Mark van Bommel ist kein Fußballer, der sich hinter Plattitüden versteckt. Seine Analysen in der Mixed-Zone sind meist messerscharf. Auch nach dem Sieg im Viertelfinale gegen Brasilien stellte sich der 33-Jährige vor die Kameras und verkündete, dass es ein Duell zweier Mannschaften war, die "den Schiedsrichter bespielt" hätten.
Van Bommel wusste worauf es gegen die Selecao ankam. Es war nicht zu erwarten, dass die Erfinder des "jogo bonito" und des "voetbal totaal" ein bezauberndes Fußballfest anbieten würden, es war mehr ein Kampf auf Biegen und Brechen - zumindest in der zweiten Halbzeit.
Ein perfektes Spiel für van Bommel. Der Bayern-Kapitän war Kämpfer, Organisator und Provokateur zugleich. Er ließ sich von Robinho anbrüllen, ohne eine Miene zu verziehen und sprang bei harmlosen Fouls gefühlte sechs Meter in die Luft.
"Er ist ein Typ, der immer gewinnen will und dafür alles tut", sagt der niederländische Nationaltrainer Bert van Marwijk. Van Bommel macht sich nichts aus seinem öffentlichen Image oder guten Manieren auf dem Platz. Was zählt, ist der Sieg.
Van Bommel als Sinnbild des Wandels
Eine Weltanschauung, die in den Niederlanden noch immer nicht jedem vermittelbar ist. "Die Leute wollen, dass wir guten Fußball spielen und Erfolg haben. Aber beides zusammen geht nicht immer", sagte van Bommel schon vor der WM im SPOX-Interview.
In Schönheit gestorben, lautete in den vergangenen Jahrzehnten oft die Zusammenfassung einer niederländischen WM- oder EM-Mission. Nur 1988 holte die Elftal einen Titel. In den meisten Fällen startete das Team mit begeisterndem Fußball in die Turniere und schied früh aus, weil sich die Spieler an ihrem eigenen Spiel berauschten, an ihrer Überheblichkeit scheiterten oder untereinander zerstritten waren.
Die neue Mannschaft ist anders. Zwar marschierten die Niederländer wieder souverän durch die Qualifikation und die Vorrunde, den Vorwurf ekstatischer Fußballfeste mussten sie sich aber nicht gefallen lassen. Und das Team ist intakt.
Co-Trainer Frank de Boer, selbst Teil mehrerer gescheiterter Turnier-Mannschaften, spricht sogar von einer "Kulturrevolution". Und Mark van Bommel ist das Sinnbild dieses Umsturzes.
Van Bommel immer und überall der Boss
"Noch bei der EM 2008 haben wir große Spiele gemacht, 3:0 gegen Italien, 4:1 gegen Frankreich, dann aber gegen Russland sang- und klanglos verloren. Unser Ziel war, Stabilität zu gewinnen. Dieses Team ist reif, es hat ein System verinnerlicht. Wir können jetzt ein Spiel schlecht beginnen und doch siegen", sagte de Boer.
Van Bommel war bei der EM in Österreich und der Schweiz nicht dabei. Er hatte sich mit Bondscoach Marco van Basten überworfen. "Das war keine gute Ehe, van Basten und ich. Es hat nicht funktioniert", sagt van Bommel. Es schien so, als wäre die "Schlacht von Nürnberg", das brutale WM-Achtelfinale gegen Portugal, van Bommels letztes Länderspiel gewesen.
Doch ein Wink des Schicksals brachte ihn zurück ins orange Trikot. Nach dem EM-Aus trennte sich der Verband (KNVB) von van Basten und besetzte den Posten ausgerechnet mit van Bommels Schwiegervater Bert van Marwijk. Der holte seinen Schwiegersohn nicht nur wegen familiärer Bande zurück ins Team, sondern weil er einen Spieler seiner Art für seine Pläne brauchte.
Van Bommel ist ein Anführer, Ottmar Hitzfeld prägte einst den Begriff "aggressive leader". Bei der WM setzte er die meisten erfolgreichen Tacklings aller Spieler an. Auch wenn Giovanni van Bronckhorst die Kapitänsbinde der Elftal trägt, ist van Bommel "immer und überall der Boss", wie Edson Braafheid im Vorfeld des Turniers gegenüber SPOX betonte.
Verlängter Arm des Trainers
Außerdem ist van Bommel ein großer Taktiker, eine Art Spielertrainer auf dem Platz. Seit ihn van Marwijk zurückgeholt hat, bildet er mit Man-City-Terrier Nigel de Jong Hollands eisenharten Abwehrschild.
Van Bommel bezeichnet diese Kombination als "Lebensversicherung". Oranje kassierte die wenigsten Gegentore in der Qualifikation und bekam auch in Südafrika erst drei Treffer eingeschenkt. In der Offensive verfügt die Mannschaft ohnehin noch über genügend individuelle Klasse, um jeden Gegner der Welt auseinanderzunehmen.
Mit dieser Melange aus defensiver Disziplin und offensiver Inspiration sind die Niederlande mittlerweile seit 24 Spielen ohne Niederlage. Am 6. September 2008 gab es in Eindhoven ein 1:2 gegen Australien.
De Jong fehlt van Bommel
Im Halbfinale gegen Uruguay muss van Bommel allerdings auf de Jong verzichten, er fehlt gelbgesperrt. Bisher war die Rollenverteilung im Mittelfeld klar: De Jong räumt ab und van Bommel schaltet sich ab und zu in die Offensive mit ein.
Er spielt im Grunde so, wie Schweinsteiger bei den Bayern - während Schweinsteiger in der DFB-Elf in etwa so spielt wie von Bommel bei Bayern. Ein Kuriosum dieser WM.
Doch van Bommel weiß, wie er sich auf dieser Position zu verhalten hat, kennt die Anforderungen aus seiner Zeit beim PSV Eindhoven und bei Fortuna Sittard.
Als de-Jong-Ersatz wird ihm Demy de Zeeuw zur Seite gestellt. Der Ajax-Spieler gleicht de Jong zwar rein äußerlich, ist aber nicht ganz so aggressiv und einen Tick offensiver ausgerichtet. Für van Bommel ist der Wechsel ohnehin kein Problem, denn: "Das ist die beste Oranje-Mannschaft, in der ich je gespielt habe."