Eine Demonstration in zwölf Akten

Von Bastian Strobl
Floyd Mayweather besiegte Saul Alvarez in Las Vegas nach Punkten
© getty

Floyd "Money" Mayweather (45-0-0) hat erneut seine Ausnahmestellung untermauert und den Boxkampf des Jahres nach Punkten für sich entschieden. In Las Vegas zeigte der 36-Jährige seinem Gegner Saul "Canelo" Alvarez (42-1-1) deutlich die Grenzen auf und sicherte sich damit die WM-Titel im Super-Weltergewicht nach Version der WBA und WBC. Eine Punktrichterin sorgte für den Tiefpunkt des Abends.

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Vor 16.500 Zuschauern in der ausverkauften MGM Grand Arena in Las Vegas ließ Mayweather das lang ersehnte Duell mit Alvarez zu einer wahren Demonstration werden. Vor den Augen von zahlreiche Prominenten aus Sport sowie der Film- und Musikbranche wie Denzel Washington, Sean "Diddy" Combs, Jack Nicholson oder Magic Johnson geriet der große Favorit während der zwölf Runden nie in Bedrängnis.

Darüber waren sich alle Anwesenden sowie die Experten einig - bis auf C.J. Ross. Die Punktrichterin wertete den Kampf als Unentschieden und erntete dafür großes Kopfschütteln. Auch Mayweather verstand kurzzeitig die Welt nicht mehr, ließ sich davon die Party nach dem Fight aber nicht verderben.

Bereits vor seiner beeindruckenden Leistung sorgte Mayweather, der für den Abend eine Rekord-Gage von 41,5 Millionen Dollar kassiert, für Schlagzeilen. Bei seinem Gang zum Ring wurde er von Rapper Lil Wayne, der den Entrance musikalisch unterstützte, und Justin Bieber begleitet.

Zu diesem Zeitpunkt konnte Danny Garcia seinen Erfolg bereits genießen. Der Amerikaner bezwang Lucas Matthysse im Co-Main-Event einstimmig nach Punkten und verteidigte damit seine Titel im Junior-Weltergewicht nach Version der WBA und WBC. Der Argentinier dominierte die ersten Runden, bis ihn zur Mitte des Kampfes ein zugeschwollenes Auge mehr und mehr beeinflusste. Garcia nutzte diese Schwächung, übernahm die Kontrolle und gewann schließlich einstimmig nach Punkten (115:111, 114:112, 114:112). Als nächstes könnte ein Duell mit Mayweather auf den 25-Jährigen warten.

Reaktionen:

Floyd Mayweather: "17 Jahre bin ich jetzt schon im Geschäft. Das ist eine lange Zeit. Trotzdem bin ich immer noch an der Spitze. Ich bin zufrieden mit meiner Performance. Hätte ich früher richtig Gas gegeben, wäre vielleicht der Knockout herausgesprungen."

...über seinen Gegner Saul Alvarez: "Canelo ist ein junger, großer Champion. Mexiko kann stolz auf ihn sein. So eine Niederlage wird ihn nicht umwerfen. Er ist immer noch die Zukunft des Boxens."

...über das Urteil: "Ich dachte, es ist ein Witz. Ich war im ersten Moment schockiert. Aber auch ich kann offenbar noch einige Sachen lernen. Man kann nun mal nicht in die Köpfe der Punktrichter sehen."

Saul Alvarez: "Er ist ein großartiger Kämpfer. Ich konnte ihn einfach nicht treffen. Deswegen wurde ich immer frustrierter, je länger der Kampf dauerte. Ich habe keine Lösung gefunden."

SPOX-Scoreboard1. Runde23456789101112Score
Floyd Mayweather (USA)101010101010101010101010120
Saul Alvarez (MEX)999999999999108

Die Wertungen der Punktrichter:

Dave Moretti (USA): 116:112

C.J. Ross (USA): 114:114

Craig Metcalfe (CAN): 117:111

Der Ringrichter: Kenny Bayless. Mal wieder eine starke Leistung des Amerikaners. Bayless machte seinem Ruf, der vielleicht beste Ringrichter im Boxen zu sein, alle Ehre. Fair, unaufgeregt, ohne sich großartig in den Vordergrund stellen. Auch bei Alvarez' angedeutetem Tiefschlag oder beim Trash-Talk während der bzw. zwischen den Runden behielt der Amerikaner die Ruhe, ohne dem Kampf die Intensität zu rauben.

Der Schlag des Kampfes: Floyd Mayweathers Rechte. Häufig wurde Money in der Vergangenheit vorgeworfen, sich zu sehr auf seinen Jab zu verlassen. Er solle mehr Risiko eingehen, um den Zuschauern etwas zu bieten. Gesagt, getan. Ab Mitte des Kampfes traktierte er Alvarez immer wieder mit seiner Rechten, die man sowohl als Teil einer Kombination als auch aus der Defensive kommend bestaunen durfte. Es war auch diesem Schlag zu verdanken, dass Alvarez in der zweiten Hälfte des Kampfes kein Comeback starten konnte.

Analyse: Von Anfang an herrschte im MGM Grand von Las Vegas Gänsehautatmosphäre pur! Bevor die erste Ringglocke ertönte, war die Halle bereits von lautstarken "Canelo, Canelo"-Rufen erfüllt. Der Großteil der Zuschauer hatte in dem Mexikaner seinen Favoriten ausgemacht.

Doch die Alvarez-Anhänger bekamen in den darauf folgenden Runden kaum einen Grund zum Jubeln. Der als "The One" titulierte WM-Kampf wurde zu einer Demonstration des Floyd Mayweather. Mit Beginn der ersten Runde zeigte der 36-Jährige, warum er als einer der größten Boxer aller Zeiten gilt.

Mit seinem Mix aus Geschwindigkeit und unvorstellbarer Präzision stellte er Alvarez vor eine unlösbare Aufgabe. Immer wieder ging Mayweather blitzartig in die Offensive, traf mit Hilfe einer schnellen Kombination seinen Gegner, nur um Sekunden später wieder genügend Distanz zwischen sich und Alvarez zu bekommen. Das "In and Out", wie die Boxer diese Taktik nennen, zeigte Mayweather schlicht und ergreifend in Perfektion.

Der Mexikaner konnte im anfänglichen Battle of Jabs seinerseits kaum Akzente setzen, was sich auch am Ende widerspiegeln sollte (getroffene Jabs: 139 zu 44). Anders als zuvor erwartet verzichtete der 23-Jährige auf eine große Anfangsoffensive, die nach Ansicht der meisten Experten eines der wenigen Erfolgsrezepte gewesen wäre, um Mayweather auf dem falschen Fuß zu erwischen.

Stattdessen versuchte Alvarez seinen Gegenüber mit vielen Finten zu verunsichern, doch der einstige Pretty Boy ließ sich davon nicht aufs Glatteis führen. Ganz im Gegenteil: Während er wie selbstverständlich Alvarez' Schläge blockte, nutzte Mayweather seinen Speed, um gezielt Konterattacken zu lancieren.

Doch dabei blieb es nicht. Nachdem Canelo Mayweather in der vierten Runde unterhalb der Gürtellinie traf, antwortete der große Favorit mit einem verschmitzten Grinsen - und ließ danach seine Rechte von der Leine. Der Psychokrieg war endgültig eröffnet. Und Mayweather war derjenige, der die Nadelstiche setzte.

Jab, Uppercut, Rechte. Jab, Jab, Rechte. Mayweather traf Alvarez, wann er wollte, wie er wollte. Und vermied es dabei, selbst ins Visier genommen zu werden. Der Defensiv-Magier war in seinem Element und ließ Canelos Schläge mit seinem gewohnt beweglichen Oberkörper immer wieder ins Leere fliegen, ohne die Offensive zu vernachlässigen. Besonders bemerkenswert: Die Präzision, mit der die Schläge den Mexikaner trafen. Kaum ein Luftloch, kaum ein Schlag auf die Deckung auf Seiten Mayweathers.

Alvarez wirkte bereits ab der siebten Runde nicht nur konditionell angeschlagen, sondern vor allem mental. Ohne eine echte Idee, wie er seinen Gegner unter Druck setzten sollte, ließ Canelo Runde für Runde verstreichen. "ESPN"-Experte Dan Rafael brachte es bei Twitter auf den Punkt: "Man vs. Boy".

In der achten Runde kam dann Mayweathers Arroganz zum Vorschein. Die ersten zwei Minuten schenkte er sichtbar ab, nur um in den letzten 60 Sekunden Alvarez mit seinem perfekten Timing auf den Zetteln der Punktrichter erneut hinter sich zu lassen. Der Klassenunterschied machte sich auch bei den Statistiken bemerkbar: Mayweather brachte nach der zehnten Runde 54,487 Prozent seiner Schläge ins Ziel, Alvarez nur 31,183 Prozent.

Die Demütigung war zu diesem Zeitpunkt bereits in vollem Gange. Tänzelnd. Lächelnd. Seines Sieges gewiss. Mayweather hatte sogar Zeit, nach einem großen rechten Schwinger Alvarez', der sein Ziel deutlich verfehlte und dafür durch die Seile flog, nachzuschauen, ob jemand außerhalb des Rings getroffen wurde.

Der Rest war Business as usual. Alvarez, dem nur noch ein Knockout geholfen hätte, erwischte Mayweather in den letzten beiden Runden zwar einige Male mit Jabs und Uppercuts, doch die Schläge erzielten nicht den erhofften Effekt.

Der Amerikaner gewann auf den Zetteln der meisten Experten sogar alle zwölf Runden. Wie C.J. Ross den Sieg Mayweathers mit einem Unentschieden auf ihrem Punktezettel werten konnte, bleibt wohl ihr alleiniges Geheimnis. Das unterstreicht auch ein Blick auf die Statistik: Insgesamt landete Money 232 Treffer bei 505 Versuchen (46 Prozent), Alvarez dagegen nur 117 bei 526 (22 Prozent).

Für Mayweather war dies aber nur ein kleiner Randaspekt an einem Abend, an dem er der Boxwelt erneut eindrucksvoll demonstrierte, wer der unangefochtene König im Ring ist.

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