Außerdem erzählt Rochelt, der mit 18 noch in der A-Jugend des FC Memmingen spielte, von seiner turbulenten Zeit beim FC Bayern - inklusive Aufstieg in die 3. Liga, der dortigen Meisterschaft und dem sportlichen enttäuschenden letzten Halbjahr, in dem es für ihn "persönlich schwierig" war, "damit umzugehen".
Herr Rochelt, vor acht Monaten spielten Sie noch mit Ulm in der Regionalliga, jetzt stehen Sie mit der SV Elversberg auf Platz 1 der 3. Liga, sind Topscorer der Spielklasse und haben im DFB-Pokal gegen Leverkusen gewonnen. Wie haben Sie die vergangene Halbrunde erlebt?
Jannik Rochelt: Sie war natürlich unfassbar ereignisreich. Es war verrückt, wie gut wir in die Saison gestartet sind mit dem 5:1-Sieg in Essen vor einer sensationellen Kulisse und dem angesprochenen Spiel gegen Leverkusen, in dem wir unsere kleine Chance genutzt und ein tolles Spiel abgeliefert haben und dann auch verdient eine Runde weiter gekommen sind. Ich hätte nicht besser im Team aufgenommen werden können.
In einem Interview im September sagten Sie noch, dass weiter der Klassenerhalt das Ziel ist, nun steht die SVE bei unfassbaren 41 Punkten und hat schon zehn Zähler Vorsprung auf einen Nichtaufstiegsplatz. Inwiefern hat man intern die Ziele angepasst?
Rochelt: Unser primäres Ziel - den Nichtabstieg - sollten wir im Normalfall erreicht haben, aber über eine neue Zielvorgabe haben wir noch nicht gesprochen. So wie ich das Trainerteam und die Verantwortlichen kenne, wird sich daran auch nichts ändern. Wir wollen einfach weiter gut trainieren, bestmöglich in die anstehenden Spiele starten und weiter den dominanten Fußball spielen, den wir bisher gezeigt haben.
Auffällig ist, dass Elversberg aufsteigeruntypisch auftritt, also: Kein Mauern, stattdessen attraktiven und mutigen Fußball, der sich u.a. bei 4:1-Siegen gegen 1860 München oder Osnabrück zeigte. Warum gab es überhaupt keine Anpassungsschwierigkeiten in der 3. Liga?
Rochelt: Diese Spielidee zeichnet die SVE schon seit ein paar Jahren aus. Von meinem ersten Tag an hat man gemerkt, dass wir die Qualität im Kader haben, diesen Plan auch eine Liga höher umsetzen zu können. Natürlich muss man sich in gewisser Hinsicht auch nach dem Gegner richten, aber am wichtigsten ist es, dem eigenen Stil treu zu bleiben.
Auch für Sie persönlich lief es hervorragend: 15 Scorerpunkte in 17 Ligaspielen, zudem zwei beim Pokalcoup gegen Leverkusen. Wie erklären Sie sich das, nachdem sie zuvor in 24 Drittligaspielen gerade einmal auf fünf Torbeteiligungen gekommen waren?
Rochelt: Bei den Drittligaspielen mit dem FC Bayern muss man dazu sagen, dass einige Einwechslungen und Kurzeinsätze dabei waren. Das hätte ich mir damals auch anders gewünscht, aber vor allem war es wichtig, dass ich nie aufgehört habe, an meinem Spiel zu arbeiten und an mich zu glauben. Auch in den Vorjahren wären schon mehr Torbeteiligungen möglich gewesen, weshalb ich froh bin, dass ich den Torriecher wieder gefunden habe.
Beim Blick auf Ihre Vita fällt auf, dass Sie keinen klassischen Weg durch das Nachwuchsleistungszentrum eines großen Klubs genommen haben. Mit 18 spielten Sie noch in der A-Jugend des FC Memmingen, ehe es zur zweiten Herrenmannschaft ging. Wie blicken Sie auf Ihre Jugend zurück?
Rochelt: Der Traum, Fußballprofi zu werden, bestand schon von klein auf, weshalb ich auch in der C-Jugend nach Friedrichshafen und später nach Memmingen gewechselt bin - die höchstklassigen Vereine in meiner Region. Je älter man wird, desto mehr muss man sich aber damit beschäftigen, wie es nach der Schule weitergeht. Deshalb habe ich meine Bankausbildung abgeschlossen und mich für das normale Berufsleben aufgestellt. Nebenbei habe ich weiter in der Regionalliga Fußball gespielt. Im Rückblick war das genau richtig so: Ich konnte mehr oder weniger im gewohnten Umfeld aufwachsen und hatte meine Kumpels um mich herum.
FC Bayern: "Der Kontrast zu Memmingen war brutal"
Dann ging es allerdings schnell: Ab der Rückrunde 2018 zählten Sie fest zum Aufgebot der ersten Mannschaft des FC Memmingen in der Regionalliga, ein Jahr später klopfte der FC Bayern an. Wie lief das ab?
Rochelt: Genau. In Memmingen lief es richtig gut und dann kam das Angebot des FC Bayern. Ich bin mit meinen Eltern und meinem Berater nach München gefahren, wir haben uns alles angeschaut und am Campus ein Gespräch mit Holger Seitz und Dirk Teschke, den Trainern der zweiten Mannschaft, geführt. Das war alles sehr beeindruckend, dort fehlt es an gar nichts und der Kontrast zu Memmingen war schon brutal. Wir haben uns dann ein paar Tage Gedanken gemacht, ob der Schritt sinnvoll ist, aber letztlich war klar: Der Zeitpunkt ist perfekt, ich konnte mich nach der abgeschlossenen Ausbildung voll auf den Fußball fokussieren.
Kurz nach der Unterschrift ging es dann schon ins Trainingslager mit den Amateuren nach Dallas in die USA ...
Rochelt: Es war irre, was in der kurzen Zeit alles los war. Ich bin alleine nach Dallas geflogen, weil die Jungs schon vor Ort waren. Ich war vorher noch nie in Amerika, wusste nicht so wirklich, was auf mich zukommt und kannte von den neuen Kollegen auch niemanden näher. An der Säbener Straße neben den Profis zu trainieren und diese hautnah zu erleben, auch das ein oder andere Mal mittrainieren zu dürfen - echt krass.
Wie eng war der Austausch mit den Profis?
Rochelt: Wir haben in der Regel zeitgleich trainiert, sodass Spieler von unserer Mannschaft direkt einspringen konnten, sollte bei den Profis etwas passieren oder sich jemand verletzen. Es gab vier bis fünf Spieler, die sehr regelmäßig unter der Woche oben trainiert haben und andere, die vereinzelt reinschnuppern durften, zum Beispiel in den Länderspielpausen. Die Jungs waren alle richtig nett und es gab da keinerlei Starallüren. Genauso wie wir alle wollten sie einfach nur Fußball spielen.
Alphonso Davies? "Es kann keine zwei Meinungen geben"
Der erste Höhepunkt war sicherlich der Aufstieg in die 3. Liga im folgenden Sommer, als Sie im Aufstiegs-Rückspiel beim 4:1 gegen den VfL Wolfsburg II mit zwei Torbeteiligungen einen entscheidenden Anteil hatten ...
Rochelt: Das war definitiv ein riesiges Highlight. Auch die Meisterschaft in der Regionalliga Bayern war schon cool, aber es war allen klar, dass erst zwei Spiele später wirklich was erreicht ist. Das Hinspiel verloren wir mit 1:3, ich wurde eingewechselt und habe mich schon gut gefühlt, im Rückspiel vor toller Kulisse an der Grünwalder Straße - das kannten wir so nicht - durfte ich dann von Beginn an ran. Hinzu kam der Spielverlauf: Nach dem frühen 0:1 waren wir gefühlt schon weg, die Aufholjagd und die persönliche Beteiligung machten es umso schöner.
Was viele nicht mehr wissen: In den beiden Aufstiegsspielen stand auch ein gewisser Alphonso Davies auf dem Platz (vorher drei Regionalliga-Spiele). Wie haben Sie ihn erlebt?
Rochelt: Er war im Umgang total korrekt, hat sich mit allen gut verstanden. Klar: Gerade seine Athletik und seine Schnelligkeit waren schon herausragend, es war nicht zu übersehen, dass er das gewisse Etwas hat. Es kann keine zwei Meinungen geben, dass er zurecht da ist, wo er jetzt ist.
Sie haben in München mit vielen Talente zusammengespielt? Welche stechen für Sie heraus?
Rochelt: Auffällig bei uns in der Mannschaft war, dass sehr viele den nächsten Schritt geschafft haben - ob Otschi Wriedt, der aktuell in Kiel ist, oder Woo-yeong Jeong, der bei Freiburg eine gute Rolle spielt. Ob es zur Profikarriere reicht oder nicht, hängt von extrem vielen Faktoren ab: Verletzungen, Mentales, ob der Spielstil des Trainers passt. Eine Karriere lässt sich nicht immer planen.
Bayern-Rechtsverteidiger? "Nicht wirklich wohl gefühlt"
In der 3. Liga, dann unter dem neuen Trainer Sebastian Hoeneß, standen sie anfangs noch regelmäßig in der Startformation, in der Rückrunde waren die Einsatzzeiten recht überschaubar. Wie hat sich diese Entwicklung für Sie dargestellt?
Rochelt: Das erste halbe Jahr war durchweg positiv und richtig schön. Auch in der 3. Liga unter dem neuen Trainer war der Start gut, ich habe viel gespielt, wenngleich auch durch Verletzungen bedingt anfangs auf einer für mich ungewohnten Position als Rechtsverteidiger. Dort habe ich mich nicht wirklich wohl gefühlt, da ich meine Stärken klar in der Offensive sehe. Nach vier Spielen durfte ich dann wieder auf meinen gewohnten Positionen in der Offensive spielen und kam auch auf einige Einsätze. Durch Krankheiten und kleinere Verletzungen wurde ich immer wieder ein wenig zurückgeworfen und im Laufe der Rückrunde hat es dann nicht mehr wie gewünscht funktioniert.
Die Saison wurde als Aufsteiger mit der Drittligameisterschaft abgeschlossen. Wie wurde der Erfolg intern aufgefasst - auch mit einem weinenden Auge, da der erneute Aufstieg in die 2. Liga nicht möglich war?
Rochelt: Ich glaube schon, dass es einen Unterschied macht, ob man mit einer zweiten oder einer ersten Mannschaft aufsteigt. Die Fluktuation im Kader ist dort einfach deutlich größer. Aber das Erreichte kann uns trotzdem keiner nehmen, vor allem da die Hinrunde recht turbulent war. Natürlich wäre es cool, wenn dann auch der Aufstieg möglich wäre, aber ich denke, es ist gut so, wie es ist, damit die Plätze in der 2. Liga nicht irgendwann an die Zweitvertretungen der großen Klubs gehen, die dort regelmäßig ihre größten Talente einsetzen.
Rochelt: "Bin ich froh über die Zeit in München"
Ihre Situation besserte sich auch in der Vorrunde 2020/21 nicht. Sie standen nur einmal in der Startelf ...
Rochelt: Nach dem erneuten Trainerwechsel (zurück von Hoeneß zu Seitz, Anm. d. Red.) hat sich die Struktur am Campus ein bisschen verändert, es wurde verstärkt der Fokus auf noch jüngere Spieler gelegt. Diese sollten sich zeigen. Ich muss aber auch sagen, dass ich in dieser Phase nicht meine besten Leistungen gezeigt habe, weil ich an der Situation schon zu knabbern hatte. Es war persönlich schwierig, damit umzugehen. Ich kannte das so nicht, es war eine neue Erfahrung. Dennoch bin ich froh über die Zeit in München. Rückblickend hat mich das geprägt.
Nach Ihrem Wechsel nach Ulm in der Winterpause ging es bei der Mannschaft abwärts. Am Ende der Saison stand Platz 18 und der Abstieg in die Regionalliga, dort befindet man sich aktuell weit hinter den Spitzenteams auf Platz 6. Wie haben Sie die Entwicklung verfolgt?
Rochelt: Wenn man sich die diesjährige Mannschaft anschaut, sind das durch die Bank sehr junge Spieler. Der Schritt aus der Jugend heraus ist anspruchsvoll, diese Erfahrungen sind aber enorm wichtig für die weitere Entwicklung.
Nach eineinhalb Jahren in Ulm in der Regionalliga, wo Sie sich im Aufstiegsrennen ausgerechnet Ihrem heutigen Klub Elversberg geschlagen geben mussten, sind Sie nun wieder in der 3. Liga angekommen, mit immer noch erst 24 Jahren. Alles gut gelaufen also oder bereuen Sie rückblickend die Entscheidung, den FC Bayern schon vor Vertragsende verlassen zu haben?
Rochelt: Ich bin absolut zufrieden, alles hat Sinn ergeben und ich bin sehr glücklich hier in Elversberg. Ich hoffe, dass es weiterhin so viel Spaß macht und auch die Ergebnisse passen. Nebenbei absolviere ich noch ein BWL-Fernstudium. Ich nutze die Zeit, die man nebenbei so hat, um auch noch ein Studium in der Tasche zu haben, aber der ganz klare Fokus liegt erst einmal auf dem Sportlichen.
Jannik Rochelt: Statistiken für Memmingen, Bayern, Ulm und Elversberg
Verein | Zeitraum | Spiele | Tore | Vorlagen | Gelbe Karten | Minuten |
SV Elversberg | seit 2022 | 21 | 10 | 8 | 3 | 1.554 |
SSV Ulm | 2021-2022 | 58 | 5 | 8 | 9 | 3.830 |
FC Bayern II | 2019-2021 | 40 | 3 | 8 | 2 | 2.103 |
FC Memmingen | 2017-2018 | 45 | 16 | 8 | 8 | 3.789 |