Ein Blick in den Teletext (Achtung: altmodisch!) am vergangenen Sonntag genügte. Hannover-Burgdorf: 27. Flensburg: 26. Alles klar, hiermit gratulieren wir also dem THW Kiel zur Deutschen Meisterschaft. Mal wieder.
Irgendwie traute man den Flensburgern in dieser Saison ja wirklich zu, den Titelkampf mindestens bis zum Ende offen zu gestalten, aber die erste Heimpleite seit 37 Spielen in der FLENS-Arena (für mich auf immer die Campushalle) gegen die Löwen und die Niederlage in Hannover haben für das altbekannte Tabellenbild gesorgt.
Kiel (40:4-Punkte) spielt in einer eigenen Liga, dahinter spielen der HSV (37:9), die Löwen (35:9), Flensburg (36:10) und die Füchse (34:12) auch in ihrer völlig eigenen Vierer-Liga. Die Verhältnisse im deutschen Handball sind dermaßen einfach gestrickt...
Dass auch das Restprogramm mit Heimspielen gegen Flensburg und Berlin, bei einem verbleibenden Auswärts-Kracher bei den Löwen, für den THW spricht? Geschenkt. So oder so führt nichts an der erneuten Meisterschaft vorbei.
Alle Abgänge kompensiert
Seit 2005 der neunten in zehn Jahren. Noch mal zum Mitschreiben: der neunten in zehn Jahren. Es wäre durchaus angebracht, die Konkurrenz mal kritisch zu hinterfragen. Warum schafft Ihr es einfach nicht, die nötige Konstanz aufzubringen, um dem THW wirklich gefährlich zu werden?!
Statt die Konkurrenz zu kritisieren, gibt es aber auch eine andere Möglichkeit, mit der Kieler Dominanz umzugehen. Nämlich vor diesem unfassbaren Sportverein alle Hüte zu ziehen, die man nur hat. Was wurde vor dieser Saison nicht alles gesprochen? Kreislauf-Superstar Marcus Ahlm: Karrierende. Torwart-Legende Thierry Omeyer: weg. Rückraum-Granate Daniel Narcisse: weg. Momir Ilic: auch weg.
Die THW-Verantwortlichen selbst versuchten, die Favoritenrolle Flensburg und Hamburg zuzuschustern. Wenn eine Saison wie gemacht schien für einen Angriff auf scheinbar abbauende Kieler, dann die Saison 2013/2014. Ein klarer Fall von denkste!
Die Mannschaft hat zwar menschliche Züge gezeigt (Pokal-Heimpleite gegen die Löwen), aber Coach Alfred Gislason hat es um die überragenden Filip Jicha und Marko Vujin (Nr. 1 der HBL-Torschützenliste) wieder geschafft, ein Team zusammenzubauen, das seinesgleichen sucht.
Gislason und der perfekte Handball
Dominik Klein sprach einmal von einem spanisch angehauchte Stil mit der klaren Kreisläufer-Fokussierung, das System ist aber gar nicht entscheidend. Es geht um die Mentalität des Teams - und Gislason ist dabei der entscheidende Faktor. Der Isländer ist besessen vom Gedanken an den perfekten Handball. Und er wird dafür mit neuem Weltklasse-Material versorgt.
Für den Nicht-Handball-Freak sei hier noch mal erwähnt, dass der THW für die neue Saison schon Domagoj Duvnjak (in your face, HSV) und Steffen Weinhold (in your face, Flensburg) verpflichtet hat. Es gibt gute Argumente dafür, Duvnjak als den momentan besten Handballer der Welt zu bezeichnen. Die Wahl zum Welthandballer ist dabei nur ein Aspekt.
Und Weinhold? Der Linkshänder, der auch einen super Mittelmann geben kann, ist in der deutschen Problemzone Rückraum vielleicht DER Hoffnungsträger, auch für die Nationalmannschaft.
Ganz nett wäre noch eine Verstärkung auf der Torhüter-Position. Da hat sich Johan Sjöstrand nach zwischenzeitlichen Schwächen zwar gesteigert, aber es gibt natürlich Potenzial nach oben, wenn man den statistisch sechstbesten Keeper der HBL im Kasten hat. Man könnte sich zum Beispiel den besten Torhüter der HBL (12 Paraden pro Spiel) angeln.
Wie wäre es mit Landin?
Der heißt Niklas Landin, steht bei den Löwen noch bis 2015 unter Vertrag und ist aktuell der begehrteste Spieler überhaupt auf dem Transfermarkt. Kiel? Barca? PSG? Der Däne kann sich aussuchen, für welchen Klub er in Zukunft spielen will. Dass der THW ihn haben will (In your face, Löwen), ist kein Geheimnis.
Genauso völlig klar ist leider die fehlende Wertschätzung, die der THW in der breiten Öffentlichkeit erfährt. Nach der Triple-Saison 2012 mit der Perfect Season in der HBL (68:0-Punkte), dem Champions-League-Triumph und dem Pokalsieg landete Kiel bei der Wahl zur Mannschaft des Jahres auf Platz fünf.
Das war bei allem Respekt vor den anderen Leistungen in einem Olympia-Jahr - pardon - eine absolute Frechheit. Ein erneutes Triple ist nach dem Pokal-Ausscheiden nicht mehr möglich, ein Double aber fast schon wahrscheinlich. Genauso wie weitere fünf Meisterschaften in den nächsten fünf Jahren.
Es ist der absolute Wahnsinn, was der Turnverein Hassee-Winterbek e.V. von 1904 Jahr für Jahr sportlich auf der Platte leistet. Und das muss auch mal laut gesagt werden. Hey, THW, Hey!
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