"Wenn man sie liest, kommen einem fast die Tränen. Deshalb möchte ich das mit mehr Abstand genießen. Jetzt ist es noch zu emotional", sagte der 65-Jährige nach dem unglücklichen Achtelfinal-Aus mit der Schweizer Nationalmannschaft bei der WM gegen Argentinien (0:1 n.V.).
Beim Abpfiff, der das Ende seiner großen Trainer-Karriere bedeutete, sei er "in ein Loch gefallen" und habe einen Schock verspürt. Dennoch dankte er seinen Spielern, "dass sie mir diesen Moment noch einmal geschenkt haben". Mit einem Happy End hatte der letzte Akt seiner mehr als 10.000 Tage dauernden Trainer-Karriere allerdings nicht das Geringste zu tun.
Erinnerung an Barcelona 99
Das Spiel gegen die Argentinier sei "unglaublich" gewesen, "es waren Emotionen, über die man stundenlang reden könnte." Die Spieler seien nach dem Schlusspfiff "fast nicht aufnahmefähig" gewesen: "Viele haben geweint, das sind Emotionen, die bleiben." Schon am Abend zuvor hatte er von "einer gewaltigen Dimension" gesprochen.
Und so fühlte er sich auch erinnert an den 25. Mai 1999, als er mit Bayern München bis in die Nachspielzeit gegen Manchester United geführt hatte und doch noch verlor. "Ich habe es schon mal erlebt, in den letzten drei Minuten den größten Vereins-Pokal der Welt zu verlieren", sagte der General und Gentleman: "Das hier war ähnlich."
Doch in Wahrheit war es noch viel schlimmer. Vor allem durch die Umstände, denn wie schwer ihm das Herz gewesen sein muss bei seinem letzten Spiel, kann man allenfalls erahnen. In der Nacht vor dem Spiel war sein Bruder Winfried (81) verstorben, ein Schicksalsschlag, den kein sportlicher Erfolg annähernd hätte aufwiegen können.
117 Minuten perfekt umgesetzt
Doch die sportliche Überraschung, mit der Hitzfeld und seine Spieler Schweizer Sport-Geschichte geschrieben hätten, war greifbar nahe. 117 Minuten hatten die Eidgenossen den Masterplan ihres Trainers perfekt umgesetzt. Dann fiel das Tor durch Ángel Di María und Blerim Dzemaili traf in der hektischen Nachspielzeit den Pfosten des argentinischen Tores. Die Wiedergutmachung für das Manchester-Trauma war nahe, aber sie blieb aus.
Und es wird auch nie wieder eine Chance dazu geben, denn eine Rückkehr auf die Trainerbank schloss Hitzfeld aus. "Bei der Verkündung wurde mir bewusst, dass es endgültig ist. Das war ein komischer Moment", sagte er: "Aber ich bin sehr glücklich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Es war eine ganz schwere Entscheidung, aber ich überlege Entscheidungen gut."
"Sehr schade, dass Hitzfeld aufhört"
Er verabschiedete sich, wie er immer gewesen ist. Würdevoll, ganz Sportsmann, Weltbürger und Vorbild. "Unser Trainer war sehr stark", sagte der Freiburger Gelson Fernandez sichtlich beeindruckt: "Er hat uns in dieser für ihn schweren Situation Selbstvertrauen gegeben. Ich wünsche ihm das Beste für die Zukunft. Er ist nicht nur ein großer Trainer, sondern auch ein großer Mensch."
Der Wolfsburger Ricardo Rodriguez fand es "sehr schade, dass Hitzfeld aufhört. Die ganze Mannschaft wird ihn vermissen." Verbands-Präsident Peter Gilliéron versicherte: "Der Abschied von Ottmar ist noch viel schmerzlicher als der von der WM." Er freue sich aber, "dass ich künftig ohne Druck mit ihm über Fußball sprechen kann". Denn unter Druck habe Hitzfeld "schon immer gestanden, das hat man gemerkt".
31 Jahre Erfolg
Deshalb war er nach dem Champions-League-Sieg mit Borussia Dortmund 1997 ein erstes Mal kürzer getreten und hatte sich auf den Posten des Sportdirektors zurückgezogen. 2004 legte er nach sechs Bayern-Jahren eine Pause ein. Ein "kleiner Burn-out" hinderte ihn damals daran, deutscher Bundestrainer zu werden, obwohl er es "zu gerne geworden wäre".
Nun ist endgültig Schluss, 31 Jahre nach dem Einstieg beim SC Zug und nach 19 Titeln - Supercups, Ligapokale oder Hallencups nicht mitgerechnet. Dem Fußball bleibt Hitzfeld erhalten, als Experte bei Sky. Außerdem werde er Vorträge halten und sich vor allem mehr um die Familie kümmern. Langweilig werde es nicht werden, verspricht er, aber er habe doch "ein verhältnismäßig ruhiges Leben vor mir."
Er hat es sich verdient.