So sehen Leader aus

Dennis Schröder demonstriert bei der EuroBasket seine Reife
© fiba.com

Auch wenn der eigene Wurf nicht fiel, zeigte Dennis Schröder beim Sieg gegen Frankreich, wie sehr er als Spieler gewachsen ist. Das blieb auch seinem Coach nicht verborgen. Nach dem Viertelfinaleinzug scheint für diese deutsche Mannschaft alles möglich.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Man kann nicht behaupten, dass Dennis Schröder gegen Frankreich ein angenehmes Spiel erlebte, schon gar nicht in der ersten Halbzeit. Seine ersten sieben Würfe gingen allesamt daneben, er wurde sehr physisch und wohl nicht immer fair verteidigt, es lief nichts für ihn.

Zwei Minuten vor dem Ende der Halbzeit wurde er erstmals an die Freiwurflinie geschickt und erzielte seine ersten Punkte. Die Zähler 3 bis 6 folgten noch vor dem Pausenpfiff. In Halbzeit zwei traf er auch direkt zwei Layups, bevor er seinen Kumpel Daniel Theis im Fastbreak mustergültig für einen Facial über Boris Diaw bediente. Der Knoten schien endlich geplatzt.

Sekunden später kippte das Momentum jedoch. Nachdem Nando De Colo ihm kurz vorher plump ein Bein gestellt hatte, rannte er nun erneut in ihn hinein. Zwar bekam der Franzose das Offensiv-Foul, Schröder platzte jedoch der Kragen. Er kassierte ein Technisches Foul für Meckern, eine Minute später foulte ihn Joffrey Lauvergne erneut hart - Schröder nahm selbst die Hand vor den Mund, um sich vom Meckern und einem zweiten T abzuhalten.

Fleming lobt Schröder überschwänglich

Eine geistesgegenwärtige Geste - und ein weiterer Wendepunkt im Spiel. Denn Schröder reagierte perfekt, indem er stattdessen seine drei Freiwürfe versenkte. Er bewies mentale Härte beim wichtigsten DBB-Spiel seit etlichen Jahren. Das blieb auch seinem Coach nicht verborgen.

"Das war für mich sein mit Abstand bestes Spiel bei diesem Turnier und auch das, in dem er am meisten gezeigt hat, wie sehr er als Anführer und Leader gewachsen ist", staunte Chris Fleming auf der anschließenden Pressekonferenz. Fleming hatte Schröder schon in Tel Aviv mehrfach für seine Reife gelobt, wie er sich für das Team aufopferte und beispielsweise Offensiv-Fouls annahm. Das Frankreich-Spiel jedoch hob den Hawks-Guard noch auf eine neue Stufe.

"Am Anfang hat Dennis nicht getroffen und es waren ein paar Situationen dabei, wo ich denke, man hätte ihn an die Freiwurflinie schicken können", sagte Fleming. "Aber er hat sich nicht beirren lassen und hat unseren Jungs den Glauben verschafft, dass hier etwas gehen kann. Er hat sich nicht mit dem Wurf begnügt, sondern ist immer wieder aggressiv zum Korb gezogen und hat die freien Spieler gefunden."

Schröder: Viel abgezockter als 2015

Wenn man Schröder bei diesem Turnier sieht, kann man immer wieder leicht vergessen, dass er lediglich 23 Jahre alt ist. Ein unheimlich dynamischer Spieler war er auch schon 2015 in Berlin, doch mittlerweile ist er viel abgezockter und kann das Spiel auch dann steuern, wenn es bei ihm selbst nicht optimal läuft.

So wie gegen Frankreich: Schröder traf bloß fünf seiner 15 Würfe, nach seinem kurzen Hoch (4/4) fiel dann wieder kaum etwas rein. Aber dafür kämpfte er sich elfmal an die Freiwurflinie (und traf alle!) und spielte als Playmaker nahezu blitzsauber (8 Assists, nur 2 Ballverluste). Und er gab seinem Team, wie schon von Fleming angesprochen, einen Haufen Inspiration.

Topscorer Johannes Thiemann

Denn nicht nur Schröder traf am Anfang kaum ein Scheunentor. Von draußen fiel im ersten Viertel kein Wurf rein, auch im zweiten Durchgang netzte lediglich Lucca Staiger (endlich!) zweimal von draußen ein. Es passte sehr gut, dass zwischenzeitlich Johannes Thiemann der Topscorer (6 Punkte) war, der sich jeden Wurf am Korb regelrecht "erwühlte" - der Ludwigsburger hatte zuvor im ganzen Turnier bloß 6 Zähler erzielt und ist keineswegs als Scorer bekannt.

An diesem Tag aber gab er einen wichtigen Boost und half dabei, dass sich Schröder und die anderen nach und nach aus ihrem Sumpf ziehen konnten. "Unsere Jungs sind drangeblieben, haben den Glauben nicht verloren", lobte Fleming. "Im dritten Viertel gab es einen Moment, in dem wir alle realisiert haben, dass wir dieses Spiel gewinnen konnten."

Er spezifizierte nicht genau, welchen Moment er meinte, allerdings war dies im Endeffekt unerheblich. Man merkte auch den französischen Spielern an, dass sie nach und nach Zweifel bekamen, nachdem sie die Partie zuvor recht locker angegangen waren. Sie verloren zeitweise völlig den Faden, bevor Evan Fournier im vierten Viertel fast im Alleingang nochmal zum Comeback blies.

Junge Mannschaft am Anfang ihrer Entwicklung

Dass die deutsche Mannschaft dabei noch einmal richtig ins Wackeln kam, zeigte einmal mehr auf, dass hier eine sehr junge Mannschaft - die im Schnitt jüngste des Turniers - am Werk war. Gerade der Ballverlust von Maodo Lo in der letzten Minute hätte tragisch enden können. "Er muss den Ball festhalten, er darf ihn nicht passen. Das habe ich ihm erzählt, damit er auch was lernt", sagte Schröder im Anschluss - ganz der Anführer.

Dass sie trotzdem in der Lage waren, den Sieg über die Runden zu bekommen, zeugte gleichzeitig aber auch von der "Zähigkeit" (Fleming) des Teams. "Sie sind schon die ganze Zeit extrem widerstandsfähig und haben sich diesen Sieg heute redlich verdient", erklärte der Coach. "Ihre Zähigkeit hat sich ausgezahlt, das war herausragend."

Korrekt. Gegen Frankreich zeigte Deutschland in der zweiten Hälfte seine bislang beste Turnierleistung. Theis war überragend, auch Staiger zeigte sein bestes Spiel des Turniers. Lo hatte trotz des Ballverlusts sehr gute Szenen, genau wie Robin Benzing und Thiemann. Die Bank zeichnete für 44 Punkte verantwortlich.

Schröder: "Wir können jeden schlagen"

Schröder war zum ersten Mal bei diesem Turnier nicht Topscorer, wenngleich er nur 1 Punkt weniger erzielte als Theis, der mit 22 Zählern sein DBB Career-High erzielte. Natürlich war trotzdem allen klar, wer die deutsche Mannschaft bis hierhin geführt hatte.

Vielleicht auch darüber hinaus? "Wir können jeden schlagen, wenn wir alles richtigmachen. Wir dürfen keine Angst haben", gab Schröder die Marschrichtung fürs Viertelfinale selbst vor. Dort wird es entweder gegen die Türkei gehen - oder gegen die beste europäische Mannschaft dieses Jahrtausends, Spanien.

"Egal, wer kommt, es wird verdammt schwierig. Aber in so einem Turnier geht immer alles. Nicht viele hätten gedacht, dass wir heute gewinnen", sagte Staiger. Wer könnte ihn an diesem magischen Tag widersprechen?

Artikel und Videos zum Thema