Um 22.26 Uhr brachen auf Schalke alle Dämme: Die Fans stürmten nach der Rückkehr in die Fußball-Bundesliga auf den Rasen, Torjäger Simon Terodde heulte wie ein Schlosshund und Trainer Mike Büskens herzte seine Spieler. "Der S04 ist wieder da", sangen die überglücklichen Anhänger lauthals. Es war der Startschuss in eine lange Partynacht in Gelsenkirchen.
"Das Gefühl ist unglaublich. Es war unser Traum. Dafür mussten wir kämpfen, man bekommt es nicht geschenkt", sagte Büskens bei Sky: "Ein riesiges Kompliment an die Truppe. Es ist unfassbar. Ich habe den Jungs in der Pause gesagt: Das war die beste erste Halbzeit, die wir gespielt haben. Von diesem Abend werden wir noch in ein, zwei Jahrzehnten sprechen mit dieser Dramaturgie."
"Es war eine unglaubliche Reise", betonte Büskens, der Anfang März vom Assistenten zum Chefcoach befördert worden war, nach dem siebten Dreier im achten Spiel unter seiner Regie, "wir haben einen Spirit entwickelt, der war sensationell." Als er für den beurlaubten Dimitrios Grammozis übernommen hatte, lag Schalke sechs Punkte hinter dem Relegationsplatz. "Ich denke, die wenigsten Leute haben gedacht, dass wir es noch packen", sagte er, "es war schon intensiv, die Reise war schon beschwerlich."
Schalke 04 steigt auf: "Alle haben es verdient"
S04-Sportdirektor Rouven Schröder sagte bei Sport1: "Es ist gefühlt Schockstarre. Es ist unfassbar, was heute passiert ist. Ganz großes Kompliment an alle im Verein, die daran geglaubt und die Mannschaft unterstützt haben. Alle haben es verdient, dieses Gefühl zu haben. Wir sind alle überglücklich. Von 0:2 auf 3:2 - genau das brauchen wir. Die Jungs haben alle daran geglaubt. Schalke 04 lebt wieder."
Auch Gerald Asamoah, Leiter des Lizenzbereichs, war aus dem Häuschen: "Das, was die Jungs mit uns gemacht haben, ist einfach krank. 0:2 zurückgelegen, aber diese Mannschaft ist einfach geil. Die Fans haben uns nach vorne gepusht, die Stimmung war so überragend."
Um nach 382 Tagen ins deutsche Oberhaus zurückzukehren, war eine Energieleistung notwendig. Der Zweitliga-Tabellenführer besiegte nach 0:2-Rückstand den FC St. Pauli mit 3:2 (0:2) und ist am letzten Spieltag nicht mehr von einem der ersten beiden Plätze zu verdrängen.
Torjäger Terodde mit seinen Saisontreffern 28 und 29 (47., Foulelfmeter/71.) und Joker Rodrigo Zalazar (78.) schossen die Königsblauen vor 62.271 Zuschauern in der ausverkauften Veltins Arena zum vierten Mal nach 1982, 1984 und 1991 zurück in die Bundesliga - zum dritten Mal nach nur einer Zweitliga-Saison. Am 20. April 2021 hatten die Königsblauen mit einem 0:1 bei Arminia Bielefeld ihren vierten Abstieg besiegelt.
Matanovic-Doppelpack schockt Schalke 04
Igor Matanovic (9. und 17.) hatte die Hamburger mit einem Doppelpack in Führung gebracht. Nach dem sechsten Spiel in Folge ohne Sieg sind die Aufstiegschancen des St. Pauli, vor einem Monat noch Spitzenreiter, nur noch theoretisch vorhanden. Marcel Beifus sah wegen groben Foulspiels zudem noch die Rote Karte (81.), Matanovic flog mit Gelb-Rot vom Platz (90.+5).
Schon vor dem Anpfiff hatte Königsblau gefeiert: seine Eurofighter, die vor 25 Jahren sensationell den UEFA-Cup gewonnen und den größten Erfolg der Vereinsgeschichte perfekt gemacht hatten. Das Team um Jahrhunderttrainer Huub Stevens traf sich auf dem Rasen zum Jubiläum, die Fans sangen von der legendären Reise durch Europa.
Büskens, selbst Teil der Mannschaft von 1997, war mit dem aktuellen Schalke beschäftigt. Der 54-Jährige stellte gegenüber dem emotionalen 2:1-Sieg in Sandhausen auf zwei Positionen um und holte Thomas Ouwejan und Dominick Drexler in die Startelf zurück. Sein Gegenüber Timo Schultz musste nach dem Corona-Ausbruch am vergangenen Sonntag gleich ein halbes Dutzend Spieler austauschen.
Schalke-Keeper Fraisl patzt vor zweitem Gegentor
Die beiden Trainer hätten beinahe nach 32 Sekunden schon das erste Tor gesehen, doch Terodde scheiterte freistehend an Dennis Smarsch. St. Paulis Keeper rettete auch gegen Marius Bülter (5.). Auf der Gegenseite war dagegen der erste Schuss ein Treffer: Matanovic schloss den ersten, weitgehend ungestört vorgetragenen Hamburger Angriff mit der Führung ab.
Das 2:0 schenkte Schalke-Torwart Martin Fraisl den Gästen: Der Keeper, der schon zuletzt immer wieder mit Aussetzern aufgefallen war, leistete sich im Spielaufbau einen katastrophalen Fehlpass, den Matanovic nutzte. Schalke antwortete und jubelte - zu früh: Dem vermeintlichen Ausgleich durch Ko Itakura war ein Handspiel des Japaners vorausgegangen (23.). Dann schoss Terodde aus zwei Metern Verteidiger Jakov Medic auf der Torlinie an (33.).
Nur wenige Sekunden nach Wiederanpfiff riss Medic Terodde im Strafraum um, der Zweitliga-Rekordtorschütze traf vom Elfmeterpunkt. Danach stürmte Schalke, angetrieben von den Fans, mit dem Mut der Verzweiflung. Terodde verwertete eine Vorlage von Darko Churlinov zu seinem 171. Zweitligator. Zalazar verwandelte die Arena endgültig in ein Tollhaus.
FC Schalke 04 - FC St. Pauli: Die Daten des Spiels
Schalke: Fraisl - Vindheim (55. Aydin), Itakura, Kaminski, Ouwejan - Flick, Latza (79. Palsson) - Drexler (67. Zalazar), Churlinov (79. Idrizi) - Terodde, Bülter. - Trainer: Büskens
St. Pauli: Smarsch - Zander, Beifus, Medic, Paqarada (80. Makienok) - Aremu (58. Ritzka) - Irvine, Benatelli (79. Daschner) - Hartel - Matanovic, Kyereh. - Trainer: Schultz
Tore: 0:1 Matanovic (9.), 0:2 Matanovic (17.), 1:2 Terodde (47. Foulelfmeter), 2:2 Terodde (71.), 3:2 Zalazar (78.)
Rote Karte: Beifus wegen groben Foulspiels (81.)
Gelb-Rote Karte: Matanovic (St. Pauli) wegen wiederholten Foulspiels (90.+5)
Gelbe Karten: Latza (5), Vindheim (3), Idrizi (3) - Aremu (5), Medic (4), Kyereh (5)