SPOX: Herr MacAskill, zur Vorbereitung auf unser Interview haben wir uns in der SPOX-Redaktion eine Menge Videos von Ihnen angeschaut. Hand aufs Herz: Haben Sie nicht jeden Tag perverse Rückenschmerzen?
Danny MacAskill: (lacht) Es ist kein gewöhnlicher Schmerz in meinem Rücken und er ist auch nicht permanent vorhanden. Ich hatte ja bereits einige Verletzungen und man gewöhnt sich an diese Schmerzen. Aber es ist nicht so, dass ich bei jeder Landung meinen Rücken spüre. Wie jeder ambitionierte Sportler mache auch ich etwas zum Ausgleich. Diverse Übungen oder auch Fußballspielen.
SPOX: Und Sie dürften gute Ärzte und Physiotherapeuten haben.
MacAskill: Ja, schon. Aber ich arbeite nicht im Alltag mit einem Physiotherapeuten zusammen. Eigentlich nur, wenn ich verletzt bin, damit ich so schnell wie möglich zurück aufs Bike kann. Das motiviert mich und ist mental ganz wichtig für mich. Dann habe ich auch kein Problem damit, stundenlang im Gym oder beim Physiotherapeuten zu verbringen. Aber ich gehöre auf mein Bike.
SPOX: Definitiv. Wie erklären Sie sich eigentlich den rasanten Erfolg 2009, als Ihr YouTube-Video "Inspired Bicycles", das heute bei fast 38 Millionen Clicks steht, innerhalb mehrerer Stunden viral ging. Lance Armstrong nannte es ein "Must See". War das unwirklich oder hatten Sie sich das insgeheim erhofft?
MacAskill: Es war schon unwirklich. Aber ich hatte das große Glück, dass mein Freund Dave Sowerby, der mein Mitbewohner ist, ein ausgezeichneter Filmer für Extremsportarten ist. Der hat das damals aus tollen Blickwinkeln aufgenommen und hatte dementsprechend einen großen Anteil am rasanten Erfolg. Dennoch haben wir nie gedacht, dass wir damit in den Nachrichten weit über die Fachpresse hinaus landen. Das Video war zwischenzeitlich unter den besten Sportclips aller Zeiten. Verrückt.
SPOX: Nun sind Sie seit einigen Jahren Bike-Trial-Profi. Was macht diese Art des Radsports so besonders?
MacAskill: Ich bin quasi mit meinem Rad aufgewachsen und war verrückt danach, Dinge auszuprobieren. Als ich kleiner war, habe ich mir ständig Videos meiner Vorbilder reingezogen. Das waren aber keine Radrennfahrer, sondern Extrembiker, BMX-Fahrer, die alle möglichen Tricks ausprobierten. Der kleine Ort, in dem ich aufwuchs, war aber viel zu weit weg von Wettkämpfen - und ich war auch nie verrückt nach Wettkämpfen. Auch deshalb lag der Fokus bei mir nie auf einem speziellen Style, sondern es ging immer nur darum, das nächste Hindernis auf dem Fahrrad zu bewältigen. Dabei entstehen auf natürliche Weise Tricks. Ich denke, das ist letztlich der Sinn von Bike Trial.
SPOX: Nach dem Videoerfolg kündigten Sie ihren Job, arbeiteten mit der Stuntgruppe "The Clan" zusammen und drehten - von Red Bull unterstützt - weitere Videos. Die Perspektiven sind beeindruckend.
MacAskill: Früher ging es im Bike Trial quasi nie darum, die geilsten Videos zu haben. Es ging darum, sich zu verbessern und das auf Shows zu zeigen, die Leute zu beeindrucken. Das habe ich vor dem Videodurchbruch schon mehr als zehn Jahre getan. Kurz vor dem Clip war ich bei einer größeren Veranstaltung mit einer bekannten Gruppe. Ich durfte selbst einen Sprung machen und es war fantastisch. Wir hatten einfach eine tolle Zeit.
SPOX: Die Videos sind dennoch fester Bestandteil Ihrer Arbeit. Machen die so viel weniger Spaß?
MacAskill: Nein, ich will damit nur sagen: Bike Trial ist eine Art Lebenseinstellung, es geht um Authentizität. Wir sitzen auch nicht stundenlang rum und grübeln, welcher Ort und welcher Trick könnten im nächsten Video die meisten Klicks erzeugen. Es geht um eine natürliche Weiterentwicklung meiner Fähigkeiten, da habe ich einen hohen Anspruch. Manchmal entwickelt sich ein Stunt auch erst während dem Fahren - dann muss das Team bereit sein. Aber klar: Meine Jungs lassen die Perspektiven und Videos ganz einfach aussehen. Hinter manchen Aufnahmen steckt auch gar nicht so viel Arbeit. Hinter anderen mitunter Tage und Wochen.
SPOX: Es gibt wenige Extremsportler, die bereits so viele Erfahrungen sammeln durften. Was war denn Ihr verrücktestes oder gefährlichstes Erlebnis auf dem Bike?
MacAskill: Das ist noch gar nicht so lange her. Vergangenes Jahr im November durfte ich mit den beiden Bike-Legenden Hans Rey und Gerhard Czerner nach Afrika reisen und dort auf dem Bike mit dem Kilimandscharo den höchsten Berg Afrikas erklimmen.
SPOX: Ist das erlaubt?
MacAskill: Eigentlich nicht. Aber wir hatten eine inoffizielle Ausnahmegenehmigung. (lacht) Das war eine harte Erfahrung. Es war brutal heiß, steil, gefährlich - dann wurde es kalt. Der Körper lässt nach, ich war in keiner guten Verfassung mehr, bin gestürzt. Aber am Ende haben wir es gepackt. Unglaublich!
SPOX: Ebenfalls im vergangenen Jahr haben Sie ihr Buch "At The Edge" veröffentlicht, es wurde prompt zum Bestseller. In dieser Woche erschien unter dem Titel "Biken am Limit" die deutsche Version. Wie entstand die Idee zu dem Buch?
MacAskill: Ich hätte niemals gedacht, dass ich irgendwann mal diese Möglichkeit haben würde. Als die Chance erstmals kam, fühlte ich mich noch nicht bereit dafür. Als es 2015 nochmal zur Debatte stand, habe ich gesagt: Jetzt oder nie.
SPOX: Was erfährt man in dem Buch, was in den Videos nicht zu finden ist?
MacAskill: Ich habe es sehr genossen, meine Erfahrungen mit dem Bike aus der Kindheit aufzuschreiben. Die Freiheit, die mir das Hobby gab und diese natürliche Weiterentwicklung des Sports und der Sprünge - das ist nicht immer greifbar. Ich habe versucht, das zu erklären, um jungen Leuten einen Zugang zu diesem Sport zu verschaffen. Natürlich gibt es im Buch auch Einblicke zu den tollsten Events, einen Blick hinter die Kulissen und genauere Einsichten zu den Videos.
SPOX: Hat Ihre Familie das Buch gelesen und versteht jetzt besser, warum Sie so waghalsige Dinge probieren?
MacAskill: (lacht) Ich denke schon, dass meine Eltern es gelesen haben, aber notwendig wäre es nicht gewesen. Sie waren immer sehr relaxed mit solchen Sachen.
SPOX: Gut für Sie!
MacAskill: Ja, in der Tat. Ich habe mich schon im Kindergarten von hohen Dingen gestürzt, sie sind also Kummer gewöhnt. (lacht) Aber sie haben mich vor allem bei den Dingen, die ich mochte, immer unterstützt. Letztlich ist der Sport sehr gut für die Körperkontrolle, das Austesten, aber auch Erkennen von Grenzen. Mir hat das gutgetan. Aber es ist definitiv nichts für Jedermann.