Außerdem erklärt der 50-Jährige, wer sein persönliches VfB-Idol ist und warum er sich gerne auf einen einzigen Satz reduzieren lässt.
Herr Vogt, was ist Ihre größte Leidenschaft neben dem Fußball und dem VfB Stuttgart?
Claus Vogt: Menschen kennenzulernen. Wir leben in einer digitalisierten Welt, aber ganz zum Schluss kommt es immer darauf an, dass sich Menschen gegenseitig Vertrauen schenken. Egal, ob mit oder ohne Vertrag. Ich erzähle Ihnen eine kleine Anekdote.
Gerne.
Vogt: Ich war mal in einem Assessment Center. Ich war eine Woche da und am Ende kam eine Dame zu mir und meinte: Herr Vogt, Sie kann man auf einen Satz reduzieren. Ich war zunächst etwas enttäuscht und dachte mir: Was für eine Frechheit, mich auf einen Satz reduzieren zu wollen. (lacht) Aber dann meinte sie: Herr Vogt, für Sie gibt es keine Fremden, nur Freunde, die Sie noch nicht kennen. Ich muss sagen, auf diesen Satz lasse ich mich gerne reduzieren.
Welche Persönlichkeit würden Sie denn gerne mal kennenlernen?
Vogt: Ich hätte sehr gerne einmal Nelson Mandela getroffen. Er hat mich immer sehr fasziniert. Ich bin mir sicher, dass es eine spannende und für mich sehr befruchtende Unterhaltung geworden wäre. Nelson Mandela ist eine berühmte Persönlichkeit, ich liebe aber auch die kleinen Begegnungen im Alltag. Vor kurzem wurde ich an der Tankstelle von einem Mann angesprochen. Er meinte zu mir: "Ich drücke Ihnen die Daumen für die Präsidentschaftswahl. Endlich einer von uns." Das war ein schöner Moment, der mir sehr viel bedeutet hat.
Die Fan-Nähe ist sowohl bei Ihnen als auch bei Ihrem Konkurrenten Christian Riethmüller sehr groß. Ein Zeichen dafür ist auch, dass Sie zu Gast sein werden beim Fan-Podcast-Projekt der VfB-Viererkette.
Vogt: Ich bin ein großer Podcast-Fan und freue mich schon riesig darauf. Ich höre mir auch querbeet alle VfB-Podcasts an.
Claus Vogt über die Probleme des VfB Stuttgart
Der VfB wird ab Mitte Dezember wohl einen Präsidenten und mit Thomas Hitzlsperger einen Vorstandsvorsitzenden haben, die sich beide auf Twitter mit den Fans austauschen. Das dürfte einmalig sein.
Vogt: Ich weiß nicht, ob es einmalig ist. Ich weiß nur, dass es wichtig ist, da mir die Meinung der Fans, der Blogger auf Twitter rund um den VfB sehr wichtig ist. Der VfB muss einen Präsidenten bekommen, der es schafft, den VfB zu einer großen Familie zu machen. Der VfB muss wieder ein Verein sein, bei dem man gerne dazugehört. Ich wünsche mir, dass die Fans traurig sind, wenn sie ein Spiel des VfB verpassen. Und ich wünsche mir, dass der VfB einen Präsidenten zum Anfassen bekommt. Einen Präsidenten, der im Hintergrund steht und Werte wie Ruhe, Verlässlichkeit, Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit verkörpert. Der aber nie im Mittelpunkt stehen will, im Mittelpunkt steht der VfB.
Was war denn aus Ihrer Sicht in den vergangenen Jahren das Problem des VfB?
Vogt: Ich glaube, dass nach der Ausgliederung einiges nicht richtig gelaufen ist. Die AG hat sich vom Verein entkoppelt, viele Mitglieder haben seither ein Gefühl der Spaltung. Dabei ist der Verein mit 70.000 Mitgliedern und 88 Prozent Anteilen an der AG der größte und wichtigste Anker-Investor. Das meine ich wirklich so. Daimler ist ein wichtiger strategischer Investor und versteht sich auch so. Unabhängig von AG, Vereinsorganen, Spielern, Mitgliedern oder Fans - die Kunst wird es sein, den VfB insgesamt wieder zusammenzubringen. Da ist jeder gefordert, da muss jeder seine Bereitschaft einbringen.
Thomas Hitzlsperger genießt extremes Vertrauen bei den Fans. Wie gut kennen Sie sich?
Vogt: Ich habe Thomas vor einigen Jahren im Rahmen des deutschen Fußballbotschafters kennengelernt. Ich schätze ihn sehr, für seine Fachkompetenz, aber vor allem als Menschen. Der VfB darf sich glücklich schätzen, dass er da ist. Sollte ich Präsident werden, werde ich alles dafür tun, um ihm bestmöglich den Rücken zu stärken und dafür zu sorgen, dass er möglichst lange hier ist.
Claus Vogt über sportliche Ziele und die VfB-Fans
Hitzlsperger hat kürzlich eine Art Realitätscheck gefordert. Einerseits ist es zwar für VfB-Fans gefühlt ewig her, dass der Verein regelmäßig international gespielt hat, auf der anderen Seite lauteten die Abschlussplatzierungen zwischen 2003 und 2012: 2, 4, 5, 9, 1, 6, 3, 6, 12, 6. Es scheint offensichtlich extrem schwer zu sein, sich in Stuttgart vom alten Anspruchsdenken zu verabschieden, oder?
Vogt: Das ist ein ganz zentraler Punkt, da stimme ich Ihnen absolut zu. Eine der wichtigsten Aufgaben des neuen Präsidenten wird es sein, die Erwartungshaltung zu managen. In der Vergangenheit wurde da nicht immer ein guter Job gemacht. Die Ansprüche waren zu hoch, der VfB konnte ihnen nicht gerecht werden, dementsprechend groß war dann auch die Enttäuschung und der Frust. Ich wünsche mir wie jeder andere VfB-Fan auch, dass wir in dieser Saison aufsteigen, dass wir uns dann in der Bundesliga halten und dann mal wieder dauerhaft eine gute Rolle spielen. Und dazu noch einen möglichst schönen Fußball bieten. Aber das wird nicht von heute auf morgen gehen. Das müssen wir uns jeden Tag hart erarbeiten.
Viele Fans wären glücklich, wenn der VfB aufsteigt und im nächsten Jahr eine an Langeweile nicht zu überbietende Saison spielt und Zwölfter wird. Cem Özdemir hat im SPOX-Interview nicht umsonst mehr schwäbisches Understatement gefordert.
Vogt: Cem spricht mir aus dem Herzen. Ein wenig Demut tut uns gut. Deshalb dürfen wir auch aktuell nicht alles infrage stellen, auch wenn es mal eine sportlich so schlechte Phase gibt wie zuletzt. Ich bin von der sportlichen Führung des VfB überzeugt, wir müssen ihr jetzt Rückendeckung geben und sie einfach konzentriert arbeiten lassen.
Dass es für den VfB schwer sein wird, noch einmal dahin zu kommen, wo er früher war, liegt auch daran, dass andere Vereine finanziell enteilt sind. Wie stehen Sie in dem Zusammenhang zur Verteilung der TV-Gelder?
Vogt: Ich bin weiterhin der Meinung, dass sich die Verteilung der TV-Gelder verändern muss. Die aktuelle Verteilung ist nicht gerecht und sorgt dafür, dass immer die gleichen Vereine an der Spitze stehen. Das ist kein spannender Wettbewerb und daran kann auch die DFL kein Interesse haben. Und wenn ich höre, dass unsere Top-Klubs die Einnahmen brauchen, um international mitzuhalten, dann frage ich mich, warum dann nicht jedes Jahr ein Premier-League-Team die Champions League gewinnt. Es ist in meinen Augen kein zulässiges Argument.
Der VfB hat in der 2. Liga einen Schnitt von über 50.000 Zuschauern, es gab gleich zum Auftakt einen Gänsehaut-Moment, als das Stadion den jungen Maxime Awoudja nach seiner Gelb-Roten-Karte gefeiert hat. Es gibt aber auch nach wie vor Pfiffe von der Haupt- und Gegentribüne, wenn es ein VfB-Spieler wagt, einen Rückpass zum Torwart zu spielen, auch wenn es zum Spielstil von Tim Walter gehört. Ist das einfach typisch VfB?
Vogt: (lacht) Vielleicht liegt das Bruddeln in den schwäbischen Wurzeln, ich weiß es nicht. Ich hatte mir fest vorgenommen, das Wort Champions League in diesem Interview nicht in den Mund zu nehmen, aber jetzt mache ich es schon zum zweiten Mal. Wenn beim VfB etwas Champions-League-Format hat, dann sind es unsere Fans. Der VfB ist ein großer Verein, der uns alle unglaublich emotionalisiert. Ich bin jemand, der genauso gerne mit seinem Sohn in der Fan-Kurve steht als mit Geschäftspartnern im Business-Bereich. Ich mag beides gleich gerne. Und wenn die Leute pfeifen, dann ist das auch nur ein Spiegelbild der Gesellschaft. Es ist ein Ventil für sie, es ist auch ihr demokratisches Recht, sich dann so zu äußern. Wir als Verein müssen diese Pfiffe ertragen.