Sie wurden zum Gentleman, zum Sir, und nach dem Sieg gegen Charles Williams 1993 Weltmeister. War der Titelgewinn die finale Bestätigung?
Maske: Ja, so kann man es ausdrücken. Aus zwei Gründen: Für mich persönlich natürlich, weil es das Ende einer langen Reise war. Über die Jahre habe ich viele Amateure gesehen, die den Sprung zu den Profis gut gemeistert und sich zum Champion gekürt hatten. Ich war überzeugt davon, dass ich genauso erfolgreich sein kann. Und zweitens war es die Bestätigung, dass Boxen in Deutschland doch funktionieren kann. In den Monaten vor dem WM-Kampf waren viele der Meinung: Maske, der ist doch nur eine Eintagsfliege! Der schafft das sowieso nicht. Aber dadurch steigerte sich automatisch das Interesse, weil jeder eben wissen wollte, ob ich nicht doch den Titel hole. Die Neugier hat gesiegt - und am Ende hatte jeder, was er wollte. Deutschland seinen Weltmeister, ich war am Ziel meiner Träume und RTL mit 3,6 Millionen Zuschauern endgültig den Beweis, dass man weiter auf Boxen setzen sollte.
Der Titelgewinn machte aus Ihnen das Aushängeschild im deutschen Boxen - und zwar ohne dass Sie großartig durch Trash Talk oder vergleichbare Sperenzien polarisiert hätten. Eine bewusste Entscheidung?
Maske: Ich wollte die Antwort immer im Ring geben. Ich war kein Langweiler, sondern einfach ein Kopfmensch. Im Sport oder in der Wirtschaft, wo Kontrolle notwendig ist, wird es meiner Meinung nach immer besser sein, dem Kopf die Entscheidungen zu überlassen. Das soll aber nicht bedeuten, dass man das Herz vergessen sollte. Aber es gibt für beides die richtigen Momente.
Diese Herangehensweise zogen Sie gnadenlos durch - mit einer Ausnahme: das erste Duell mit Graciano Rocchigiani. Was lief damals falsch?
Maske: Er stand hinter seiner Deckung, deswegen bin ich in die Offensive gegangen, weil ich irgendwas machen wollte, und hätte fast dafür bezahlt.
Sie haben den Kampf nach Punkten gewonnen. Zu Recht?
Maske: Ja, und damit stehe ich nicht alleine da. Die Geschichte dieses Kampfes kann man auf zwei unterschiedlichen Arten erzählen. Auf der einen Seite diejenigen, die sagen, dass Graciano hätte gewinnen müssen. Auf der anderen Seite aber auch viele Leute, die es honorierten, wie ich mich trotz großer Probleme durchgequält habe und in der Schlussphase sogar einen möglichen K.o. in Kauf genommen habe. Das ist typisch für den Boxsport: Irgendwann ist man reif genug, um gepflückt zu werden. Und an diesem Abend war ich eigentlich reif genug, glücklicherweise hatte Graciano am Ende auch keine Kraft mehr für den entscheidenden Treffer.
Mal abgesehen vom Kampf gegen Rocky standen Sie immer für einen defensiven Boxstil. Trotzdem fieberten bis zu 18 Millionen Zuschauer an den TV-Geräten mit. Von solchen Quoten kann man heutzutage nur noch träumen. Geht es vielen Fans nur noch um krachende K.o.-Schläge?
Maske: Ach, das war früher auch schon so. Mir wurde häufig gesagt, ich solle offensiver kämpfen und den Fans mehr Spektakel bieten. Aber warum? Die Quoten haben eine eindeutige Sprache gesprochen, ich konnte die Zuschauer auf meine Art elektrisieren. Bei mir war es so: Den einen hat mein Stil gefallen. Und die anderen wollten sehen, wie der Maske endlich geschlagen wird. Am Ende hat das vor allem RTL geholfen.
Selbst bei Ihrem Comeback-Kampf 2007 gegen Virgil Hill sahen noch mal 15,99 Millionen Zuschauer zu. Warum sind Sie damals nach exakt 3748 Tagen noch einmal in den Ring zurückgekehrt? Um die Niederlage gegen Hill von 1996 wiedergutzumachen?
Maske: Das hatte nichts mit Wiedergutmachung zu tun. Die Niederlage steht in meiner Bilanz, die kann ich nicht mehr löschen. Das tut weh, aber damit muss man leben. Mein Reiz bestand eher darin, den Menschen zu beweisen, dass etwas, das unrealistisch erscheint, doch möglich werden kann.
An diesem 31. März 2007 hingen Sie die Boxhandschuhe endgültig an den Nagel. Danach konzentrieren Sie sich bis 2019 vor allem auf Ihren Job als Franchise-Unternehmer bei McDonald's. Ein Leistungssportler, der nun Fast Food macht - klang das nicht paradox?
Maske: Nein, ich habe in all den Jahren regelmäßig auch bei uns gegessen. Es ist immer eine Frage, ob man noch in den Spiegel schauen kann. Ich kann mich noch erinnern, dass die ersten McDonald's-Besuche bei mir ein schlechtes Gewissen verursacht haben. Ich bin danach sofort trainieren gegangen. Aber sehen Sie mich an, ich war auch nach 19 Jahren im Job schlank und gut in Form.
Auch Profisportler dürfen also mal Fast Food essen?
Maske: Natürlich, man muss sich nur ausgewogen ernähren. Es ist wie in allen Bereichen des Lebens: Man darf es einfach nicht übertreiben. Natürlich ist McDonald's nichts für siebenmal in der Woche, dreimal am Tag. Aber diesem Test würde eine Karotte auch nicht standhalten.
Bevor Sie 2000 Ihre erste Filiale übernahmen, mussten Sie eine theoretische und praktische Ausbildung absolvieren. Es gab also das Bild von Henry Maske beim Burger braten?
Maske: Ja, auch das habe ich gemacht. Ich habe in den Highlands und in Wien im Restaurant gearbeitet. Das war auf der Insel etwas einfacher, weil ich dort nicht so berühmt war.
Und wie lief es in Wien ab?
Maske: Ich habe mich verkleidet. Falsche Brille, andere Pupillen, neuer Bart - und schon war ich nicht mehr Henry Maske. Bei McDonald's hieß ich Peter Sahr.
Warum Peter Sahr?
Maske: Peter war der Name meines Bruders, Sahr der Familienname meiner Ehefrau. Das half aber nicht immer, es gab ab und zu Momente, als ich gefragt wurde, ob ich nicht dieser Henry Maske sei. Ich habe die Leute dann immer abgewimmelt und gesagt, dass ich so etwas schon häufiger zu hören bekommen habe. (lacht)
Haben Sie am Ende Ihre Kollegen aufgeklärt?
Maske: Nein, es wussten die ganze Zeit nur der dortige Franchise-Unternehmer und seine Frau. Nicht mal deren Sohn erfuhr es, zumindest bis zum letzten Arbeitstag. Ich war nach meiner Schicht am Abend zu den World Sports Awards eingeladen, weil ich Steffi Graf auszeichnen sollte. 1999 müsste das gewesen sein. Offenbar hat mich der Sohn entdeckt und nur gesagt: "Schau mal, der Peter ist im Fernsehen."
Sie haben zehn Filialen mit über 350 Mitarbeiter geleitet und sind ein erfolgreicher Unternehmer geworden. Nicht schlecht für einen einstigen Oberleutnant der Nationalen Volksarmee, oder?
Maske: Ich war und bin ein Gewinner der Wende, keine Frage. Für mich ist das Glas seitdem immer eher halbvoll als halbleer. Der Mauerfall kam damals für mich zu einem perfekten Zeitpunkt, danach konnte ich mir meinen Traum vom Profi-Weltmeister erfüllen. Ansonsten wäre ich wohl Bundestrainer in der DDR geworden. Aber es lief alles anderes - und das ist auch gut so.