zu sehen. Und das macht natürlich Lust auf die Zukunft.