Kommentar zur Situation im Golf: Die größte Schande, die der Sport jemals gesehen hat

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Frühere Golf-Helden legen einen Heel-Turn hin, der einen sprachlos macht. Die neue Saudi-Tour ist dabei, den Golfsport zu zerstören. Es ist eine Schande. Ein Kommentar.

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Er macht es tatsächlich. Henrik Stenson ist der nächste Golfstar, der sich der neuen Saudi-Turnierserie anschließt. Henrik Stenson ist aber kein normaler Golfstar. Er ist der aktuelle europäische Ryder-Cup-Captain. Besser gesagt: Er war der europäische Ryder-Cup-Captain. Denn dieses Amt hat er mit seiner Entscheidung weggeschmissen und mit Füßen getreten.

Man muss sich das einmal vorstellen: Da ist ein Mann, der gerade das Größte erreicht hat, was er in seinem Sport überhaupt erreichen kann. Er darf der Captain für Team Europe beim Ryder Cup sein - eine größere Ehre ist im Golfsport kaum denkbar.

Und was macht er? Er entscheidet sich für das - blutige - Saudi-Geld. Obwohl der 46-Jährige bereits viele Millionen auf dem Konto liegen hat nach einer extrem erfolgreichen Karriere mit dem Höhepunkt eines Major-Sieges bei der Open Championship 2016.

Der Golfsport erlebt aktuell die größte Schande der Geschichte. Es ist eine komplette Zäsur mit noch völlig ungewissem Ausgang. In der nächsten Woche findet in New Jersey - passenderweise auf einem Golfplatz, der Donald Trump gehört und nicht weit weg von Ground Zero -, das dritte Event von LIV Golf statt.

Die Saudi-Tour ist das Paradebeispiel für Sportswashing. Mit allen Mitteln soll versucht werden, anstatt der schlechten politischen Schlagzeilen positive aus der Welt des Golfsports in den Mittelpunkt zu rücken. Und alles mit der Hilfe eines prall gefüllten Geldkoffers, der überhaupt keine Grenzen kennt. Tiger Woods hätte wohl über eine Milliarde Dollar bekommen können, lehnte aber ab. Viele andere schlugen inzwischen zu und ließen sich kaufen. Tendenz: leider steigend.

Es ist absolut erschütternd, was aus vielen Helden der Golfgeschichte geworden ist. Im Wrestling würde man von absolut schockierenden Heel-Turns sprechen, die sich nie einer vorstellen konnte.

Mickelson und Co.: Jede Pressekonferenz ist nur noch peinlich

Phil Mickelson, Ian Poulter, Lee Westwood, Sergio Garcia - jede einzelne Pressekonferenz ist inzwischen an Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten. Mickelson ist nicht nur spielerisch ein Schatten seiner selbst, er sieht auch wie ein komplett anderer Mensch aus, dem absolut nichts mehr einfällt, außer in jedem Satz "Ich respektiere das" zu sagen.

Ryder-Cup-Gott Poulter geriet zuletzt mit einem Reporter aneinander und weigerte sich einfach, zuzugeben, dass er am ersten Abschlag in St. Andrews unüberhörbar von Teilen der Fans ausgebuht wurde. Westwood schob die Schuld generell den Medien in die Schuhe. Alle haben sich in eine passiv-aggressive Haltung zurückgezogen, alle reden entweder wirres Zeug oder das Zeug, das ihre neuen Bosse aus Saudi-Arabien gerne hören wollen.

Und dann gibt es einen Spieler wie den US-Amerikaner Talor Gooch, der sich nach dem letzten LIV-Event hinstellt und davon spricht, die Stimmung könnte beim Ryder Cup auch nicht besser sein. Was darf Satire? Gooch war natürlich noch nie beim Ryder Cup und wird auch nie einen erleben.

Es gibt zwei Ebenen bei allen Diskussionen um die Saudi-Tour. Natürlich wie erwähnt eine moralische. Wenn dir die Angehörigen der Opfer des 11. September einen Brief schreiben, um ihre Empörung auszudrücken, sollte eigentlich jedem normalen Menschen klar werden, dass hier gerade etwas in die ganz falsche Richtung läuft.

Aber man geht einfach darüber hinweg, genauso wie über die brutale Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi, die stattfindenden Massenhinrichtungen oder die Unterdrückung der Rechte von Frauen.

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Endlich mehr Zeit mit der Familie? So ein Schwachsinn

Die verharmlosende "Jeder macht mal Fehler"-Aussage von LIV-Boss Greg Norman zum Khashoggi-Mord war schlicht und ergreifend widerlich. Man wolle mit dem Golfsport ja so viel Positives bewegen! Und überhaupt, auch in anderen Sportarten wie der Formel 1 fließt ja das gleiche Saudi-Geld, und US-Präsident Joe Biden war jetzt auch in Saudi-Arabien.

Die Gegenargumente sind abstrus. Als ob es keinen Unterschied gibt, ob ich als US-Präsident Saudi-Arabien weltpolitisch nicht komplett ignorieren kann (leider), ob ich als Formel-1-Fahrer nicht viel dagegen machen kann (leider), wo die Rennen neuerdings stattfinden, oder ob ich mich als Golfer, der wie gesagt schon zig Millionen auf dem Konto hat, völlig freiwillig einfach kaufen lasse.

Jeder ist käuflich. Du würdest das Geld doch auch nehmen. Auch das hört man oft. Was ist das denn für eine Welt, wenn wir wirklich absolut alles nur noch nach dem Faktor Geld entscheiden?

Was dazu kommt, das ist die zweite Ebene der Diskussion, sind die komplett lächerlichen Begründungen für die Entscheidungen. Endlich kann ich mehr Zeit mit der Familie verbringen! Endlich nicht mehr so viele Turniere! Dabei kann sich auch jeder Golfer auf der PGA Tour einen sehr familienfreundlichen Turnierplan gestalten. Einen größeren Schwachsinn hat man wirklich selten gehört.

Oder, auch gut: Wir wollen den Golfsport nach vorne bringen. Mit diesen total geilen Shotgun-Starts, Turnieren über 54 Löcher und Partystimmung. Und dieser Team-Wettbewerb macht so viel Spaß! Es ist grotesk.

LIV: Nicht nur moralisch verwerflich, auch sportlicher Nonsens!

Dabei ist die Serie nicht nur moralisch verwerflich, sie ist auch sportlich totaler Nonsens. Es ist ein Zirkus, ein reines Showevent, das niemand braucht und bei dem am Ende Leute auch für miserablen Sport fürstlich bezahlt werden. Und das Gute hat hier niemand im Sinn. Warum hat Stenson wohl so ein gutes Angebot bekommen? Sicher nicht, weil er ein Zugpferd wäre. Nein, man will einfach nur zerstören.

Im Übrigen sehen das viele Golfer natürlich alles auch so. Es geht ein klarer Riss durch die Reihen der Spieler, viele fühlen sich von den Abtrünnigen betrogen.

Wie es weitergeht? Wenn es schlecht für sie läuft, werden die Saudi-Golfer irgendwann nicht mehr auf der größten Bühne zu sehen sein. Es ist sehr gut möglich, dass der Antrag der Saudi-Tour auf Weltranglistenpunkte abgelehnt wird, dann haben diese Spieler früher oder später alle ein gewaltiges Problem und werden sich nicht mehr für die größten Turniere qualifizieren können.

Wie absurd die Lage ist, zeigt auch, dass die LIV-Golfer offenbar darüber nachdenken, Turniere auf der eigentlich eher unwichtigen Asien-Tour zu spielen, um dort krampfhaft Punkte für die Weltrangliste einzusammeln. Ganz vergessen: Wollten sie nicht eigentlich weniger Turniere spielen?

2023 findet der Ryder Cup in Rom statt. Es wird auch ohne viele prägende Gesichter der Vergangenheit wieder ein unvergessliches Event werden. Henrik Stenson kann dann, statt als Captain die Woche seines Lebens zu erfahren, zuhause auf der Couch sein Geld zählen. Bravo.

Vielleicht werden es irgendwann auch einfach doch zu viele Spieler, sodass die PGA Tour die Sperren nicht aufrechterhalten kann und es irgendeine Art von Kompromiss geben muss. Man kann es sich jetzt schon lebhaft vorstellen, wie gewisse Spieler sich dafür feiern lassen würden, weil sie durch ihre Haltung den Golfsport insgesamt für alle nach vorne gebracht hätten. Falls es so kommt: Lasst euch ruhig dafür feiern, eure Legacy habt ihr jetzt schon zerstört - und die wird immer wichtiger sein als das ganze Geld.

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