Handball-EM - DHB-Team: Eine Niederlage, die Mut macht
Beginnen wir mit der guten Nachricht: Das DHB-Team hat einem der absoluten Topfavoriten auf den EM-Sieg das Leben lange extrem schwer gemacht, ohne dabei in allen Mannschaftsteilen und vor allem ohne dabei konstant ans eigene spielerische Limit gekommen zu sein.
"Ich bin extrem stolz auf die Jungs, sie haben alles gegeben", sagte Bundestrainer Alfred Gislason, nachdem sich seine Truppe mal wieder durch ein "schwarzes Loch" - eine Phase, in der die Mannschaft komplett den Faden verlor - um den möglichen Sieg gebracht hatte.
Zwischen Sebastian Heymanns Tor zur 27:26-Führung und Juri Knorrs Treffer zum 28:30 vergingen fast acht Minuten, die für die deutsche Auswahl den "Todesstoß" bedeuteten. Das DHB-Team reist damit ohne Punkt im Gepäck zur Hauptrunde nach Köln.
Wollen die deutschen Handballer ins Halbfinale, heißt die Devise von nun an: Verlieren verboten. Aus den vier Partien gegen Island (Donnerstag), Österreich (Samstag), Ungarn (Montag) und Kroatien (Mittwoch) braucht es aller Voraussicht nach vier Siege, um einen der ersten beiden Plätze der Hauptrundengruppe I zu ergattern. "Wir haben jetzt vier Endspiele, jede Niederlage bedeutet das Aus", meinte Gislason.
Mit einem Team vom Kaliber der Franzosen bekommt es Deutschland dabei aber nicht zu tun. Mit dem Heimvorteil und fast 20.000 Fans im Rücken ist ein Lauf in der Lanxess Arena zwar ein kompliziertes, aber kein unmögliches Unterfangen. Insofern hat die Art und Weise der Niederlage gegen Frankreich sogar in gewisser Weise etwas Mut gemacht.
"Noch ist nichts verloren. Wir haben noch alle Chancen, ins Halbfinale vorzudringen", stellte auch Torhüter Andreas Wolff klar, der mit 16 Paraden und einer Quote von 35,56 Prozent abgewehrter Bälle gegen Les Experts eine starke Performance zeigte.
Handball-EM - DHB-Team: Dem Kader fehlt es an Breite
Neben der fehlenden Feuerkraft aus dem Rückraum (ein Problem, das die deutsche Mannschaft eigentlich seit Jahren begleitet) ist der DHB-Kader im Vergleich zu den Topnationen in der Breite (noch) nicht gut genug. Zumindest sieht das Gislason so.
Johannes Golla und Lukas Mertens standen über 58 Minuten auf dem Feld, Andreas Wolff über 56 Minuten, Julian Köster etwas mehr als 50 Minuten, Timo Kastening 45 Minuten und Juri Knorr 44 Minuten - eine enorme Anstrengung für Körper und Geist. Zum Vergleich: Bei den Franzosen musste mit Torhüter Remi Desbonnet (knapp 59 Minuten) lediglich ein Akteur gleich lange oder länger als die sechs genannten DHB-Profis ran.
"Wir haben eine sehr junge, talentierte Mannschaft. Wir versuchen, die auch in der Breite aufzubauen und das läuft ganz gut. Aber für den einen oder anderen ist Frankreich schon eine sehr große Hürde", sagte der Bundestrainer, der mit Justus Fischer, Rune Dahmke und Martin Hanne drei Spieler aus seinem 16er Kader überhaupt nicht einsetzte.
Eine Weile kam Philipp Weber für Knorr, zeitweise Heymann für Köster - so richtig überzeugend fand der Isländer die Lösung aber offensichtlich nicht. Er hoffe, dass Heymann besser reinkommt, meinte der 64-Jährige: "Aber ein flüssigeres Spiel ist es schon mit Köster."
Da die DHB-Auswahl mit zunehmender Spieldauer immer müder wurde, räumte Gislason ein, womöglich einen Fehler in der Belastungssteuerung begangen zu haben. "Vielleicht hätte ich Golli mal rausnehmen müssen, das habe ich nicht gemacht. Im Nachhinein ist man immer schlauer. Vielleicht hätte ich ihm zwei, drei Minuten geben können, aber dann wäre das Spiel vielleicht weg gewesen", so der Mann aus Akureyri.
Handball-EM - DHB-Team: Gislason und Golla widersprechen sich
33 Gegentore und damit so viele wie nur einmal - im ersten Testspiel vor der EM gegen Portugal (34:33) - seit der WM 2023 hat die DHB-Auswahl gegen Frankreich kassiert. Die Abwehr wirkte zumindest nicht dauerhaft auf der Höhe.
Umso überraschender kam Gislasons Einschätzung bei der Pressekonferenz daher: "Die Abwehr war aus meiner Sicht sehr gut, obwohl wir 33 Gegentore kassiert haben. Viele Tore sind aus dem Gegenstoß und der Schnellen Mitte heraus entstanden."
Abwehrchef und Kapitän Golla bewertete die Leistung in der Defensive konträr zu seinem Boss. "Wir wussten, dass wir für fast jeden Fehler, den wir machen, bestraft werden würden. Das ist heute zu oft passiert. Wir haben in der Abwehr nicht so gut gespielt, wie wir das in den ersten beiden Spielen getan haben", sagte der 26-Jährige.
Gegen die Schweiz hatte Deutschland 14 Gegentore kassiert, gegen Nordmazedonien 25. Aber klar: Mit der Qualität Frankreichs sind diese Mannschaften nicht zu vergleichen. Mit Dika Mem (5), Kentin Mahe (5), Elohim Prandi (4), Nikola Karabatic (4), Ludovic Fabregas (4), Melvyn Richardson (3) und Hugo Descat (3) erzielten gleich sieben französische Spieler mindestens drei Tore.
Handball-EM: Tabelle der Gruppe A
Platz | Team | Spiele | Tore | Punkte |
1. | Frankreich | 3 | 98:85 | 5 |
2. | Deutschland | 3 | 91:72 | 4 |
3. | Nordmazedonien | 3 | 83:100 | 2 |
4. | Schweiz | 3 | 67:82 | 1 |