Die Schreckensbilanz der Unruhen in der WM-Stadt Salvador da Bahia von mindestens 39 Toten, vielen Verletzten und Schäden vermutlich in Millionenhöhe hat die Macher der WM in Brasilien in höchste Alarmstimmung versetzt.
Die zweitägige Welle der Gewalt und Anarchie während eines Polizeistreiks und der Marschbefehl von Staatspräsidentin Dilma Rousseff für Tausende von Soldaten müssen auch den DFB und viele Tausend Schlachtenbummler ein Horrorszenario fürchten lassen: In Brasiliens drittgrößter Stadt bestreitet die deutsche Nationalelf am 16. Juni ihr WM-Auftaktspiel gegen Portugal.
Die FIFA reagierte demonstrativ gelassen auf die neuerliche Eskalation der Gewalt an einem WM-Schauplatz. "Wir sind zuversichtlich, dass die lokalen Behörden die Situation rasch in den Griff bekommen. Wir haben volles Vertrauen in die brasilianischen Behörden und deren für die WM entwickeltes Sicherheitskonzept", sagte FIFA-Sicherheitschef Ralf Mutschke dem "SID" trotz vieler Todesopfer und erschreckender Bilder von Plünderungen in unzähligen Supermärkten, Apotheken und Elektronikwaren-Läden.
Die Regierung des Bundesstaates Bahia spielte die Krawalle in der 2,5-Millionen-Einwohner-Metropole auf geradezu zynisch erscheinende Weise herunter. "Die Zahl der Toten ist höher als normal, aber nicht absurd hoch", sagte Sprecher Isaac George. Das 1000 km von Rio de Janeiro entfernte Salvador zählt mit einer Mordquote von über 41 Tötungen pro 100.000 Einwohner zu Brasiliens gefährlichsten Städten.
Ende des Polizeistreiks
Umso erleichterter reagierte die Bevölkerung auf das von George verkündete Ende des Polizisten-Ausstands. "Die Polizei ist zurück, die Polizei ist zurück", sangen viele Stadtbewohner auf den Straßen. Nur wenige Stunden zuvor hatten noch marodierende Straßenbanden und Vandalen Salvadors Straßenbild bestimmt. Nachdem die Situation jedoch gänzlich außer Kontrolle geraten war, zog Staatspräsidentin Rousseff die Notbremse.
Und schickte 2500 bewaffnete Soldaten und 250 Elitepolizisten in die Küstenstadt: "Ich habe dies angewiesen, um die Sicherheit der Öffentlichkeit und den Frieden in Bahia zu garantieren", teilte Rousseff mit: "Es ist nicht akzeptabel, dass Bahias Bevölkerung gefährdet wird."
Gerade aber Bahia und Sao Paulo bilden derzeit offenbar die größten WM-Sicherheitsrisiken. In Salvador waren schon vor zwei Jahren während eines fast zweiwöchigen Polizeistreiks 157 Menschen getötet worden, und São Paulo erschien schon im Vorjahr beim Confed Cup und auch zuletzt wieder als Keimzelle der oft gewalttätigen Proteste gegen Brasiliens Milliarden-Ausgaben für die WM statt für soziale Projekte.
Auch für die WM-Planungen des DFB könnten die Geschehnisse in Salvador eine zusätzliche Belastung darstellen. Erst zuletzt sorgten Überschwemmungen auf der Quartierbaustelle in Santo André für Zweifel an einer angemessenen Unterbringung der deutschen Elitekicker.
Sorgen beim DFB
Nunmehr dürfte den Stab von Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff aber auch die Frage beschäftigen, ob die knapp 30 km lange Anfahrt der DFB-Elf vom Luis-Eduardo-Magalhaes-Flughafen zum ersten WM-Gruppenspiel in Salvadors Fonte-Nova-Stadion gegen Portugal noch alleine von örtlichen Sicherheitskräften geschützt werden kann und soll.
Darüber hinaus erscheint in Salvador auch die Sicherheit der deutschen Anhänger, darunter viele Mitglieder des vom DFB organisierten "Fanclub Nationalmannschaft", nicht gewährleistet. Eine "SID"-Anfrage zu den schlimmen Nachrichten aus Salvador ließ der DFB bis zum frühen Karfreitag-Nachmittag unbeantwortet.
Der DFB ist mit seinen Sorgen jedoch nicht alleine. In Salvador sind in der Vorrunde auch das Topspiel zwischen Titelverteidiger Spanien und dem WM Zweiten Niederlande (13. Juni) sowie die Spiele Frankreich gegen die Schweiz (20. Juni) und Bosnien-Herzegowina gegen Iran (25. Juni) angesetzt. In Brasiliens ehemaliger Hauptstadt sollen außerdem ein Achtelfinale und ein Viertelfinalspiel stattfinden.