SPOX: Herr Palacios-Martinez, Sie haben bislang erst fünf Spiele für RB Leipzig absolviert - und noch kein Tor geschossen. Für Ihre Verhältnisse eine ganz schön lange Zeit ohne Treffer, oder?
Federico Palacios-Martinez: Irgendwie schon (lacht). Als ich im vergangenen Winter nach Leipzig kam, hat mich direkt ein Muskelfaserriss zurückgeworfen. Dazu hat die Mannschaft zu diesem Zeitpunkt gut funktioniert und fast jedes Spiel gewonnen. Deshalb kam da unter dem Strich etwas weniger Spielzeit für mich heraus. Trotzdem war das halbe Jahr gut, um mich an den Profifußball zu gewöhnen.
SPOX: In Wolfsburgs A- und B-Jugend haben Sie insgesamt 82 Buden in 92 Spielen gemacht. Haben Sie da auch manchmal gedacht: Das ist doch nicht mehr normal?
Palacios-Martinez: Manchmal schon. Es lief unglaublich, für die Mannschaft und mich. Wir haben mit diesem Kader mehr oder weniger seit der U 15 zusammengespielt und haben deshalb sehr gut miteinander harmoniert. Die Jungs kannten meine Laufwege blind. Ich selbst habe schon ab der F-Jugend viele Tore geschossen. Das Treffen liegt mir einfach.
SPOX: Sie hatten im Alter von 14 Jahren ein Angebot des FC Bayern vorliegen. Dort sollten Sie in die U 15 wechseln. Sie haben abgesagt, weil Ihnen damals die Nähe zur Heimat in Hannover wichtiger war. Wie schwer fiel Ihnen das?
Palacios-Martinez: Ich habe natürlich mit meiner Familie gesprochen und wir haben gemeinsam darüber nachgedacht. Ich war in Wolfsburg im Internat, das liegt rund 100 Kilometer von Hannover entfernt. 600 Kilometer waren mir zu viel, um nach Hause fahren zu müssen.
SPOX: Was wäre gewesen, wenn der FC Bayern jetzt noch einmal angefragt hätte?
Palacios-Martinez: Das wäre jetzt schon eher eine Überlegung gewesen, klar. Dennoch hätte man sehen müssen, ob ich mich da überhaupt durchsetzen kann. Es wäre natürlich verlockend gewesen, dort mit zu trainieren, aber ich glaube, dass der Schritt nach Leipzig fürs Erste genau richtig war.
SPOX: Ihre Mutter ist Deutsche, Ihr Vater Spanier. Wie spanisch sind Sie denn aufgewachsen?
Palacios-Martinez: Meine Familie wohnt in Hannover in einem Spanier-Viertel. Dort leben viele Bekannte von uns, von daher waren die spanischen Einflüsse auf mich schon als Kind sehr groß. Wir haben aber zu Hause nicht Spanisch gesprochen, stattdessen wurde spanisch gekocht.
SPOX: Wie haben diese Einflüsse auf Ihr Fußballerleben übergegriffen?
Palacios-Martinez: Spanien hat mich geprägt, vor allem die letzten sechs Jahre mit den Erfolgen der Nationalmannschaft. Ich hatte schon als Kind Trikots aus der Primera Division anstatt der Bundesliga. Mein Lieblingsklub war der FC Valencia, weil mein Vater aus der Stadt kommt. Als David Villa dort spielte, war er mein großes Vorbild und auch eine Inspiration für mein eigenes Spiel. In Villa erkenne ich mich wieder, zumindest in der Hinsicht: Kleiner Stürmer, viele Tore (lacht).
SPOX: Welche Rolle spielte Ihr Vater für Sie als Fußballer?
Palacios-Martinez: Eine große, auch wenn er sehr streng sein kann. Selbst wenn ich in manchen Jugendspielen mal vier oder fünf Tore geschossen habe, hatte er hat etwas zu kritisieren (lacht). Manchmal nervt das, aber bislang hat mich das recht weit nach oben gebracht. Er trifft schon meistens den richtigen Punkt bei mir, auch wenn er selbst nie sehr hoch gespielt hat. Aber er hat viel Ahnung, auch in taktischen Fragen.
SPOX: Sie haben bislang 13 Spiele für die Nachwuchs-Nationalmannschaften des DFB absolviert. Kürzlich haben Sie dem deutschen Verband abgesagt. Was waren Ihre Beweggründe?
Palacios-Martinez: Der Adler auf der Brust hat sich irgendwie nie richtig angefühlt. Ich habe für den DFB häufig ohne die Leidenschaft gespielt, die es braucht. Natürlich habe ich auch damals immer alles gegeben, aber es war einfach nicht das Richtige. Mir fehlte die Identifikation mit Deutschland. Ich habe schon ein oder zwei Jahre mit dem Gedanken gespielt, mich für Spanien zu entscheiden. Vor kurzem habe ich mich nun dafür entschieden.
SPOX: Gab es schon eine Rückmeldung vom spanischen Verband?
Palacios-Martinez: Nein, das habe ich erst einmal für mich entschieden. In Spanien weiß man Bescheid. Sie werden sich melden, sollte man Interesse an mir haben. Ich denke jetzt auch nicht an die WM 2018 oder so etwas. Das Thema ist für mich im Moment eher zweitrangig. Ich will erst einmal im Verein Gas geben. Der Rest wird sich dann schon ergeben.
SPOX: Ihr Trainer Alexander Zorniger war mit der Entscheidung nicht besonders glücklich und fand auch den Zeitpunkt der Bekanntgabe nicht ideal.
Palacios-Martinez: Bevor ich dem DFB abgesagt habe, habe ich mit dem Trainer und auch mit Sportdirektor Ralf Rangnick gesprochen. Keiner der beiden war wirklich begeistert, aber die Entscheidung lag letztlich bei mir. Im Endeffekt muss ich mich als Spieler wohl fühlen - und das war im DFB-Dress irgendwie nicht der Fall.
SPOX: Sowohl Julian Brandt, der jetzt in Leverkusen Fuß gefasst hat, als auch Sie haben als die beiden besten A-Jugendlichen dem VfL Wolfsburg den Rücken gekehrt. Dabei gibt man beim VfL seit dem Amtsantritt von Dieter Hecking und Klaus Allofs auch jungen Spielern immer öfter eine Chance. Wie sah das grundsätzliche Feedback der sportlichen Leitung damals aus, als es um Ihre Perspektiven in Richtung Profiteam ging?
Palacios-Martinez: Mein Berater und ich haben uns ein paar Mal mit den Verantwortlichen zusammengesetzt. Sie haben mir Perspektiven aufgezeigt und sagten, dass ich meine Chancen bekommen würde. Ich habe ja auch die gesamte letzte Rückrunde mit den Profis trainiert. Aber ich war trotzdem nicht so sicher. Man weiß ja, dass Wolfsburg durch VW die finanziellen Mittel hat, um mal eben einen Spieler zu verpflichten. Das hatte ich ein wenig im Hinterkopf, dass im Winter einfach jemand anderes kommen könnte, wenn es bei mir nicht läuft.
SPOX: An Ihnen waren zahlreiche Vereine interessiert. Sie haben ja mal gesagt, dass Rangnick und Zorniger ständig bei Ihnen angerufen hätten. War es das, was Ihre Entscheidung für RB Leipzig begründete?
Palacios-Martinez: Ja, wir haben fast jeden Tag telefoniert. RB hat sich einfach enorm um mich bemüht. Das kann ich vom VfL nicht unbedingt sagen. Wir hatten in Wolfsburg zwar noch mehrere Gespräche, nachdem ich meinen Wechselwunsch dort vorgetragen habe. Aber das Bemühen von RB war ganz anders, eigentlich das komplette Gegenteil.
SPOX: Wie sieht es bei der Intensität des Trainings aus, ist das auch das komplette Gegenteil als in Wolfsburg?
Palacios-Martinez: Nein, von der Art des Trainings ist es schon identisch. In Leipzig ist es aber anstrengender, nochmal intensiver als bei den Profis in Wolfsburg. RB spielt seinen eigenen Stil, mit starkem Gegenpressing und vielen Sprints. Am Anfang habe ich mich erst mal ganz schön umgucken müssen.
SPOX: Wie wird die kommende Saison für Sie eine erfolgreiche?
Palacios-Martinez: Ich habe keine Stammplatzgarantie und muss mich hier durchsetzen. Mir ist bewusst, dass es nicht leicht wird. Ich denke derzeit nicht daran, ob ich gut genug für die Startelf bin. Wenn ich viele Spielminuten bekomme, wäre das schon ein erster Erfolg. Ich werde Gas geben!
Tore satt: Federico Palacios-Martinez im Steckbrief