Heilsbringer, Anführer, Hoffnungsträger: Superstar Didier Drogba schultert bei der WM in Brasilien mal wieder die Erwartungen einer ganzen Nation. Nach den herben WM-Enttäuschungen von 2006 und 2010 soll, nein muss, der inzwischen 36 Jahre alte Kapitän die "Goldene Generation" der Elfenbeinküste erstmals in die K.o.-Phase führen. Minimalziel ist das Achtelfinale - in der Heimat träumen sie sogar vom Titel.
Um dies zu unterstreichen, stattete der ivorische Sportminister Alain Lobognon dem Team kurz vor dem Auftaktspiel gegen Japan am Sonntag noch einen Besuch im Mannschaftsquartier ab.
Gott wird entscheiden
"Jetzt endlich einmal die Gruppenphase zu überstehen wäre eine große Sache. Aber da sind wir noch nicht, wir haben noch drei Spiele vor uns", beschwichtigte Drogba, versprach aber: "Wir werden unser Maximum geben und am Ende wird Gott entscheiden." Er weiß, dass das Duell gegen die quirligen Asiaten in der ausgeglichen besetzten Gruppe C zum Schlüsselspiel werden dürfte.
Routinier Kolo Touré traut seiner Mannschaft sogar den Titel zu. "Ich setze uns keine Limits. Warum sollten wir keine Überraschung schaffen und bis ins Finale kommen? Wir haben alle Möglichkeiten", sagte der Verteidiger des FC Liverpool. Touré gehört zusammen mit Drogba, seinem Bruder Yaya (31), Didier Zakora (33) und Arthur Boka (31) der "Goldenen Generation" seines Landes an, die zwar schon an zwei Weltmeisterschaften teilgenommen hat, allerdings nie über die Vorrunde hinauskam.
Für Drogba geht es am Zuckerhut vor allem um die Krönung seiner zwölfjährigen Nationalmannschafts-Karriere. Zweimal führte der wuchtige Mittelstürmer die "Elefanten" mit seinen Treffern ins Finale der Afrika-Meisterschaft. Doch nie reichte es zum Titel. 2006 verloren sie das Endspiel gegen Ägypten im Elfmeterschießen, bei der finalen Niederlage 2012 gegen Außenseiter Sambia verschoss Drogba beim Stand von 0:0 einen Elfmeter.
Zum ersten Mal die Gruppenphase überstehen
Noch weitaus schlechter ist die ivorische WM-Bilanz: 2006 scheiterten die Westafrikaner in der Gruppenphase an Argentinien und den Niederlanden, vor vier Jahren mussten sie Brasilien und Portugal den Vortritt lassen. "Diesmal möchten wir etwas Bedeutendes erreichen", sagte Drogba, der mit 63 Treffern in 101 Spielen unangefochtener Rekordtorjäger seines Landes ist, entschlossen.
In der von Krieg und Armut gebeutelten Heimat wird Drogba aber nicht bloß wegen seiner Tore verehrt. Spätestens seit der langjährige Chelsea-Angreifer (2004 bis 2012) nach einem Länderspiel im Sudan im Jahr 2005 vor laufenden Kameras auf die Knie gefallen war und einen ergreifenden Friedensappell an die Politiker seines Landes ("Legt die Waffen nieder") richtete, wird er auch außerhalb des Platzes gefeiert und gilt als einer der großen afrikanischen Volkshelden.
"Wird uns mit seiner Erfahrung helfen"
Das amerikanische Magazin "Time" nahm Drogba 2010 sogar in die jährliche Liste der "100 einflussreichsten Menschen der Welt" auf, nachdem er drei Millionen Euro für ein neues Krankenhaus in seiner Geburtsstadt Abidjan gespendet hatte.
In Brasilien rücken allerdings wieder die sportlichen Qualitäten Drogbas in den Vordergrund. Dass Drogba, der im Champions-League-Finale 2012 mit seinem Treffer kurz vor dem Ende zum Bayern-Schreck avancierte, seinen Zenit nach seinem Wechsel zu Galatasaray Istanbul überschritten hat, glaubt Nationaltrainer Sabri Lamouchi keinesfalls. "Didier ist ein großer Champion und in einer Top-Verfassung", sagte Lamouchi bei einer Pressekonferenz in der Nacht zu Samstag: "Mit seiner Erfahrung wird er uns weiterhelfen."
Sieben Bundesliga-Legionäre dabei
Eine derartige Erfahrung bringen die Japaner zwar nicht mit, doch die WM-Ziele der Blauen Samurai sind mindestens genauso groß. Mit Hilfe von sieben Bundesliga-Legionären peilt das Team aus dem Land des Lächelns sogar das Viertelfinale an.
"Wir haben die Chance, zum ersten Mal über das Achtelfinale hinauszukommen. Viele Spieler sind im Ausland aktiv - auch bei Topklubs", sagte Shinji Okazaki. Der Stürmer von Mainz 05 stellte mit seinen acht Toren in der WM-Qualifikationen sogar die Topstars Keisuke Honda (AC Mailand) und den Ex-Dortmunder Shinji Kagawa (jetzt Manchester United) in den Schatten.