Frage: Herr Kroos, die deutsche Mannschaft hat mit dem 7:1 gegen Brasilien Geschichte geschrieben. Wie haben Sie das Spiel wahrgenommen?
Kroos: Wir haben ein fantastisches Spiel gemacht. Ich hatte schon vor dem Spiel ein gutes Gefühl, dass es natürlich in der Deutlichkeit ausgeht, damit hat keiner gerechnet.
Frage: Ist die größte Herausforderung der nächsten Tage, auf dem Boden zu bleiben?
Kroos: Ich habe keine Sorge, dass einer abhebt. Die Stimmung in der Kabine war gelöst, wir stehen im WM-Finale, da kann jeder glücklich sein. Aber es herrschte keine extreme Euphorie. Wir haben unser Ziel noch nicht erreicht. Wir wissen schon noch, um was es geht und dass noch ein Spiel aussteht. Wir wollen Weltmeister werden, das haben wir schon vor dem Turnier gesagt.
Frage: Nach den zwei knappen Spielen gegen Algerien und Frankreich in den Runden zuvor: Hat Deutschland heute sein wahres Gesicht gezeigt?
Kroos: Wenn das unser wahres Gesicht ist, ist das schön. Die Spiele vorher waren nicht so schlecht, wie sie gemacht wurden, und wir haben bei dieser WM schon andere tolle Spiele gemacht, wie zum Auftakt gegen Portugal. Heute war es natürlich deutlicher, weil uns Brasilien mit seiner Spielweise entgegenkam.
Frage: Wie meinen Sie das?
Kroos: Brasilien hat sehr offen gespielt und war dadurch anfällig im Konter. Sie waren von Beginn an nicht voll da, keiner wollte den Ball haben. Man hat auch das Gefühl gehabt, dass die Angst ein bisschen mitgespielt hat.
Frage: Sie waren im Zentrum sehr dominant, haben zwei Tore geschossen, eines vorbereitet und zwei weitere eingeleitet. Sie sind insgesamt die Konstante im Mittelfeld in diesem Turnier. Woher kommt das?
Kroos: Ich habe auch schon alle Qualifikationsspiele gemacht. Vor der WM hatte ich mit dem Bundestrainer ein Gespräch, in dem er mir gesagt hat, dass ich eine andere Rolle einnehmen werde als bei der EM 2012, weil ich noch mal einen Schritt gemacht habe und auf einer Position im Zentrum spielen werde. Für mich ist es dann auch nicht entscheidend, ob ich auf er Zehn oder der Acht spiele. Im Moment klappt es gut, weil jeder Spieler im Mittelfeld jede Position einnehmen kann.
Nachbericht: Bekanntschaft mit der Urgewalt
Frage: Die Favoritenrolle im Finale kann die Mannschaft nicht mehr ablegen, egal welcher Gegner kommt.
Kroos: Es geht nicht darum, Favorit zu sein, sondern ein gutes Spiel abzuliefern. Brasilien war vor der WM bei 90 Prozent der Leute Top-Favorit. Am Ende ist es wichtig, im richtigen Moment Leistung zu bringen. Und wenn ich mir das andere Halbfinale anschaue, Holland gegen Argentinien, kommt keine schlechte Mannschaft auf uns zu.
Frage: Haben Sie den Gegner mit dieser Leistung und diesem Ergebnis schockiert?
Kroos: Das glaube ich nicht. Egal, wer kommt, der Gegner wird uns ernstnehmen, aber das hätte er so oder so getan. Genauso wie wir jeden Gegner erstnehmen. Das hat man auch heute gesehen. Bei einer so hohen Führung ist es wichtig, dass man das Spiel seriös zu Ende bringt und den Gegner weiter mit Respekt behandelt.
Frage: Es war auffällig, dass die Effizienz in diesem Spiel auf einmal da war. Wie kam das?
Kroos: Wir haben uns in diesem Bereich gesteigert, das stimmt. Da hatten wir in den letzten Länderspielen Probleme. Aber man muss auch sagen, dass wir schon vor dem 1:0 die eine oder andere Situation besser ausspielen hätten können. Und dann hatten wir auf einmal eine Phase, in der wir ein Tor nach dem anderen gemacht haben.
Frage: Sie haben nach dem Spiel auch noch mit Dante und Luiz Gustavo gesprochen. Was haben Sie ihnen gesagt?
Kroos: Ich habe beiden alles Gute gewünscht. Beide sind immer emotional bei der Sache, gerade für Dante war es hart, weil er sein erstes Spiel gemacht hat. Das hat er sich natürlich ganz anders vorgestellt.
Frage: Haben Sie schon mal eine so traurige Mannschaft erlebt? Haben die Brasilianer mit Ihrer Symbolik vor dem Spiel vielleicht etwas übertrieben?
7:1 gegen Brasilien! Der Wahnsinn im RE-LIVE!
Kroos: Es ist halt so, dass die Brasilianer Typen dabei haben, die auf eine etwas andere Art und Weise mit solchen Situationen umgehen und das auch zeigen. Wenn du im eigenen Land die Chance hast, Weltmeister zu werden, kommen da auch andere Emotionen hoch.
Frage: War Neymars Ausfall der Genickbruch für Brasilien?
Kroos: Es war schwer vorherzusagen, wie sie seinen Ausfall auffangen wollen, personell als auch taktisch. Im Endeffekt muss man sagen, dass er nicht zu ersetzen ist. Aber ich wage die Prognose abzugeben, dass wir das Spiel auch gewonnen hätten, wenn Neymar dabei gewesen wäre.