"Es gibt nicht Größers für einen Golfer, als ein Major-Turnier zu gewinnen", sagte Martin Kaymer, der sein Glück kaum fassen konnte: "Es wird wohl eine Weile dauern, bis ich begreife, was hier passiert ist."
Beim Blick auf die Trophäe wurde Kaymer fast ein bisschen verlegen: "Wow, das ist echt cool, meinen Namen jetzt neben so Legenden wie Jack Nicklaus oder Arnold Palmer zu sehen."
Kaymer erhielt für seinen Sieg ein Preisgeld von rund 1,35 Millionen Dollar - in der Weltrangliste verbesserte er sich auf Rang fünf.
Wo soll man bei diesem Finaltag der PGA Championship bloß anfangen? Es war ein Tag, der alles hatte, was Golf zu so einem unfassbaren Sport macht. Unglaubliche Schläge, unglaubliche Wendungen, unglaubliches Entertainment - und eine unglaubliche Dramatik.
Woods und Mickelson geschlagen
Und weder Tiger Woods noch Phil Mickelson hatten damit etwas zu tun. Woods beendete seine Woche nach einer abschließenden 73 auf dem 28. Platz, Mickelson schob sich durch eine famose 67 noch auf Platz zwölf vor. Doch das Drama kam lange nach ihnen.
Race to Dubai: Kaymer in Führung
Martin Kaymer war mit vier Schlägen Rückstand auf den führenden Amerikaner Nick Watney in die Finalrunde gestartet, aber der Rückstand war ganz schnell aufgeholt. Watney startete mit einem Doppel-Bogey an der 1 katastrophal in seine Finalrunde, Kaymer dagegen begann mit zwei Birdies an den ersten vier Löchern (2 und 4).
In der Folge wurden zwei Sachen schnell klar. Dass Watney mit dem Ausgang des Turniers überhaupt nichts zu tun haben würde, aber Kaymer sehr wohl. Watney erlebte einen einzigen Albtraum und schoss am Ende eine miserable 81 - und das auch nur, weil ihm zum Schluss noch zwei Birdies gelangen. Für den US-Boy reichte es so nur zum geteilten 18. Rang.
Ganz anders Kaymer: Der 25-Jährige zeigte genau das, was ihn so auszeichnet. Niemand spielte so konstant und solide wie Kaymer. Mit einem weiteren Birdie an der 10 verbesserte er sich auf zwölf unter Par und erspielte sich so zwischenzeitlich eine Zwei-Schläge-Führung.
Kaymer: Mr. Konstanz
Ein Beleg für Kaymers Stärke: Während alle anderen sich immer wieder Fehler leisteten, blieb er bis zur schweren 15. Spielbahn der Finalrunde als Einziger bogeyfrei. Erst dann musste nach einem verschobenen Par-Putt auch Kaymer einen Schlagverlust hinnehmen. Zuvor hatte er sich in sage und schreibe 51 Löchern nur ein einziges Bogey geleistet - und das war an Tag 3 an der 11 (Par 5) auch noch extrem unnötig und ärgerlich.
Eine solch fast fehlerfreie Leistung auf einem so schweren Platz wie dem Par-72-Kurs von Whistling Straits ist schlicht und ergreifend beeindruckend. Dennoch war lange unklar, ob es für Kaymer zum ganz großen Coup reichen würde.
Eine Menge Spieler hatten auf den letzten Löchern Chancen auf den Sieg. Der australische Altmeister und Ex-PGA-Championship-Sieger Steve Elkington tauchte plötzlich vorne auf, Ex-Masters-Sieger Zach Johnson war nahe am Sieg - und Nordirlands Jungstar Rory McIlroy vergab seinen ersten Major-Sieg mit zu vielen verpassten Putts.
So blieben drei Mann übrig, die den Major-Sieg unter sich ausmachen würden: Neben Kaymer die beiden US-Boys Bubba Watson und Dustin Johnson. Zunächst brachte Watson eine 68 ins Clubhaus und setzte damit bei elf unter Par eine imposante Marke, die es zu schlagen galt.
Kaymer mit dem Herz eines Champions
Kurzzeitig sah es so aus, als ob Watsons Ergebnis für Kaymer zu gut sein könnte. Doch dann kam beim Deutschen das Herz eines echten Champions zum Vorschein. Er lochte einen kritischen Par-Putt an der brutalschweren 17 und schaffte dann an der noch übleren 18 das Up-and-Down seines Lebens.
Kaymers zweiter Schlag war zu kurz geblieben - mit einem Lob-Shot aus dem dichten Gestrüpp in der Senke vor dem 18. Grün befreite er sich aber genial und gab sich einen Fünf-Meter-Putt zum Par. Er musste ihn lochen, um mit Watson gleichzuziehen - und er lochte ihn. Die Faust war da. Es war großes Kino.
Da Longhitter Johnson aber parallel sensationelle Birdies an der 16 und 17 gespielt hatte, schienen Kaymer und Watson bei elf unter dennoch raus. Johnson lag bei zwölf unter Par und brauchte nur noch ein Par auf der 18, um seinerseits seinen ersten Major-Titel zu gewinnen.
Was dann passierte, war eines der größten Dramen in der Golf-Geschichte. Und das ist noch untertrieben. Johnson verzog seinen Abschlag ganz weit nach rechts, sein Ball blieb auf einer sandartigen Stelle liegen, die von den vielen Zuschauern total platt getreten war. Niemand dachte sich etwas Böses.
Unfassbares Drama um Dustin Johnson
Johnson verzog seinen zweiten Schlag links neben das Grün, spielte dann aber einen herausragenden Annäherungsschlag und hatte - so dachten alle zu diesem Zeitpunkt - einen Zwei-Meter-Putt zum Sieg. Johnson lochte den Putt nicht, es sollte nun eigentlich zu einem Playoff zwischen ihm, Kaymer und Watson kommen.
Doch als direkt noch am Grün ein Regel-Offizieller auf Johnson zukam, konnte man schon Schlimmes ahnen. Was war geschehen? Die Stelle, von der Johnson seinen zweiten Schlag spielte, war zwar nicht als Bunker zu erkennen, aber laut Regularien war es ein Bunker. Heißt: Es ist nicht erlaubt, den Schläger vor dem Schlag auf den Boden aufzusetzen.
Ryder-Cup-Team der USA: Woods muss auf Wildcard hoffen
Genau das hatte Johnson, der völlig ahnungslos war, aber getan. Nach langen Diskussionen passierte das regeltechnisch unvermeidliche, aber menschlich herzzerreißende: Johnson musste sein notiertes Bogey auf der Scorekarte ausradieren und sich eine Strafe von zwei Schlägen geben - Triple-Bogey, Sieg weg, Stechen weg, alles weg. Bitterer geht es nicht.
Johnson, der in diesem Jahr bei den US Open schon für Aufsehen gesorgt hatte, als er in der Finalrunde in Führung liegend völlig eingebrochen war, trug es mit Fassung. Ein kleiner Trost: Er hat sich definitiv für das US-Ryder-Cup-Team qualifiziert.
Watson geht baden
Das gleiche gilt für Watson, doch der wollte mehr. Watson begann das 3-Loch-Stechen gegen Kaymer mit einem Birdie an der 10. Vorteil USA. Doch Kaymer blieb ruhig und packte am zweiten Extra-Loch, der 17, einen Traum-Teeshot aus. Auch den anschließenden Birdie-Putt lochte er, sodass vor dem dritten Loch des Stechens wieder alles ausgeglichen war.
An der 18 verzogen dann beide ihre Abschläge nach rechts. Watson war mit seinem zweiten Schlag zuerst an der Reihe und feuerte ein langes Eisen direkt in Richtung Fahne. Nur leider zu kurz aus seiner Sicht. Viel zu kurz. Der Ball landete im Wasser.Kaymer, der eine schreckliche Lage hatte, reagierte richtig und legte vor, um dann ein typisches Kaymer-Eisen aufs Grün zu nageln. Als Watson nach einem Drop seinen vierten Schlag zu lang ließ, war die Sache eigentlich gelaufen. Oder doch nicht?
Watson musste seinen Chip jetzt lochen und unfassbarerweise hätte er das fast getan. Der Ball traf den Flaggenstock, ging aber nicht rein. So reichten Kaymer jetzt zwei Putts zum Sieg. Den ersten lochte er noch nicht, aber den zweiten lochte Kaymer aus gut einem Meter zum Major-Sieg! Der PGA Champion 2010 heißt Martin Kaymer!