"Nach meiner Karriere werde ich Anwalt"

Von Interview: Philipp Dornhegge
Jonathan Wallace hat sich beim FC Bayern München auf Anhieb als Führungsspieler etabliert
© Imago

Jonathan Wallace hat sich in seiner ersten Saison beim FC Bayern gleich als Führungsspieler etabliert. Im Interview mit SPOX spricht der Amerikaner über seine Kindheit auf einer Farm in Alabama, Begegnungen mit den Fußballstars des FC Bayern und seine Pläne nach der Basketball-Karriere.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX: Herr Wallace, Sie sind jetzt seit einigen Monaten in München, davor haben Sie 2009 schon mal in Oldenburg gespielt. Was macht Ihr Deutsch?

Wallace: (lacht) Es geht sehr langsam voran. Ich weiß gerade mal, wie man sich in Deutschland begrüßt. Viel mehr aber auch nicht. Ich hoffe, dass ich zum Ende der Saison ein bisschen mehr Zeit und Ruhe habe, damit ich mich noch intensiver drum kümmern kann. Ich tue mich schwer damit, ganze Sätze zusammen zu bauen. Vom Schreiben ganz zu schweigen.

SPOX: Und sonst: Wie gefällt es Ihnen in München?

Wallace: Sehr gut. Als ich herkam, wusste ich überhaupt nicht, was mich erwartet. Ich war noch nie zuvor in München. Aber ich bin sehr zufrieden: Die Menschen sind nett, der Verein sehr gut aufgestellt, der Coach erstklassig. Wir müssen uns um nichts Sorgen machen, außer unserer Leistung.

SPOX: Sie sind auf einer Farm in Alabama aufgewachsen. Ist eine Stadt wie München, die nicht so hektisch ist wie New York oder Berlin, perfekt für Sie?

Wallace: Absolut, hier ist es super. Ich mag es sehr. Ich komme aus einem sehr kleinen Ort, wo die Leute sehr relaxed sind und das Leben insgesamt langsamer läuft. Als ich nach Washington kam, um aufs College zu gehen, war das im ersten Moment ein Kulturschock für mich. Züge, U-Bahnen, Taxis: Das alles war ich überhaupt nicht gewohnt. Hier in München habe ich eine sehr schöne Mischung gefunden.

SPOX: Die "Washington Post" hat Sie während Ihrer College-Zeit mit den Worten zitiert: "Taxis sind gefährlich. Man weiß nie, wer am Steuer sitzt."

Wallace: (lacht) Haha! Ja, das stimmt. Als ich neu in der Stadt war und noch keine Ahnung hatte, fand ich die Fahrweise der Taxifahrer wirklich beängstigend. Als Student in Washington kommt man aber ohne U-Bahnen und Taxis nicht von A nach B. Insofern blieb mir gar nichts anderes übrig, als mich daran zu gewöhnen. Mittlerweile ist das natürlich kein Problem mehr. Ich bin auch in München schon Taxi gefahren. Nur mit den U-Bahnen und Trams tue ich mich schwer.

SPOX: Wieso das?

Wallace: Diese ganzen Schilder verwirren mich. Ich weiß nie, wo ich ein- und aussteigen muss.

SPOX: Haben Sie keine Mannschaftskollegen, die Ihnen dabei helfen?

Wallace: Doch, ich bin viel mit meinem Kumpel Darius Hall unterwegs. Und mit Bastian Doreth. Wir zwei gehören zu den jüngeren Spielern im Team, das verbindet uns so ein bisschen.

SPOX: Wohnen Sie als bekennender Naturfan außerhalb der Stadt?

Wallace: Nein, ganz in der Nähe der Säbener Straße. Auf der Farm bin ich aber natürlich noch, wenn ich meine Eltern besuche. Das ist jedes Mal eine super Zeit.

SPOX: Warum haben Sie sich überhaupt für München entschieden?

Wallace: Der erste Grund war der Trainer, von dem ich viel Gutes gehört hatte. Dazu kannte ich Steffen [Hamann] und Alex [Nadjfeji] aus der Bundesliga. Da wusste ich, dass hier etwas entsteht. Und als das Angebot kam, habe ich mich informiert, wofür der FC Bayern in Deutschland eigentlich steht. Mir war das gar nicht klar. Aber Jason Gardner, mit dem ich in Oldenburg gespielt habe und der eins meiner Vorbilder ist, hat mir gesagt, was Bayern München für ein Verein ist. Und ich wurde nicht enttäuscht.

SPOX: Schauen Sie denn Fußball?

Wallace: Ich habe damit erst in letzter Zeit angefangen...

SPOX: Haben Sie Kontakt zu den Fußballprofis?

Wallace: Ich kenne ein paar von Ihnen: Ribery und Müller sehe ich ab und zu. Aber meist nur kurz.

SPOX: Unter den Fußballern sind ja auch große Basketball-Fans.

Wallace: Absolut. Einige der Jungs kommen zu unseren Spielen. Der eine zum Beispiel, die Nummer 31. Wie spricht man seinen Namen aus?

SPOX: Schweinsteiger.

Wallace: Ja genau, den habe ich schon gesehen. Ist schon cool für uns, dass wir von den Fußball-Profis unterstützt werden. Der Zusammenhalt im ganzen Verein gefällt mir sehr gut.

SPOX: Sie können sich also vorstellen, länger in München zu bleiben?

Wallace: Das muss man abwarten. Es hängt sicher viel davon ab, ob wir aufsteigen oder nicht.

SPOX: Für Dirk Bauermann sind Sie ein Schlüsselspieler. Wenn man mit ihm oder der Geschäftsführung spricht, bekommt man immer zu hören, dass Sie ein ganz untypischer Amerikaner seien. Wissen Sie, was damit gemeint ist?

Wallace: Nein, keine Ahnung.

SPOX: Es geht darum, dass viele amerikanische Basketballer, die nach Europa kommen, als Söldner gelten, die nur abkassieren wollen und sich mit ihrem Verein überhaupt nicht identifizieren.

Wallace: Ich denke, es kommt immer darauf an, ob man das Spiel liebt oder es nur als Mittel zum Zweck sieht. Als ich aufgewachsen bin, war mein Vater Basketball-Trainer. Er hat mir früh beigebracht, dass das Team immer im Vordergrund steht. Ich liebe Basketball, und jeder, bei dem das der Fall ist, sollte sich nicht vom Geld blenden lassen.

SPOX: Alles eine Frage der Erziehung also?

Wallace: Ganz genau. Ich hatte an der High School und am College immer Coaches, die mich das Spiel gelehrt, gleichzeitig aber auf die Entwicklung jedes Einzelnen als Persönlichkeit Wert gelegt haben. Meine Meinung ist die, dass es eine Million Wege gibt, zu Geld zu kommen. Aber die Möglichkeit, das zu tun, was man liebt, und dafür auch noch bezahlt zu werden, bekommen nicht viele. Deshalb ist es nicht nur ein Geschenk, sondern auch Verpflichtung, Basketball-Profi zu sein.

FC Bayern vs. Würzburg: Rekordkulisse und Live-Übertragung

SPOX: In der Schule waren Sie sehr aktiv: Sie waren Football-Quarterback, haben Golf gespielt, waren freiwilliger Helfer beim Roten Kreuz, Schülersprecher, Mitglied der National Honor Society (in die Schüler aufgenommen werden, die sich unter anderem durch besondere schulischen Leistungen und soziales Engagement auszeichnen, Anm. d. Red.). Aus all diesen Interessen ergeben sich natürlich auch Möglichkeiten. War es trotzdem immer ihr Traum, Basketball-Profi zu werden?

Wallace: Ja. In meiner Kindheit bin ich jeden Samstag zu meiner Tante gegangen, um die Spiele aufzunehmen, die auf "ESPN" und so liefen. Ich bin praktisch damit aufgewachsen, zum Beispiel Jason Gardner zuzuschauen, als er für die University of Arizona gespielt hat. Zu solchen Spielern habe ich aufgesehen und davon geträumt, eines Tages auch auf diesem Level zu sein. Ich bin sehr dankbar, dass meine Wünsche bisher in Erfüllung gegangen sind.

SPOX: An der Georgetown University wurden Sie am Law Center angenommen, einer der prestigeträchtigsten juristischen Einrichtungen der Welt. Könnten Sie sich denn vorstellen, etwas komplett anderes zu machen, als Basketball zu spielen?

Wallace: Irgendwann ganz bestimmt. Ich liebe Basketball, aber man kann nicht ewig spielen. Ich weiß jetzt schon, dass ich nach meiner Basketball-Karriere nach Georgetown zurückkehren werde, um die Jura-Ausbildung abzuschließen und irgendwo Anwalt zu werden.

SPOX: War es bei der Auswahl Ihrer Universität also entscheidend, dass Sie neben Ihrer basketballerischen auch eine exzellente akademische Ausbildung bekommen?

Wallace: Das war eines der Hauptkriterien, absolut. Coach John Thompson III hatte mich ja ursprünglich für Princeton rekrutiert, das wäre in punkto akademischer Ausbildung natürlich das Nonplusultra gewesen. Aber als er im Sommer 2004 nach Georgetown gewechselt ist, stand für mich fest, dass ich mitgehen will. Da kriegt man beides, Basketball und Studium, auf höchstem Niveau.

SPOX: In Georgetown haben Sie unter anderem mit Jeff Green und Roy Hibbert zusammen gespielt. Was sind das für Typen?

Wallace: Jeff und ich sind fast wie Brüder. Wir chatten praktisch jeden Abend und halten uns gegenseitig auf dem Laufenden. Auch mit Roy spreche ich regelmäßig, genauso wie mit Patrick Ewing Jr., mit dem ich mir ein Zimmer geteilt habe. Wir haben alle zusammen am College angefangen. Außenstehenden ist damals sofort aufgefallen, wie gut wir miteinander auskommen.

SPOX: Als Sie Green und Hibbert kennen gelernt haben, war Ihnen da gleich klar, dass die beiden mal in der NBA spielen würden?

Wallace: (lacht) Überhaupt nicht, wir waren alle keine sonderlich gehypten Spieler, denen die Unis die Bude eingerannt haben. Wir waren eher ein Truppe, die sich fast unbemerkt gefunden hat und die anfangs auch von den Journalisten gar nicht wahrgenommen wurde.

SPOX: Sie sagten bereits, dass Ihr Vater Basketball-Trainer war. War er demnach auch derjenige, der Sie zum Sport gebracht hat?

Wallace: Ja. Als ich klein war, war er an der Schule Lehrer, auf die ich auch gegangen bin. Ich habe dann jede freie Minute mit ihm verbracht, nach dem Unterricht beim Training und bei den Spielen zugeschaut und irgendwann selbst mitgemacht. Als ich in der fünften Klasse war, habe ich schon mit den Achtklässlern trainiert. Ich war also gezwungen, sehr früh erwachsen zu werden, um mit den älteren Jungs mitzuhalten.

SPOX: Das war aber doch sicher kein Problem. Kinder, die auf Bauernhöfen aufwachsen, müssen für gewöhnlich doch schon sehr früh mithelfen - und sind so fast automatisch "frühreif".

Wallace: (lacht) Oh ja, das kenne ich natürlich! Ich konnte mit sieben oder acht Jahren schon Trucks und Traktoren fahren. Ich musste mich als Kind schon um unsere Pferde und Kühe kümmern, Heu schneiden. Die ganze Familie hat mitgeholfen und mir viel beigebracht: Onkel, Tanten, Großeltern, Cousins, Cousinen. Harte Arbeit ist mir sicher nicht fremd.

Mehr zur Basketball-Bundesliga