SPOX: Herr Thiemann, kann man es als deutscher Power Forward nach Dirk Nowitzki überhaupt mit seinem Gewissen vereinbaren, keine Dreier zu nehmen?
Johannes Thiemann: (lacht) Nun, werfen kann ich sie ja schon. Nur bei uns im System spiele ich viel innen und auch den Großteil der Minuten als Center. Daher ergeben sich wenige Möglichkeiten. Aber wenn ich in einer engen Situation draußen frei stehe, dann habe ich auch das Selbstbewusstsein, den Wurf zu nehmen. Ich trainiere ihn auch immer nach dem Training, denn klar: Seit Dirk ist das Pflicht.
SPOX: Die Saison in der BBL läuft für Sie bisher nicht optimal. Man könnte sagen: Ludwigsburg ist nur Neunter. Oder aber: Das Team erzielt nur 75 Punkte pro Spiel und ist trotzdem Neunter. Was passt besser?
Thiemann: Beides nicht wirklich. Aber ich würde eher sagen, wir sind nur Neunter. Wir haben in der Hinrunde ein paar Spiele ärgerlich verloren. Hätten wir die gewonnen, würden wir auf Platz sechs stehen. Aber es ist noch nichts verloren. Der achte Platz ist ein Playoff-Platz, das ist das Wichtigste. Und wir wollen uns in der Rückserie weiter ganz klar nach oben orientieren.
SPOX: Deutlich besser läuft es in der Champions League: Trotz Hammergruppe standen Sie schon zwei Spieltage vor dem Ende der Gruppenphase in der nächsten Runde. Wie geht denn das?
Thiemann: Die internationalen Gegner kennen uns natürlich nicht so gut wie die Klubs aus der BBL. Sie hatten mehr Probleme mit unserem Full Court Pressing und unserer Aggressivität. Zum Teil haben sie uns aber vermutlich auch einfach unterschätzt, denn wir waren in der schweren Gruppe wahrlich kein Favorit aufs Weiterkommen. Aber man kann schon sagen: Uns liegt die Rolle des Underdogs.
SPOX: Wie wirkt sich die Doppelbelastung auf den Liga-Alltag aus?
Thiemann: Das ist schon hart, aber das Problem haben auch andere Teams. Daher können wir das nicht als Ausrede gelten lassen. Und es hat auch einen Vorteil: In der Champions League spielen wir auf einem anderen Niveau, haben also viele starke Gegner. Und das macht uns besser.
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SPOX: Coach John Patrick ist als harter Hund verschrien. Wie ist er eigentlich abseits des Spielfeldes drauf?
Thiemann: Echt entspannt. Ich weiß, das denkt man nicht unbedingt, wenn man ihn nur auf dem Court kennt. Aber er kann auch relaxed sein. Jeder Coach muss auf dem Feld ein bisschen härter sein, um sein Team zu führen. Er verlangt viel von uns, immer hundert Prozent. Ich komme aber gut mit ihm klar und der Umgang ist locker. Und er guckt nicht immer grimmig. Wirklich!
SPOX: Welchen Einfluss hatte eigentlich Ihre Freundin, die in Straßburg lebt, auf Ihre Entscheidung, von Bamberg nach Ludwigsburg zu wechseln?
Thiemann: (lacht) Ja, ok, das war schon ein Grund, der dabei eine Rolle gespielt hat. Ich hatte eine gute ProA-Saison und daher auch ein paar Angebote. An Ludwigsburg hat mich vor allem die Herausforderung gereizt, das war schon das Wichtigste. Die geringe Entfernung nach Straßburg passte einfach optimal dazu. Und da meine Freundin studiert, kann sie sich die Kurse so legen, dass wir uns oft sehen können.
SPOX: Sie haben als einziger Spieler im Team alle Partien bestritten. Wo nehmen Sie die Energie her?
Thiemann: Das ist leicht, wenn der Coach dir vertraut und auf dich setzt. Das gibt mir Motivation, mit richtig Feuer ins Spiel zu gehen. Klar gelingt das nicht immer von Anfang an, die Belastung ist schon ziemlich hoch. Aber es ist ja nach wie vor mein Traumberuf und ich liebe diesen Sport einfach. Ich könnte mir gar nicht vorstellen, wie es sich anfühlt, nicht motiviert zu sein.
SPOX: Gibt es ein Ritual, auf das Sie vor jedem Spiel Wert legen?
Thiemann: Mittagsschlaf! Der ist unverzichtbar. (lacht) Dann versuche ich, mit ein bisschen Musik in Stimmung zu kommen. Und ich tape mich vor dem Spiel selbst. Das war's dann aber auch schon mit meinen Routinen.
SPOX: Haben Sie sich eigentlich nur an der Fernuni Hagen für Wirtschaftswissenschaften eingeschrieben, damit Sie mit dem A2-Team bei der Universiade in Südkorea mitspielen konnten?
Thiemann: Nein, das war eher ein passender Zufall. Ich hatte mich schon drei Monate vor dem Turnier entschieden, WiWi zu studieren. Wirtschaft hat mich schon in der Schule interessiert. Damals hatte ich das gar nicht auf dem Schirm und wollte einfach noch etwas neben dem Basketball machen. Dann ist der Sport aber immer mehr in den Vordergrund gerückt und schließlich hat mir dann doch die Zeit gefehlt.
SPOX: Sie haben kamerunische Wurzeln, gibt es noch Kontakt dorthin?
Thiemann: Ich habe noch Familie in Kamerun, mein Vater lebt dort. Ich bin in Deutschland geboren, aufgewachsen und fühle mich auch als Deutscher. Die kamerunische Kultur spielte bei uns auch keine wirkliche Rolle. Aber im nächsten Urlaub würde ich gern hinfliegen.
SPOX: Auf Ihrem Twitter-Profil ist ziemlich tote Hose. Sie sind zwar angemeldet, aber im Prinzip liegt der Account seit Monaten brach. Ist Social Media für Sie gar kein Thema?
Thiemann: Doch, schon. Aber ich bin eher bei Facebook und Instagram unterwegs. Ok, auch nicht sehr regelmäßig. (lacht) Aber ich habe immerhin schon eine Gefällt-mir-Seite. Ich muss wohl anfangen, da ein bisschen mehr zu investieren. Letztes Jahr in der ProA war das einfach noch kein so großes Thema. Ich bin irgendwie nicht der Typ, der drei Mal am Tag etwas postet. Aber ich denke, das gehört nun mal dazu.
SPOX: Lassen Sie uns ein wenig über den DBB sprechen: Im Juli 2016 haben Sie gegen die Ukraine Ihr Debüt in der A-Nationalmannschaft gegeben. Sie kamen in Minute sieben rein - und dann?
Thiemann: Ich muss zugeben: Vor dem Spiel war ich ziemlich nervös, aber als ich eingewechselt wurde, war das wie weggeblasen. Ich hatte Glück, dass ich gleich zwei Freiwürfe bekam und sie versenkt habe. Es war gut, gleich mit einer erfolgreichen Aktion zu starten. Mein erster Korberfolg war dann ein Dunk, das hat mir Mut gegeben und ich konnte dann das gesamte Spiel frei aufspielen.
SPOX: Bundestrainer Chris Fleming hat Sie für die EM-Qualifikation nachnominiert, obwohl Sie kurz zuvor gecuttet worden waren. Wie haben Sie als Nachrücker die gesamte Situation um Tibor Pleiß verfolgt?
Thiemann: Ich habe mich natürlich super gefreut, dass ich nachnominiert wurde. Klar, das war keine schöne Situation fürs Team, zumal das ja nicht alles astrein ablief. Das wünscht man niemandem. Aber es gibt auch immer jemanden, der nachrückt und dadurch eine Chance bekommt. Für mich war es perfekt.
SPOX: Fleming sagte mir im vergangenen August im Interview, dass Sie ihn von allen Spielern in der Vorbereitung am meisten beeindruckt haben. Hat er Ihnen das auch mitgeteilt?
Thiemann: Nein, das wusste ich noch nicht! Aber es ist natürlich toll, zu hören, dass der Coach so über mich denkt. Meine eigene Wahrnehmung war, dass ich ganz gut gespielt habe und ich glaube, ich konnte den ein oder anderen überraschen. Schön, dass der Coach auch dazu gehört.
SPOX: Wie haben Sie eigentlich das Spitznamenproblem in der Nationalmannschaft gelöst? "Jo" ist ja schon an Johannes Voigtmann vergeben.
Thiemann: Ganz einfach, ich bin JT. Ich war immer schon JT. Daher hatten wir damit keine Schwierigkeiten. Zum Glück kannte ich ja schon ein paar Jungs vorher und habe ja auch unter Chris Fleming in Bamberg gespielt. So war der Name praktisch von Anfang an etabliert.
SPOX: Was sind Ihre Pläne für die Nationalmannschaft? Und was wird Ihnen von der Teamführung kommuniziert?
Thiemann: Ich versuche, mich so gut wie möglich weiterzuentwickeln und schaue, wie ich mir im DBB-Team eine Rolle erarbeiten kann. Das ist natürlich eines meiner Ziele. Ich habe den Fuß in der Tür, aber momentan bin ich vermutlich nicht im gesetzten 12er-Kader. Da muss man sich etablieren. Ich arbeite weiter hart, will mich bei den Lehrgängen gut präsentieren und dann hoffe ich, bald die nächste Chance zu bekommen.
SPOX: Den Sommer haben Sie sich für die EuroBasket aber schon freigehalten, oder?
Thiemann: (lacht) Ja, klar! Erstmal natürlich mit einem Fokus auf die Vorbereitung, eventuell für mehr. Ich spiele ja auch noch in der A2-Nationalmannschaft und mit Coach Henrik Rödl stehe ich in gutem Kontakt. Ich lasse das alles erstmal auf mich zukommen. Die EuroBasket ist ein Ziel - wenn ich das geschafft habe, dann können wir meinetwegen über Olympia 2020 oder über die NBA sprechen. Aber vorher brauche ich mir keine großen Gedanken zu machen, das bleiben erstmal Dinge für den Hinterkopf.
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