Sportdirektor Jens Kahl flüchtete sich danach in Galgenhumor, Präsident Thomas Konietzko kündigte trotz Brendels spektakulärer Triumphfahrt im Canadier-Einer über 1000 m eine intensive Aufarbeitung der größtenteils ernüchternden Ergebnisse an.
"Wir haben die eigenen Erwartungen nicht erfüllt und viel Schatten und wenig Licht gesehen. Wir werden jetzt in aller Ruhe und ohne Hektik analysieren, wo Fehler gemacht worden sind und mit einigem Abstand zur WM über die Strategie nachdenken", sagte Konietzko. Sechs Medaillen und zwei Titel lautete die ehrgeizige Zielsetzung des erfolgreichsten deutschen Sommersportverbandes. Die erpaddelten drei Podestplätze reichten nur zum enttäuschenden vierten Platz im Medaillenspiegel. Bei der Heim-WM vor einem Jahr in Duisburg holte der DKV in den wichtigen olympischen Disziplinen noch sieben Medaillen (3-3-1).
"Wenn wir bei der EM in Brandenburg der Konkurrenz in einigen Klassen davon gefahren sind, hier aber nicht, muss man schon nach den Gründen suchen", sagte Konietzko. Sportdirektor Kahl meinte angesichts einiger knapp verpasster Ränge auf dem Podium leicht süffisant: "Man müsste den vierten Platz abschaffen." Besonders die Leistungen im Frauenbereich, wo es keine Medaille in den olympischen Klassen gab, lassen zwei Jahre vor den Sommerspielen in Rio die Alarmglocken schrillen. "Wir werden unsere Zielsetzung für Rio nicht aus den Augen verlieren. Das Ergebnis muss man analysieren. Die Frauen haben sich nicht so gesteigert, wie wir es erhofft hatten", meinte Kahl, während Cheftrainer Reiner Kießler ernüchtert feststellte: "Wir heben es nicht gepackt, auf dem Höhepunkt mit breiter Spitze zu überzeugen."
Brendel nervenstark
Einzig Canadier-Olympiasieger Brendel (26) präsentierte sich nervenstark und erfüllte die hohen Erwartungen. Mit einem fulminanten Schlussspurt und Weltbestzeit holte er seinen ersten WM-Titel auf einer olympischen Strecke. Völlig entkräftet kippte der Europameister aus Potsdam nach der Zieldurchfahrt um und musste aus dem Wasser gefischt werden.
"Nach dem Ziel hatte ich absolute Sauerstoffnot, da musste ich mich erst mal ins Wasser retten", sagte Brendel, für den die Uhr nach 3:44,578 Minuten stoppte - so schnell war noch kein Canadier-Fahrer vor ihm gewesen. "Weltbestzeit, die wollte ich schon immer knacken", sagte Brendel. Seinem Parforceritt auf der Krylazkoje-Regattastrecke ließ er noch zwei Medaillen über nicht-olympische Distanzen folgen: Gold über 5000 m und Silber über 500 m.
Die weiteren deutschen Medaillen in den wichtigen olympischen Klassen holten die Europameister Ronald Rauhe/Tom Liebscher (Potsdam/Dresden) mit Silber im Kajak-Zweier über 200 m und Yul Oeltze/Ronald Verch (Magdeburg/Potsdam) mit Bronze im Canadier-Zweier über 1000 m.
Trümpfe stechen nicht
"Wir hatten gehofft, dass unsere Trümpfe stechen", sagte Konietzko. Doch Titelverteidiger Max Hoff (Essen) enttäuschte im Kajak-Einer über den Kilometer als Letzter des A-Finals. "Da ist einiges schiefgelaufen", sagte Hoff. Die Europameister und Titelverteidiger Max Rendschmidt/Marcus Groß (Essen/Berlin) gingen auf Platz vier ebenfalls leer aus.
Richtig Schiffbruch erlitt auch das einstige Paradeboot. Der Kajak-Vierer der Männer scheiterte wie schon bei der EM im Halbfinale. Gerade den Vierer muss der DKV schnell wieder flott bekommen. Bei der WM 2015 in Mailand werden dort vier Quotenplätze für Rio 2016 vergeben.
In allen Wettbewerben verzeichnete der DKV in der russischen Hauptstadt zwei Gold-, fünf Silber- und eine Bronzemedaille. An der mageren Bilanz änderten auch die drei abschließenden Staffeln nichts mehr. Bei der Heim-WM 2013 waren es noch 17 Medaillen (8-6-3) gewesen.