Der Hexenkessel von Split verstummte schlagartig. Gastgeber Kroatien feierte eine ausgelassene Handball-Party, führte gegen den serbischen Erzrivalen längst uneinholbar, da sackte Domagoj Duvnjak zusammen. Der kroatische Kapitän, Superstar vom THW Kiel und Hoffnungsträger einer ganzen Nation, lag auf dem Hallenboden und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die rechte Wade.
"Ich mache mir Sorgen", sagte Kroatiens Trainer Lino Cervar mit ernstem Gesicht. Die Freude über den glanzvollen 32:22-Erfolg zum Start in die Heim-EM rückte schnell in den Hintergrund.
Sie Sorgen waren berechtigt. Duvnjak zog sich eine Muskelverletzung in der Wade zu, zudem wurde bei einer MRT-Untersuchung am Samstag ein Hämatom festgestellt. Duvnjak fällt damit für den Rest der Vorrunde aus. Im schlimmsten Fall droht sogar das Turnieraus.
Ausgerechnet Duvnjak
Ausgerechnet Duvnjak. Sieben lange Monate war der Kieler Rückraumspieler zuletzt wegen einer Knieverletzung ausgefallen und hatte erst im Dezember sein Comeback gefeiert. Nun der erneute Rückschlag. "Duvnjak ist unser bester Spieler, er ist der Chef des Angriffs und ich möchte nicht glauben, dass wir ihn verloren haben", sagte Kroatiens Abwehrchef Jakov Gojun von den Füchsen Berlin.
Duvnjak war voller Vorfreude und Motivation in die EM gestartet. Monatelang hatte er sich in der Reha gequält für seinen großen Traum, für die Mission Gold bei der EM in seiner Heimat Kroatien. "Unser ganzes Land wünscht sich den Sieg, erwartet aber zumindest eine Medaille", hatte er vor dem Turnier gesagt.
Seinen unschätzbaren Wert für ein Team bewies Duvnjak zuletzt beim THW Kiel. Ohne seinen Topspieler rutschte der deutsche Rekordmeister in die Krise. Erst Anfang Dezember, 228 Tage nach dem Eingriff an der Patellasehne am linken Knie, feierte Duvnjak seine Rückkehr auf das Handballfeld. Kiel siegte seither fünfmal in Serie, Duvnjak schien bereit für die EM.
Dabei hatte Klubcoach Alfred Gislason seinem Schützling einen EM-Verzicht öffentlich nahelegt. "Das Schlaueste wäre es für alle Beteiligten, er würde bei der EM gar nicht spielen", hatte Gislason im Vorfeld des Turniers in Sorge um seinen Leader gesagt. Doch Duvnjak wollte sich seinen Traum vom ersten internationalen Titel unbedingt in der Heimat erfüllen. Dieser Traum hängt nun am seidenen Faden.
"Ich möchte nichts vorhersagen", sagte Kroatiens Rechtsaußen Zlatko Horvat, "aber es war nicht nur ein normaler Krampf. Wir hoffen, dass Dule so schnell wie möglich zurückkehrt."