Als der gemeine Fan des 1860 München am Dienstagmorgen den Sportteil einer großen Münchner Boulevardzeitung aufschlug, dürfte ihm die Frühstückssemmel vor Schreck in den Kaffee gefallen sein.
Nicht etwa die Nachricht, dass sich die Rettung der von der Insolvenz bedrohten Löwen zu einer Hängepartie entwickelt, musste ihn erschaudern lassen.
Sondern, dass in Franz Beckenbauer das größte Idol des verhassten Lokalrivalen Bayern München zu Spenden für 60 aufrief. Mitleid ist das schlimmste Leid - auch für Löwen.
"Lieber tot als rot?"
Bayerns Ehrenpräsident Franz Beckenbauer hat vielen seiner Freunde geraten, bei 1860 zu investieren, sagte er der Abendzeitung. Allerdings: "Man muss ihr Geld auch haben wollen."
Genau da liegt das Problem: Einige Löwen-Fans würden lieber in die Insolvenz gehen, als sich vom FC Bayern oder Beckenbauers Kumpels retten zu lassen. Auch wenn der Kaiser vor seinem Wechsel an die Säbener Straße einst selbst ein Blauer war. "Lieber tot als rot", sagen manche Fans.
Das Rettungspaket, das am Montagabend auf der Aufsichtsratssitzung bis tief in die Nacht hinein diskutiert wurde, beinhaltet aber auch Gelder der Bayern. Als wahrscheinlichstes Modell gilt eine Bankenlösung inklusive Verpfändung von Klubanteilen. Die bayerische Landesbank, die Stadtsparkasse, andere Banken und die Gläubiger - wie die Bayern - würden 60 Kredite geben.
Um diese besichern zu können, müssten die Löwen Klubanteile verpfänden. "Wir basteln an Modellen, die wir zu einem Modell zusammenführen wollen", sagte Präsident Dieter Schneider.
Es droht die fünfte Liga
Noch ist das nicht geschehen - und somit auch die Insolvenz und der bittere Gang in die fünftklassige Bayernliga nicht vom Tisch, wie Schneider betonte.
Die Sechziger müssen bis Donnerstag acht Millionen Euro beschaffen, um das Aus zu verhindern. Beckenbauer appellierte deshalb an die Vernunft der Fans.
"Wer am Boden liegt, kann nicht auch noch wählerisch sein bei der Frage, wer einem wieder aufhilft", sagte er. Bei einer Insolvenz könne man den Klub "auflösen und als FC Obergiesing in der A-Klasse anfangen. Das wäre doch ein Irrsinn."
Einige Löwen-Fans wollen Insolvenz
Einige Anhänger halten aber genau das für den besten Weg. Besser jedenfalls als eine kurzfristige Rettung und Aufschiebung der Probleme.
Weil sie partout kein Geld von den Bayern wollen, beschimpften sie bei der Mitgliederversammlung der Fußballabteilung am Sonntag Geschäftsführer Robert Schäfer als "Verräter".
Vize-Präsident Franz Maget wurde mit rotem Konfetti beworfen. Der Angriff auf das Servicecenter des FC Bayern, dessen Front mit blauen Farbbeuteln beworfen wurde, könnte ebenfalls auf das Konto der Insolvenz-Befürworter gehen.
"Kein Cent für das Fass ohne Boden"
Für die Verantwortlichen kommen derartige Ausfälle zur Unzeit, Schneider bezeichnete sie als "dumm. Wenn es militant wird, erschwert das die Gespräche mit unseren Verhandlungspartnern."
Zumindest der FC Bayern soll sich nach dem Willen seiner Fans der Rettung der Sechziger ohnehin verweigern. Über fünzig Fanklubs schlossen sich binnen weniger Stunden einem offenen Brief aktiver Fans des "Club Nr. 12" an Präsident Uli Hoeneß an, in dem es heißt: "Wir möchten Sie dringend bitten, sich Ihrer Ankündigung (...) zu besinnen und keinen weiteren Cent in das Fass ohne Boden mit dem Namen TSV 1860 zu werfen."
Andere Bayern-Anhänger schritten indes zur Tat und versperrten den Zugang zum 1860-Vereinsgelände mit rot-weißen Ketten. Auf einem Plakat verkündeten sie ihren sehnlichsten Wunsch: "Wegen Armut geschlossen."
1860 München im Steckbrief