Die Zuschauer im MGM Grand bekamen beim Kampf zwischen Abraham und Ramirez ein äußerst einseitiges Duell zu sehen. Während der mexikanische Herausforderer vom ersten Gong an Druck auf den Weltmeister aus Deutschland ausübte, agierte dieser deutlich zu passiv. Zwar hielt die Doppeldeckung Abrahams über weite Strecken des Kampfes, eigene Aktionen brachte der Titelverteidiger allerdings im Gegenzug gegen einen beweglichen Kontrahenten kaum ins Ziel.
Das Duell zwischen Abraham und Ramirez im RE-LIVE
Stattdessen war ein lethargischer Abraham mit zunehmender Kampfdauer deutlich von den Treffern seines Gegners, der vor allem auf seine physischen Vorteile in Sachen Größe und Reichweite setzte und zudem eine sehr gute Beinarbeit zeigte, gezeichnet. Zwar marschierte der Champion, der sich ab der Mitte des Kampfes die Ringmitte sichern konnte, stets nach vorne. Ramirez zeigte sich jedoch unbeeindruckt und kontrollierte das Geschehen mit der eigenen Führhand sowie schier unzähligen harten Schlägen auf oder durch die Deckung Abrahams.
Coach Wegner deutet Trennung an
Da zudem die bekannten Weckrufe von Coach Ulli Wegner letztlich ohne Wirkung blieben, fiel das Urteil nach zwölf Runden klar zu Gunsten des Herausforderers und neuen Weltmeisters Ramirez aus. Auf sämtlichen Scorecards (jeweils 120:108) konnte Abraham nicht eine Runde gewinnen. Der 24-jährige Ramirez, der immer eine Antwort auf die Bemühungen seines Gegenübers hatte, schrieb mit seinem Sieg in Las Vegas zudem Geschichte, da er sich als erster mexikanischer Boxer einen WM-Titel im Supermittelgewicht sichern konnte.
Bradley chancenlos: Pacquiao verabschiedet sich mit Sieg
Bereits im Vorfeld des Co-Main-Events zwischen Abraham und Ramirez konnte sich Leon Bauer (8-0-0) aus Hatzenbühl den achten Erfolg seiner Profi-Karriere sichern. Der 17-jährige Supermittelgewichtler setzte sich bei seinem ersten Kampf außerhalb Deutschlands gegen Ilshat Khusnulgatin (12-2-0) durch und bleibt weiterhin ungeschlagen. Die Entscheidung im Aufeinandertreffen mit dem Russen fiel durch ein einstimmiges Urteil der drei Punktrichter.
Die Reaktionen:
Arthur Abraham: "Ich bin kein Verlierer, aber heute hat es einfach nicht geklappt. Ich werde noch härter trainieren, so kann ich nicht abtreten. Ich werde zurückkommen."
Gilberto Ramirez: "Ich habe ihm die mexikanische Schule gezeigt. Er hat hart geschlagen, aber er kam nicht mit meinen Bewegungen zurecht. Ich wusste ab der Mitte des Kampfes, dass ich den Ring als Sieger verlassen werde. Ich bin angetreten, um Geschichte zu schreiben - und ich habe es geschafft."
SPOX-Scoreboard | 1. | 2. | 3. | 4. | 5. | 6. | 7. | 8. | 9. | 10. | 11. | 12. | Score |
Abraham (GER) | 9 | 9 | 9 | 10 | 9 | 10 | 9 | 9 | 9 | 9 | 9 | 9 | 110 |
Ramirez (MEX) | 10 | 10 | 10 | 9 | 10 | 9 | 10 | 10 | 10 | 10 | 10 | 10 | 118 |
Die Wertung der Punktrichter:
Adalaide Byrd (USA): 108:120 Ramirez
Glenn Feldman (USA): 108:120 Ramirez
Glenn Trowbridge (USA): 108:120 Ramirez
Der Ringrichter: Kenny Bayless. Der erfahrene US-Amerikaner aus Nevada, der als der aktuell wohl beste Ringrichter im gesamten Boxsport gilt, zeigte eine ruhige und überlegte Leitung des Kampfes. Bayless behielt stets die Übersicht, agierte gewohnt fair aber dennoch konsequent - ohne sich dabei selbst in den Fokus zu drängen.
Der Schlag des Kampfes: Ramirez Führhand. Der Mexikaner zeigte eine extrem hohe Workrate. Jeder Schlag Abrahams wurde von Ramirez mit mehreren schnellen Händen gekontert. Die Konstante, mit der der neue Weltmeister den Kampf kontrollierte und Abraham so in Schach hielt, war dennoch der Jab. Direkte Treffer waren zwar selten, die nachfolgenden Kombinationen waren jedoch das logische Resultat der Arbeit mit der Führhand.
Das fiel auf:
- Die Kulisse der MGM Grand Garden Arena war nicht zuletzt aufgrund des Main-Events des Abends zwischen Manny Pacquiao und Timothy Bradley Jr. einmal mehr beeindruckend. In Sachen Sympathie der Fans hatte erwartungsgemäß Ramirez gegenüber dem Weltmeister aus Deutschland klar die Nase vorn.
- Auf der Waage herrschte beim offiziellen Wiegen mit jeweils 76,2 Kilogramm zwar Gleichstand. Die unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen wurden jedoch vom ersten Gong an mehr als deutlich. Der Herausforderer aus Mexiko konnte nicht nur auf ein Plus von 14 Zentimetern bei der Körpergröße bauen, sondern auch auf einen Reichweitenvorteil von acht Zentimetern.
- Um den Nachteil in Sachen Größe bestmöglich zu negieren, sollte Abraham, der es erneut deutlich zu ruhig angehen ließ, laut Coach Wegner früh Druck auf Ramirez ausüben und zudem von seiner deutlich größeren Erfahrung zu profitieren. Während der Titelverteidiger in seiner Karriere 22 Mal um eine Weltmeisterschaft boxte, war das Duell in Las Vegas für Ramirez die WM-Premiere.
- Viel war davon jedoch nicht zu sehen. Während der Mexikaner erwartungsgemäß von außen agierte und eine Hand nach der anderen einschlagen ließ, setzte der Titelverteidiger auf die bekannte Doppeldeckung. Aus einer soliden Defensivarbeit heraus versuchte Abraham zwar mit gezielten Nadelstichen Ramirez zu beeindrucken, war aber mitunter zu offen für Konter des Herausforderers, der vor Selbstvertrauen strotzte.
- Dass Ramirez mächtig Dampf hinter seinen Fäusten hat, zeigte nicht nur eine Knockout-Quote von 24 vorzeitigen Siegen in 33 Kämpfen, sondern auch eine Rechte, die Abraham als Konter in Runde zwei ins Wanken brachte. Auf einen Knockout setzte der Rechtsausleger gegen einen früh gezeichneten Weltmeister allerdings nicht, sondern konzentrierte sich auch nach Treffern auf seinen klaren Plan sowie seine starke Beinarbeit.
- Der Respekt Abrahams schien aufgrund der Workrate sowie der Härte der Schläge seines Gegenübers von Runde zu Runde zu wachsen. Eigene Hände, die Ramirez in dessen Aktionen hätten einschränken können, bekamen die Fans des 36-Jährigen, der nie die richtige Distanz finden konnte, kaum zu sehen. Von der Extra-Power, die das Höhentrainingslager in Bulgarien liefern sollte, war ebenfalls nichts zu sehen.
- Mit zunehmender Kampfdauer sicherte sich Abraham die Mitte des Rings und marschierte auf einen tänzelnden Mexikaner, der stets deutlich agiler wirkte, zu. Zwingende Aktionen resultierten aus diesem Vorwärtsdrang dennoch deutlich zu selten. Stattdessen kontrollierte Ramirez im Rückwärtsgang mit dem eigenen Jab den Abstand und ließ den Weltmeister stellenweise wie einen Lehrling aussehen.
- Da Ramirez, der zuvor noch nie über die zehnte Runde hinaus boxen musste, auch in den letzten Minuten des Kampfes die Ruhe behielt und konditionell ebenfalls nicht einbrach, wuchs die Verzweiflung bei Abraham, dessen Augen erheblich geschwollen waren, von Gong zu Gong. Das Urteil fiel mit drei 120:108-Wertungen aus Sicht des Titelverteidigers völlig korrekt mehr als katastrophal aus.